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Kain und Abel bei Jazz im Neonlicht

Review: „Black Rabbit“ (Mini-Serie)

3. Oktober 2025, 12:04 Uhr
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„Entschuldigt bitte, ich möchte nur kurz etwas sagen. Für die von euch, die nicht wissen, wer ich bin, verpisst euch. Nein! Ich bin Jake, ja ja, der Laden gehört mir! Wow! Für solche Partys wurde Black Rabbit aufgebaut! Ein Ort, wo dich die Nacht in jede Richtung führen kann… Also. Was auch immer kommen mag, ich möchte, dass ihr euch hier zu Hause fühlt. Denn ihr alle seid meine Familie!“ – Jake Friedkin

Dieser Monolog von Jake setzt gleich zu Beginn den Ton: ein bisschen Größenwahn, ein bisschen Verheißung, und viel von der toxischen Wärme, die die neue Netflix-Serie „Black Rabbit“ so stark prägt. Worum es geht: Jake führt einen Hotspot der Nex Yorker Restaurant- und Clubszene, das „Black Rabbit“. Während er Pläne über Expansion und Eröffnungen von neuen Restaurants hegt, erscheint sein Bruder Vince auf der Bildfläche, dessen Spielsucht noch eines der kleinsten Probleme ist. Er setzt eine Abwärtsspirale in Gang, die im Laufe der Serie auch Jakes Welt aus den Angeln hebt.

Atmosphäre & Grundstimmung

Black Rabbit kam bei mir an wie eine Jazz-Nummer in einer verrauchten Bar: elegant, düster, undurchsichtig. Kameraarbeit, Soundtrack und Lichtgestaltung erschaffen eine Welt, die gleichzeitig modern, aber dennoch aus der Zeit gefallen wirkt.

Ein Detail, das perfekt ins Noir-Feeling passt: In den Szenen rund um Coney Island sitzt das Duo in einem klassischen Jaguar XJ Series III (XJ6). Der britische Salonlöwe rollt so elegant durchs Bild, dass er fast selbst eine Nebenrolle spielt – ein Auto, das zeitlose Klasse mit einer Spur Dekadenz verbindet.

Zeit als eigenes Spiel

Die Serie springt mutig zwischen Zeitebenen – mal Monate, mal Jahre zurück. Vorwärts, rückwärts, immer wieder. Wer die kurzen 2-Sekunden-Einblendungen übersieht, weiß oft nicht sofort, in welchem Jahr man gelandet ist. Das ist herausfordernd, verstärkt aber auch das Gefühl, dass Vergangenheit und Gegenwart untrennbar ineinandergreifen. Mir hat’s gefallen, weil es die Fragilität der Figuren spiegelt – aber man muss aufmerksam bleiben, sonst verliert man schnell den Faden.

Und genau in so einer Sequenz erklingt „We’ve Been Had“ von The Walkmen – ein Song, der wie gemacht scheint für diese Welt: ein bisschen entrückt, ein bisschen trotzig, voller unterschwelliger Melancholie. Er gibt den Rückblenden eine eigene Schwere, fast so, als würde die Vergangenheit selbst das letzte Wort behalten.

Die Figuren, die im Dunkeln leuchten

Jake Friedkin (Jude Law)

Jude Law mochte ich immer schon, und auch hier trägt er wieder jede Szene mit dieser Mischung aus Charisma und unterschwelliger Bedrohung. Wer ihn zuletzt als jungen Albus Dumbledore in der Phantastische Tierwesen-Reihe gesehen hat, wird überrascht sein, wie mühelos er zwischen Mentor mit großem Ethos und moralisch fragwürdigem Strippenzieher wechseln kann. Seine Figur in Black Rabbit bewegt sich wie jemand, der mehr weiß, als er preisgibt, und trotzdem immer ein Stück Abgrund im Blick hat. Dabei schwingt unweigerlich Nietzsches berühmte Warnung mit: „

„Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“

Jude Law verkörpert Jake mit einer Intensität, die einen fesselt. Jake ist das emotionale Gegengewicht zu Vince: Er trägt Verantwortung, ringt aber ständig mit seinen eigenen Grenzen. Zwischen Bruderloyalität und Selbstschutz steckt er in einem Dilemma, das die Serie klug auslotet. Sein Ausbruch gegenüber Vince bleibt unvergessen:

„Du bist kein verdammter Pionier, Vince. Nur ein Brandstifter, sonst nichts!

– ein Satz, der das zerstörerische Muster zwischen den Brüdern prägnant offenlegt.

