Letzte Woche ist „House of the Dragon“ ein Auftakt zur Serie gelungen, der das beinahe Unmögliche geschafft hatte: zufrieden zu stellen. Vielleicht lag es an der viele Zuschauer:innen enttäuschenden finalen Staffel von „Game of Thrones“, dass die Erwartungen nicht gänzlich over-the-top waren, aber die neue Geschichte wurde soweit ich das überblicke, größtenteils wohlwollend angenommen. Die zweite Episode kommt mit weniger Wucht daher und dürfte als Weichenstellung für die weitere Staffel fungieren.
Zu Beginn gibt es direkt das, was viele bei der Pilotfolge vermisst hatten – eine Titelsequenz! Dabei spielt die selbe Titelmelodie im Hintergrund, was die enge Verbindung der Serien hartnäckig unterstreichen soll. Auch gibt es im Intro viele kleine mechanische Bewegungen zu sehen, die an die Mutterserie erinnern. Und viel Blut. Statt einer Weltkarte bekommen wir das steinerne Modell einer Welt zu sehen, das an die Modellarbeit erinnert, an der König Viserys feilt. Auch wenn klar war, dass ein neues Intro es schwer haben dürfte, lässt mich dieser Vorspann eher unemotionalisiert zurück. Die Blutfahrt ist mir persönlich zu lang geraten und insgesamt ist das bei Weitem nicht so gut wie das Original. Vielleicht hätte man lieber komplett Abstand von den Klein-Klein-Anlehnungen nehmen und etwas wirklich Neues machen sollen.
Sehr gefallen haben mir dagegen die eigentlichen ersten Einstellungen der Episode. Die Nahaufnahmen der von Krabben zerfressenen Leichen am Strand waren gleichermaßen schockierend wie schön anzuschauen. Eine gerade im Schnitt besondere Passage, die aufzeigt, welch leicht angepassten Charakter diese Serie im Vergleich zu „Game of Thrones“ besitzt. Ein halbes Jahr nach den Ereignissen vor vorherigen Folge hat Craghas Drahar aka „The Crabfeeder“ mit seinen Piraten der freien Städte bei den Stepstones die Flotte von Corlys Velaryon angegriffen. Neben der Bildgewalt gefällt mir, dass wir einen reizvollen Gegenspieler aufgebaut bekommen, vor allem aber setzt dieses Ereignis eine Reihe diplomatischer Entwicklungen in Gang.
„You have dragon riders, father. Send us.“ (Rhaenyra)
Hinzu kommt, dass Ryam Redwyne, Lord Commander der Kingsguard, verstorben ist und es Nachfolge bedarf. Meiner Meinung nach wurde in diesem Zuge eine unscheinbare Szene gezeigt, die vielseitige Bedeutung besitzt. Rhaenyra musste im kleinen Rat erfahren, dass ihre Meinung noch nicht wirklich ernst genommen wird. Als Beschäftigung wird ihr zuteil, eine Auswahl für die Kingsguard zu treffen. Neben ihrer Einführungen in royales Benehmen und gewisse Pflichten, kann sie hier aber dann doch erste eigene Dinge durchsetzen und sich gegenüber der Hand und dem eingerosteten Diplomatie-System erstmals durchsetzen.
Allgemein fällt vor allem im noch etwas zäh verlaufenden ersten Teil der Folge auf, wie bedacht die Kameraeinstellungen gewählt sind. Viel Symmetrie gibt es zu sehen, vor allem aber werden die Gemäuer und Bauten in einer passenden Größe und Tiefe inszeniert.
Zu offensichtlich gestrickt war mir die ganze Geschichte mit der Neuvermählung von König Viserys, zumindest, was das Endresultat anbelangt. Dass Alicent noch eine wichtige Rolle spielen würde, war bereits nach der durch ihren Vater angeschobenen Annäherung in der ersten Folge ersichtlich, jetzt wurde nochmal unterstrichen, dass sie und Viserys mehr gemeinsam haben als kaputte Finger. Die Gesundheitslage des Königs scheint sich weiter verschlechtert zu haben, was die Frage nach der Thronfolge wichtiger werden lässt.
