Alle lügen. Wenn es nach dieser Episode eine Schlussfolgerung geben kann, dann ist das wohl diese. Doch wie steht es um die Motive hinter diesen Lügen? Die dritte Folge „True Detective“ mit dem Titel „The Big Never“ führt uns einen Schritt näher an die Auflösung des Falls. Doch liefert uns gleich einen Haufen Spuren zu verschiedenen Verdächtigen.
Read the Report
Wir starten diesmal mit West. Nachdem wir ihn bisher nur im 80er Zeitstrahl gesehen haben, was viele Spekulationen darüber angeregt hat, ob er überhaupt noch lebt oder was Hays und West dazu gebracht hat, keinen Kontakt mehr zu pflegen, haben wir nun den Beweis: Er lebt. Wie Hays zuvor wird auch West nun zehn Jahre nach dem Verschwinden der Kinder wieder zum Fall befragt. Gab es doch so einiges, was damals schief gelaufen ist und auf Fehler in der Ermittlung hindeutet. Doch West bleibt ziemlich cool. Er erzählt offen, dass Hays und seine Wege sich nach dem Fall getrennt haben, aus gar keinem bestimmten Grund. Hier ist kein Groll zu spüren, keine Anstalten, dass West seinen ehemaligen Partner bei der Befragung in irgendetwas reinreiten wollen würde. Er schaltet vielmehr auf Angriff, als wolle er sagen: Egal, was ihr mich fragt, ich hab auf alles eine Antwort.
Mit der Befragung von West und seiner Schilderung der Ereignisse setzen wir genau da an, wo wir in der vergangenen Episode zurückgelassen wurden. Die Purcells haben einen Brief erhalten. Einen Drohbrief, wie er im Buche steht: Einzelne Buchstaben wurden aus Zeitungen ausgeschnitten und zu einem Text zusammengefügt. Nur dass die Aussage des Briefes in erster Linie erfreulich ist: Julie lebt, sie ist an einem sicheren Ort. Doch all das, was danach kommt, ist dann doch eher beunruhigend:
„Do not worry
Julie is in a good
place and safe
The children shuld
laugh Do not
look Let go“
Abgesehen davon, dass die Aufteilung des Textes merkwürdig ist und mit einem Schreibfehler daher kommt, suggeriert der Teil, dass „Kinder lachen sollen“ doch sehr, dass der/die Entführer/in von der schwierigen Familiensituation der Kinder wusste. Doch die Ansage ist klar: Hört auf zu suchen. Sind alle Hinweise, auch der schnell trackbare Ort, an dem der Brief eingeworfen wurde, gezielt eingesetzte Ablenkungen oder sagen sie wirklich schon so viel über den Täter aus?
Dass es nun plötzlich eine Belohnung für Hinweise zum Fall gibt, ist an Hays und West auch mal eben vorbei gegangen. Warum wurden die beiden Ermittler hier nicht eingeweiht? Und war das wirklich ein Schritt, der die Ermittlungen voranbringt?
Blackout
Durch Gegenwarts-Einspieler sehen wir, dass „Old-Hays“ mit seinem Sohn versucht herauszufinden, woher seine Blackouts nur kommen und warum er so viele Erinnerungslücken in Bezug auf den Fall hat. Eigentlich ist klar: Der Fall war für Hays traumatisch und er verdrängt die Ereignisse von damals, weil sie so schmerzhaft für ihn waren. Auch beim Arztbesuch bekommt man das Gefühl, als würden Arzt und Sohn versuchen, ihn zu konfrontieren, damit er sich seinen Erinnerungen stellt und auf seine alten Tage noch Frieden finden kann. Doch so weit ist er noch nicht. Tatsächlich ist er sogar eher kurz davor, die Misere zu beenden. Oder warum sehen wir seine Waffe immer und immer wieder? Und warum erscheint Amelia ihm und drängt ihn in seiner Vision dazu, sich endlich der Vergangenheit zu stellen?
„Finish it.“
Making a point
So wie sich Hays und Amelia in dieser Episode immer stärker annähern, nähern auch wir als Zuschauer uns ihrer Figur. Wir sind dabei, wie ihre Idee, als Autorin über den Fall zu schreiben, wächst. Und irgendwie auch ein bisschen Misstrauen ihr gegenüber genährt wird. Nicht, weil sie in den 90ern, nachdem Hays davon erfährt, dass Julie noch lebt, trotz ihrer Euphorie über ihre Fortschritte in der Informationsbeschaffung zum Fall nicht so richtiges Interesse an der Aufklärung zu haben scheint. Es ist vielmehr ein unterschwelliges Gefühl, das mit ihr und ihrem Auftreten einher geht. Und die Tatsache, dass wir seit der letzten Episode wissen, dass sie es mag, so zu tun, jemand zu sein, der sie eigentlich nicht ist.