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Vince (Jason Bateman)

Und dann ist da Vince – Jason Bateman legt diese Figur so an, dass man sich nie sicher ist, ob man ihn bemitleiden, verachten oder einfach nur verfluchen soll. Ein Getriebener, der so viel Unsinn und Müll verzapft, dass man ihn zwischendurch regelrecht vom Bildschirm wegwünschen möchte – sprich: den Tod auf den Leib. Dabei ist er das perfekte Gesicht für eine Figur, die zwischen Spielsucht, Schulden und Selbstzerstörung taumelt. In Deutschland sind laut aktuellen Zahlen rund 1,3 bis 1,4 Millionen Menschen glücksspielsüchtig, weitere drei Millionen gelten als problematische Spieler. Vince wirkt wie die Verdichtung genau dieser Realität: jemand, der glaubt, er könne das große Spiel noch gewinnen, während längst alles den Bach runtergeht.

Wer Bateman in „Ozark“ gesehen hat, erkennt sofort die Parallelen: Schon dort spielte er einen Mann, der sich in ein Netz aus Schulden, Lügen und Verbrechen verstrickte. Doch während Ozarks Marty Byrde kühl kalkulierte, taumelt Vince hier oft kopflos – und genau das macht ihn so tragisch.

Besonders stark wird das in einer Szene, in der er Jake entgegenschleudert:

„Hör bloß auf. Du bist ein Egoist. Und weißt du, warum du egoistisch bist? Weil du es nicht ertragen kannst, dass ich der mit dem Talent bin.“

Diese Worte sitzen nicht nur bei Jake, sondern auch beim Publikum – sie verdichten den Kern des Bruderduells: verletzte Eitelkeit, Neid, Abhängigkeit.

Joe Mancuso (Troy Kotsur)

Oscar-Preisträger Troy Kotsur verkörpert den Kredithai und Mob-Boss Joe Mancuso. Taub, kommunizierend in Gebärdensprache – und dabei gefährlicher als viele schreiende Gangster. Wer Kotsur aus „CODA“ kennt, wo er den liebevollen, aber wortkargen Vater spielte, erlebt hier eine völlig andere Facette: dieselbe Präsenz, dieselbe Ausdrucksstärke – aber in den Dienst eines Mannes gestellt, der Respekt erzwingt. Jede Geste, jeder Blick sitzt. Er ist die stille Gewalt im Hintergrund, der Strippenzieher, der nicht schreien muss, um gehört zu werden.

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Junior (Forrest Weber)

Ganz anders sein Sohn Junior. Er will unbedingt Anerkennung und Einfluss, ist impulsiv, laut, oft überheblich. Wer die „Sopranos“ kennt, erkennt sofort den Archetyp des ungestümen Mafia-Erben: zu ehrgeizig für sein eigenes Wohl, zu ungestüm, um langfristig zu denken. Während der Vater Strategie verkörpert, ist Junior die Faust, die vorschnell zuschlägt. Dieses Spannungsfeld zwischen kühler Kontrolle und jugendlicher Ungeduld bringt eine Dynamik in die Serie, die immer wieder eskaliert. Junior ist dadurch zwar anstrengend, aber dramaturgisch hochinteressant, weil er genau das Chaos einlädt, das alle anderen zu vermeiden versuchen.

Herz und Abgrund der Serie: Die Friedkin-Brüder

Am Ende dreht sich Black Rabbit immer wieder um Jake und Vince. Jude Law und Jason Bateman verkörpern dieses toxische Duo mit solcher Wucht, dass alles andere – Mafia, Drogen, Machtspiele – nur Kulisse für ihr Drama wirkt. Jake, der versucht, Ordnung zu halten, und Vince, der sie ständig zerstört. Loyalität gegen Selbstzerstörung, Verantwortung gegen Eskapismus. Egal welchen Mist Vince baut – Jake steht zu ihm. Genau darin liegt die Tragik: Blut ist dicker als Wasser, und manchmal führt genau das beide tiefer in den Abgrund, aus dem sie sich retten wollen.

Stärken & Schwächen kurz und bündig:

Pluspunkte:

– Der Stil: Es wirkt nie „gemacht“, sondern erfüllt fas Genre „Noir“.

– Figuren mit Ecken und Kanten.

– Die Spannung liegt oft im Schweigen.

Kritik:

– Manche Szenen werden künstlich in die Länge gezogen

– Die Handlungsfäden bleiben (noch) lose.

– Die Zeitsprünge sind packend, aber teilweise schwer zu folgen.

Ich vergebe daher:

Fazit

Black Rabbit ist keine Serie für nebenbei. Sie verlangt Aufmerksamkeit, Geduld und die Bereitschaft zum Hinsehen. Dafür gibt sie zurück: dunkle Poesie, moralische Grauzonen, Figuren, die man nicht vergisst.

Und auch wenn die Serie viele Themen streift – von Drogen- und Alkoholmissbrauch über sexuelle Übergriffe bis hin zu frisierten Geschäftsbüchern und dem ewigen Spiel von mehr Schein als Sein – bleibt am Ende vor allem eins hängen: die Brüder. Jake und Vince sind das Herz der Serie, und sie zeigen, dass Blut manchmal nicht nur dicker als Wasser ist, sondern auch schwerer als Blei.

Bilder: Netflix

Beitrag von:
Freitag, 3. Oktober 2025, 12:04 Uhr
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