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Halb Sitcom, halb Depression

Review: Kevin Can F**k Himself S01E01 – Living the Dream

Mini-Spoiler
22. Juni 2021, 10:27 Uhr
Mini-Spoiler
Maik
22.06.21

Dramedy ist ja heutzutage ein weit verbreiteter Begriff. So ziemlich jede Drama-Serie wird durch lustige Momente aufgelockert und fast jede moderne Comedy-Serie hat einen gewissen Drama-Faktor, um moderner zu wirken und mehr Tiefgang zu haben. Und sobald wir irgendein neues Format nicht recht in eine der beiden Schubladen stecken können, also Comedy oder Drama, wird einfach die Comedy-UND-Drama-Schublade geöffnet – Problem gelöst! Bei „Kevin Can F**k Himself“ kann man aber mit Fug und Recht das Label „Dramedy“ heranziehen, stellt sie doch die ultimative Vermengung beider Welten dar. Zur Hälfte die Farb- und Lach-intensive Sitcom, zur Hälfte tiefgehende und trostlos wirkliche Drama-Realität. Denn die neue AMC-Serie stellt die bisweilen surreal wirkende Fernsehwelt der klassischen Sitcoms bloß, indem sie immer wieder aus dem Klischee-Bild ausbricht und uns das echte Leben zeigt.

In der Nacht zu Montag lief in den USA der Auftakt zur Staffel in einer Doppelfolge. Ich habe bislang lediglich die erste der insgesamt zehn Folgen gesehen und möchte meinen Ersteindruck mit euch teilen (vielleicht schreibe ich nach Folge Sechs nochmal ein Staffelreview hier im Blog).

Wer ist eigentlich Kevin?

Dass der Name „Kevin Can F**k Himself“ eine ziemlich direkte Anspielung auf Sitcom-Größe Kevin James und seine Serie „Kevin Can Wait“ darstellt, wurde bereits im Zuge von Ankündigung und Trailer offiziell bestätigt. Viel zu oft bedienen Sitcoms noch immer gesellschaftsferne Stereotypen und unsoziale Klischees. Sexismus, Diskriminierung, Realitätslosigkeit. „Dicker Mann mit schlechtem Job hat schöne Frau und Haus“ – um mal etwas plump zusammen zu fassen. Valerie Armstrong will mit „Kevin Can F**k Himself“ eine klare Botschaft senden und zeigt uns, dass auch Sitcom-Charaktere melancholische oder gar depressive Momente haben. Nur eben abseits des Sets…

Wechselschauspiel

Der große, gewinnbringende Clou von „Kevin Can F**k Himself“ ist der Wechsel zwischen den Formatwelten. Das funktioniert vor allem zu Beginn gut, als wir uns im klassischen Sitcom-Setting (typisch aufgebautes Wohnzimmer, wenige, starre Kameraeinstellung mit übersättigtem Farbfilter, alles ist sauber, alle sind glücklich…) befinden und als Ehefrau Allison aus dem Raum tritt, ändert sich die Einstellung komplett. Wir bekommen entzogene Farben, eine dynamische Kameraführung und vor allem Gefühle zu sehen. Kein aufgesetztes Lachen mehr, sondern echte, tiefe Gedankenspiele. Das Umlegen dieses Schalters geschieht mehrere Male und macht den Reiz der Serie aus. Mal, wenn ein „Sitcom-Ort“ verlassen wird, um in die ernste Realität zu gelangen, oder gar noch mehr, wenn ein und dieselbe Szene mit unterschiedlicher Inszenierung zu sehen ist. Die Sequenzen werden nämlich kürzer und „näher“, ich kann mir vorstellen, dass wir gar noch Dialoge sehen, in denen Allison im „Ernst-Modus“ steckt, wohingegen ihr Mann – natürlich Kevin – im „Sitcom-Modus“ verweilt.

Dabei muss ich gestehen, dass gerade die Sitcom-Sequenzen erstaunlich gut funktionieren. Natürlich ist das drüber inszeniert, komplett vorhersehbar und vor allem Kevin wird als egoistischer Arsch gezeichnet, aber einige Gags funktionieren überraschenderweise ziemlich gut. Da hat man sich wirklich die Mühe gemacht, eine vermeintlich funktionierende Sitcom auf die Beine zu stellen. Das hätte ich vorher nicht unbedingt gedacht.