Doch welche Erkenntnisse bringen die Ermittlungen nun? Hays und West befragen die Kinder, die mit den Purcells zur Schule gingen. Und dabei stellt sich schnell heraus, dass die beiden wenig Freunde gehabt und eigentlich auch nie mit ihnen gespielt haben. Doch wo waren sie denn dann, wenn sie ihren Eltern wiederholte Male erzählt haben, dass sie sich mit Freunden treffen, den Welpen eines Freundes anschauen wollen, verabredet sind? Hays und West wissen, sie müssen mit ihren Ermittlungen nochmal von vorne beginnen, denn sie müssen etwas übersehen haben. Was für die Eltern der Kinder eine Qual ist, stellt sich als sehr erfolgreich für die Ermittler heraus: In einer Kommode in Julies Zimmer findet Hays einen Beutel mit Bildern, die sie gemalt, und kleine Briefchen, die sie scheinbar von jemandem erhalten hat. In diesen kleinen Notizen stehen Dinge wie „I’ll always keep you safe“ und „Don’t listen“. Creepy. Doch das Bild eines „geheimen Freundes“, den die Kinder im Wald getroffen haben und der etwas mit dem Tod von Will und dem Verschwinden von Julie zu tun hat, zeichnet sich langsam, aber immer deutlicher weiter.
What you left in the woods
Wo es vorher sehr viele Sackgassen gab, gibt es nun zahlreiche lose Enden, die Hays und West versuchen zusammenzubringen. Was hat zum Beispiel Mr. Hoyt von Hoyt Foods, wo Lucy, die Mutter der Kinder, einmal gearbeitet hat, mit der Sache zu tun? Wie sich herausstellt, scheint er für die ausgeschriebene Belohnung verantwortlich zu sein, hat sich dann aber schnell auf eine Safari begeben. Verdächtig? Irgendwie schon. Aber in welche Richtung? Ist es vielleicht sogar möglich, dass Julie das Kind eines anderen Vaters als Tom ist?
Hays findet im Wald schließlich eine sehr eindringliche Spur. Fast, als wäre diese nur für ihn gelegt worden, findet er von im Laub verstreuten Würfeln zu einem Ort, der wie eine kleiner Spielplatz im Wald daher kommt. Eine mit Spielsachen gefüllte Tasche lässt vermuten, dass dies der Ort war, an dem die Kinder ihre Zeit verbracht haben. Daher wirkt auch der Blutfleck an einem der umliegenden, aus dem Boden ragenden Steine mehr wie durch einen Unfall entstanden als wie ein Tatort. Aber wen haben sie denn hier im Wald nun getroffen?
Bei einem der in der Nähe des Waldes gelegenen Häuser setzen sie ihre Befragungen fort. Irgendwer muss doch etwas wissen und die Kinder mal gesehen haben. So befragen sie einen Mann, der in einem Haus wohnt, das irgendwie ein wenig Ähnlichkeit mit den Bildern von Julie hat. Dieser erzählt ihnen, dass erst kürzlich jemand da war, um ihn zu befragen, ihm sogar seine Marke gezeigt hat. Sehr interessant! Wie auch ihm bereits erzählt, wiederholt er, dass er seit einiger Zeit immer wieder ein braunes Auto durch die Nachbarschaft hat fahren sehen. Angeblich wären auch ein schwarzer Mann und eine weiße Frau gesehen worden. Doch so richtig vertrauenswürdig wirkt er jetzt nicht unbedingt. Die Ermittler diskutieren sogar später darüber, dass es wohl ein gängiges „Mittel“ sei, bei Beobachtungen absichtlich etwas genau zu vertauschen, um die Polizei zu linken. Ok. Heißt das, wir suchen nach einem weißen Mann und einer schwarzen Frau? Ohoh, Amelia.