„When I’m queen, I’ll create a new order.“ (Rhaenyra)
Bedeutsamer als das eigentliche Ergebnis der Brautwahl ist aber das Drumherum. Lord Corlys Velaryon schlägt seine gerademal zwölfjährige Tochter Laena als Ehefrau vor. Mir wirkt beinahe zu modern, welche Gedanken sich Viserys ob des jungen Alters macht, war so etwas zu frühen Mittelalterzeiten meines Wissens nach jetzt nicht unbedingt abschreckend. Das Gespräch zwischen Laena und Viserys war aus heutiger Sicht aber natürlich ganz schrecklich anzuschauen. Letztlich hat die Hochzeits-Thematik aber die Figur des Viserys konkretisieren und zeigen können, wie viel Diplomatie im Königreich steckt und fortan für Brisanz sorgen dürfte.
Das und die Tatsache, dass der in der Thronrangfolge zurückgeschmetterte Daemon sich eingeschnappt in Dragonstone verschanzt und als eigens vermachtes Hochzeitsgeschenk ein besonders geliebtes Drachen-Ei gestohlen hat. Das Aufeinandertreffen von ihm und der Hand des Königs, Otto Hightower, war ein willkommenes (wenn auch bei Weitem nicht perfektes) Stück Dramatik und Spannung in der sonst eher dialoglastigen Fernsehstunde. Wobei, eigentlich wurde auch hier nur gesprochen. Aber halt mit Anspannung und in schickem Nebel!
„All of you, sheathe the fucking steel!“ (Otto Hightower)
Drachen scheinen wie bei der Familie Targaryen auch für die Serie selbst das Salz in der Suppe zu sein. Gerade wenn man denkt, das ist doch nur normales Familiendrama, kommt ein Drache daher geflogen und man wird daran erinnert, was die Geschichte so besonders macht. Rhaenyra legt nicht nur mit ihrer imposant generierten Wolkenwelle einen souveränen Auftritt hin und weiß Onkel Daemon trocken auflaufen zu lassen.
Tja, und dann kommt die Überraschung, die lediglich Figuren im Fernsehen überrascht haben dürfte. Viserys wählt nicht etwa die diplomatisch schlaue Option mit der Zwölfjährigen, sondern die emotionale und zumindest ein paar Jahre ältere Option, Alicent Hightower. Mich stört hierbei neben der Tatsache, dass mir das zu offensichtlich vorab angedeutet worden war, gleich mehreres. Viserys holt massenhaft Rat ein, die ihm alle zum anderen Schritt raten und scheint auch selber stets zu unterstreichen, wie wichtig die Einheit des Königreiches ist, handelt dann aber emotional und egoistisch. Hier kann man vielleicht noch anbringen, dass er das mit Weitsicht getan hat, um nicht nach seinem eventuell zeitnahen Ableben die Velaryons auf der Matte stehen zu haben, die Rhaenyra unterbuttern, um selbst an der Macht zu sein. Dann lieber ein unscheinbares Haus, gar mit der besten Freundin, die Rhaenyra nichts anhaben würde. Aber wieso spricht er nicht mit seiner Tochter darüber? Die haben doch sogar ein direktes Gespräch, in dem er sich sehr offen und direkt ihren Segen für eine Neuheirat einholt. Aber so einen wichtigen Schritt erzählt er ihr nicht vorab?! Ne, das ist mir zu plump für den „alle sind geschockt“-Moment so gemacht worden.
„It was never my brother’s strongest trait.“ – „What?“ – „Being king.“ (Daemon & Corlys Velaryon)
Wie schnell Diplomatie nach hinten losgehen kann, zeigt der Abschluss der Folge, als Velaryon mit Daemon über ein mögliches Bündnis spricht. Interessant fand ich hierbei jedoch als Daemon klarstellt, dass er selbst über seinen Bruder spricht, wie ihm gefällt, Corlys Velaryon jedoch seine Zunge zügeln soll. Da steckt also doch noch eine familiäre Verbundenheit drin, parallel zu seinem Rückzug bei Dragonstone. Er ist der laute Hund, der viel bellt und rebelliert, aber letztlich doch zur Familie hält.