Vor allem weiß aber die gegenteilige Drama-Realität zu überzeugen. Zumindest spielerisch. Annie Murphy spielt vortrefflich einen auseinanderfallenden Charakter. Statt lebensfroher Hoffnung gibt es Nachdenklichkeit, Melancholie und Verzweiflung zu sehen und spüren. Die Mimik ist super, auch funktioniert das Timing größtenteils hervorragend. Vielleicht ist der Wechsel zwischen den Welten zu Teilen etwas zu kontrastiert und deutlich und ihr Abdriften etwas sehr schnell und intensiv. Das hätte man vielleicht sanfter übergleiten lassen können, vielleicht wären dann aber zu viele Leute während oder nach der ersten Folge ausgestiegen.

Erzwungene Längen

Denn die 44 Minuten vergehen trotz des Systemwechsel-Gimmicks erstaunlich langsam vonstatten. Das mag an dem erzwungenen Kontrast liegen, der bewusst eine weniger auf schnelle Gag-Konter und lockerleichten Lebensfluss Realität abzielt, sondern die Tristess des Alltags und dessen oftmals vorherrschende Stille zeigen will. Wenn eben nicht alles ausgesprochen wird, was gedacht wird, sondern Gedanken Gedanken bleiben, die an einem nagen, von Innen.

Und so mag erfolgreich das Gefühl der Figur Allison auf uns Zuschauer:innen übertragen werden, aber so recht möchte man das selbst ja gar nicht fühlen. Wir schauen doch Serien, um unterhalten zu werden! Vermutlich schafft „Kevin Can F**k Himself“ hiermit etwas ganz besonderes, aber noch bin ich mir nicht sicher, ob das über einen längeren Zeitraum trägt. Und doch bin ich jetzt interessiert, wie es mit Allison weiter gehen wird. Wie viel krasser ihr emotionaler Ausbruch noch ausfallen wird. Und wie die Mixtur der Genres weiter vorangetrieben wird. Schlecht war das definitiv nicht!

Das persiflierte Sitcom-Leben funktioniert erstaunlich gut und schafft einen gewaltigen Kontrast zur trostlosen Lebensdarstellung drumherum. Das Gimmick des TV-Welten-Wandels funktioniert eindringlich und stellt somit ein sehr originelles Serien-Konzept dar, das in gewisser Weise die Meta-Ebene betritt und dabei doch AMC-Drama-typische Drastik besitzt (das ist am Ende der Pilotfolge ja bereits angerissen worden…). Dennoch fehlt mir da noch das gewisse Etwas, aktuell fühlt es sich noch sehr nach einem One-Trick-Pony an und auch wenn ich hier zwischenzeitlich 3,5 Kronen stehen hatte, gehe ich doch erstmal auf eine solide gemeinte 3. Mit konsequenter Weiterverfolgung und gekonntem Drehbuch könnten da noch einige einschneidende Wendungen und Entwicklungen auf uns warten. Das Potenzial ist jedenfalls da, alleine schon, wenn ich daran denke, dass wir zum Beispiel irgendwann Kevin aus dem Sitcom-Trott ausbrechen sehen könnten…

Aktuell kann man „Kevin Can F**k Himself“ leider noch nirgends in Deutschland sehen und es ist auch noch nicht bekannt, wann und wo die Dramedy-Serie aufschlagen wird. Aber über den Streamingdienst AMC+ des US-Senders sind bereits die ersten drei Episoden online zu sehen.

Bilder: AMC

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2 Kommentare

  • Die zwei Hauptprobleme der Serie sind leider:

    1) Man kann in jeder Sekunde hören, wie sich die Macher im Hintergrund dafür beglückwünschen, etwas aufzuzeigen, was ohnehin schon jedem klar war („Gewisse alte Klischees sind ziemlich problematisch“ und „Die Heile Welt des Fernsehens hat eine dunkle Seite“), was der Satire schon fast den kompletten Biss nimmt.

    2) Die Dramaseite des Ganzen ist leider so klischeehaft, wie die Sitcomseite. Nur leider soll dieser Teil keine gewollt stereotype Parodie sein.

    Bis auf weiteres hat die Serie meine Aufmerksamkeit verloren. Wenn sich nach Ende der Staffel doch noch herausstellen sollte, dass da etwas mehr hintersteckt, werde ich nochmal reinschauen, aber bis dahin hat die Serie meine Aufmerksamkeit verloren.


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