Nach einem weiteren Besuch bei den Purcells finden die beiden dann auch noch ein sehr wichtiges weiteres Indiz für den Fall: Ein Fotoalbum, in dem ein Bild klebt, das Will bei der Kommunion zeigt. Mit geschlossenen Augen und gefalteten Händen – genau wie bei seinem Tod. Zunächst einmal: Warum müssen die beiden dreimal ins Haus der Purcells kommen, um wichtige Beweise zu finden? Und dann: Ist das noch ein Beweis dafür, dass der Tod von Will ein Unfall war, bei dieser „liebevollen Todesbettung“?
New Task Force
Bei den ganzen Verstrickungen kann man fast nachvollziehen, dass der Fall keine Aufklärung gefunden hat. Doch eigentlich gibt es ja mittlerweile genug Hinweise und Spuren, denen nachgegangen werden kann. Umso besser, dass wir in dieser Episode noch eine kleine Reunion erleben dürfen. Hays und West treffen nach langer Zeit wieder aufeinander. Und auch, wenn es schön ist, an der Bar nur ein bisschen was zu trinken, ist es noch schöner, dass West Hays tatsächlich überzeugen kann, den Fall mit ihm wieder aufzunehmen.
„I’m in charge.“
Mit schöner Musik werden wir in ein sehr hoffnungsvoll anmutendes Ende entlassen, mit einem wirklich guten Gefühl. Wenn da nur nicht diese ganzen Fragen wären…
Auch in dieser Episode ziehen sich die Befragungssituationen von Anfang bis Ende durch. Sei es, dass die Detectives mögliche Zeugen und potenzielle Täter befragen, sei es, dass sie selbst zum Fall befragt werden, sei es, dass Hays dem Arzt gegenüber Rechtfertigungen zu seinen Blackouts äußern muss. Es ist ein „Frage – keine plausible Antwort“-Spiel, das uns in ziemlich viele verschiedene Richtungen führt. Wer ist Julies Vater? Was könnte Amelia für ein Motiv haben, in den Fall verstrickt zu sein? Wird Brett weiter der Verdächtige Nummer eins unter den Nachbarn sein und wie hoch ist die Gefahr, dass hier jemand ein bisschen Selbstjustiz ausüben wird?
Wir wissen, dass es in der Ermittlung ernsthafte Fehler gegeben hat. Hat Hays diese womöglich selbst, womöglich ganz bewusst gemacht? Von den drei Zeitsträngen gefallen mir die 90er bisher am besten. Der Stil ist cool und die Spannung baut sich hier besonders auf, da West und Hays den Fall wieder aufnehmen und es hoffentlich beim zweiten Anlauf bis zur Auflösung schaffen. Das kurzzeitige Verschwinden von Hays Tochter im Supermarkt bringt richtig Dynamik in die Episode, auch wenn schnell klar ist, dass sie nur einen Gang weiter und nicht entführt worden sein wird. Aber für eine Millisekunde zieht man doch in Erwägung, dass der Fall auch noch eine andere Wendung nehmen kann.
Auch in dieser Episode sind es vor allem die kleinen Dinge, die besonders Spaß machen: Dass in der Spielzeugtasche ein Han Solo und eine Prinzessin Leia versteckt sind und damit wieder eine Anspielung auf Star Wars untergebracht wurde. Dass die Tasche, die Brett aus seinem Schuppen holt, wie eine Leiche geformt ist. Und dass wir in allem und jedem Spuren vermuten, die vermutlich überhaupt nicht da sind.
Bilder: HBO
Yes, endlich kann ich meinen bisherigen Anwärter für das Zitat des Jahres hier rein kleben (wieso kommen die Folgen in Deutschland nochmal genau eine Woche verspätet…? :( ):
„Feels like we should stay on point.“ – „I‘m making a point, son.“ (Vorgesetzter & Roland)
Da ich mich bislang mit Kommentaren zur Staffel zurückgehalten habe: Mir gefällt sie ganz gut. Ich habe eher wieder das Staffel 1-Gefühl, die drei Zeitebenen sind interessant und ja, da ist immer mal etwas zähe Normal-Krimi-Soße bei, aber insgesamt wissen mich Atmosphäre, Aufmachung und vor allem das gute Schauspiel im Bann zu halten. Noch keine top-top-top-Leistung, aber definitiv sehenswert.
Ja, starkes Zitat :) Mir gefällt die Staffel mittlerweile auch ziemlich gut und ich grübel tatsächlich zwischendurch auch immer mal wieder, welche meiner Theorien ich weiter spinnen möchte ;)
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