Insgesamt hat mir die zweite Folge etwas schlechter als die erste gefallen, die ich zum Glück nicht mit einer Kronenwertung versehen musste. Bei dieser Episode hat es sich um ein klassisches Vorbereiten gehandelt, in dem vor allem die diplomatische Lage auf Spannung gebracht worden ist, um die weiteren Geschehnisse der Staffel in Stellung zu setzen. So schnell wird aus „Ich bin ein König und will Krieg verändern“ ein potenzieller Krieg an mehreren Seiten. Zusätzlich mussten Figuren weiter charakterisiert und eingeführt werden, was ein schweres Unterfangen ist, will man dabei nicht langweilen oder überfordern. Noch schafft „House of the Dragon“ das aber wie ich finde ganz gut, den Spagat zu wahren.
Als zwischendrin von den Bloodmages die Rede war, musste ich neben Mirri Maz Duur auch an Lady Melisandre denken. Die müsste ja eigentlich alt genug in „Game of Thrones“ gewesen sein, um auch in der Zeitlinie von „House of the Dragon“ zu leben. Kurz dachte ich daher am Ende der Folge, Corlys Velaryon würde nicht zu Daemon, sondern zu ihr reden. Ich bin gespannt, ob wir sie in einer späteren Folge noch zu sehen oder zumindest namentlich genannt bekommen werden.
Bilder: HBO / Sky
Ich hätte da mal eine Frage an versiert „Game of Thrones“-Fans und aufmerksame Zuschauer:
Die Handlung in „House of the Dragon“ spielt rund 200 Jahre vor den „Game of Thrones“-Ereignissen. In der „echten“ Geschichtsschreibung entspräche das (nur als Beispiel) der Zeitspanne vom Ende des Dreißigjährige Krieges (1648) bis zur ersten deutschen Revolution von 1848.
Ich möchte wetten, dass die meisten von uns einen Menschen des 17. Jahrhunderts von einem Menschen des 19. Jahrhunderts unterscheiden könnten. Als erstes vermutlich durch die Kleidung, vielleicht aber auch durch die Sprache, oder andere Details…
Doch woran erkennt man in „House of the Dragon“, dass wir uns in einer Welt von vor 200 Jahren bewegen? Mir fällt es schwer, offensichtliche Unterschiede zu erkennen.
Hat jemand ein besseres Auge dafür?
Bedanke mich im Voraus für jede Spekulation! ;)
Das ist halt Fantasy, Rumold! ;) Ich bilde mir ein, dass z.B. die Goldcloaks anders aussehen, aber ja, insgesamt wirkt das nicht wie ein größerer Zeitsprung. Aber die Welt dort scheint allgemein etwas stabiler und langlebiger in ihren Entwicklungen zu sein.
Ja aber…
https://www.youtube.com/watch?v=7g-CET6lCg0
Die können doch nicht 200 Jahre lang dieselben Klamotten tragen…;)
Tut mir leid … ich muss hier leider (schon wieder) dazwischen grätschen.
Die Serie möchte ein neues Games of Thrones sein, was nicht schlimm wäre, aber Games of Thrones lebte zunächst von seinen Charakteren und die Figuren entwickelten sich von Staffel zu Staffel weiter … (ja, bis auf die letzte …) auch der Erfolg und das Budget stiegen im Verlauf.
Hier ist das Budget nun gleich da, aber wo bleiben die Charaktere? Leider finde ich alle ziemlich blass (nicht nur optisch) mir fehlen die „Antihelden und Überraschungen“ … hey man .. in der ersten Staffel von Game of Thrones wurde gleich einer der wenigen (damals) bekannten Schauspieler geköpft.
Naja vielleicht wird das ja noch …
Gut, dass du die letzten Worte noch geschrieben hast – die Staffel ist meines Wissens nach nämlich noch nicht vorbei. ;) Twists wie der angesprochene funktionieren halt erst, wenn ein bisschen Aufbauarbeit erfolgt ist.
Dennoch bin ich bei dir: „GoT“ hatte den Turmmoment am Ende der ersten Folge, der mich überhaupt hat weiterschauen lassen. Und ja, die Figuren wirken bislang auch eher flach, lediglich bei Rhaenyra und Daemon flackert was Reizvolles auf, was zumindest auf Potenzial zur Entwicklung hindeutet. Noch befinden wir uns aber halt auch in der Einführung.
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