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Vom KiKA-Nachtschleifenstar zum US-Late-Night-Phänomen

Kolumne: Bernd das Brot trifft John Oliver – „Mist!“

28. September 2025, 11:11 Uhr

Was passiert, wenn das mürrischste Weißbrot Europas plötzlich die großen Bühnen Amerikas betritt? Während Hollywood von lachenden Kindergesichtern und quietschbunten Cartoons träumt, schleicht sich ein fatalistisches Kastenbrot aus Erfurt auf den Bildschirm – und zwar nicht irgendwo, sondern mitten hinein ins Herz der US-Late-Night-Satire. Plötzlich befindet sich Bernd das Brot vis-a-vis mit John Oliver, blickt mit seinen typischen Augenringen in die Kamera – und macht das, was er am besten kann: granteln, seufzen, keine Hoffnung aufkommen lassen. Der Moment, in dem die deutsche Fernsehkultur kollidierte mit amerikanischem Entertainment: ein Triumph der schlechten Laune über den glitzernden Kitsch des US-Fernsehens.

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Bernd das Brot bei John Oliver – wie konnte es nur dazu kommen?

Warum ausgerechnet Bernd das Brot den Sprung ins US-Fernsehen geschafft hat? Die Antwort liegt sozusagen im Teig. John Oliver, mehrfacher Emmy-Gewinner und beliebter Satiriker in den USA, präsentierte dem amerikanischen Publikum einen Gast, den hierzulande Millionen lieben und noch mehr verstohlen verehren. Oliver schwärmte in seiner Sendung „Last Week Tonight“: „Bernd das Brot ist ein fatalistisches, anti-soziales und chronisch depressives Brot. Er hat Hände, aber keine Arme, die Augenringe der Mutter eines Neugeborenen – und er sieht aus, als hätte er vom 11. September gewusst, aber niemandem davon erzählt.“ Eine Liebeserklärung an Bernd – und eine Ehrung, die selbst dem zähen KiKA-Kastenbrot die Kruste weich werden lässt.

Schon die Vorstellung in „Last Week Tonight“ war ein kleines Fernsehfest. Oliver zeigte Clips aus 25 Jahren Bernd-Geschichte. Von griesgrämigen Neujahrsansprachen („Es wird schlimmer als schlimm. Glaub mir, es wird die Hölle.“) bis hin zur Ernennung zum Symbol der schlechten Laune und zum Hoffnungsträger aller, die Kultur und Humor auch in Moll genießen. Auch die Entführung der zwei Meter hohen „Bernd“-Kunststofffigur im Januar 2009 in Erfurt wurde thematisiert. Die 125 Kilogramm schwere Darstellung von Bernd war damals vor dem Erfurter Rathaus gekidnappt worden. John Oliver zeigte ein Foto von Bernds Rettung: „Ich will einen Sarg, der genau wie Bernd aussieht!“ Der Moderator und seine Redaktion haben tief in Bernds Geschichte gegraben – übrigens mit Unterstützung der KiKA-Redaktion. Ein Sprecher des Kinderkanals sagte anlässlich des Auftritts im US-Fernsehen laut mdr, die internationale Aufmerksamkeit zeige, dass Bernds Humor über Generationen und Grenzen hinweg ankomme. „Als mich die Anfrage von „Last Week Tonight with John Oliver“ vor gut 8 Wochen erreicht hat, war sofort klar: Bernd und John müssen sich einfach treffen“, erklärt KiKA-Redakteurin Juliette Alfonsi die Aktion bei LinkedIn. „Wir haben bei KiKA alle Hebel in Bewegung gesetzt – mit viel Flexibilität, spontanen Spätschichten und einigen Telefonaten nach Übersee.“ Gemeinsam mit Tommy Krappweis und der bumm film GmbH habe man Skripte geprüft, Fun-Facts gesammelt und Bernds ganz eigene Welt für ein internationales Publikum geöffnet. „Und auch wenn ich bei allen Schritten der Entstehung mit dabei sein durfte, war ich am Ende doch verblüfft vom finalen Ergebnis. Denn eins wird wirklich deutlich: John Oliver und sein Team sind echte Fans – sie haben Bernd wirklich verstanden!“, schreibt sie und ergänzt: „Eine solche Liebeserklärung auf internationaler Bühne ist ein echter Ritterschlag.“

Bernd selbst nahm die Ehre, wie erwartet, stoisch hin. Das Interview entwickelte sich zur Parodie auf transatlantische Verständigung: „Es tut mir leid, dass ich dich störe“, eröffnete Oliver höflich. Bernd antwortete trocken: „Warum tust du es dann?“ Den Hinweis, dass Oliver eine Comedy-Show moderiere, quittierte das Brot mit: „Comedy? Ich kann Comedy nicht leiden.“ Schließlich verabschiedete sich Bernd mit dem nun auch in Amerika ikonischen Ausspruch: „My Life is Hell.“

Für das US-Publikum war diese Begegnung mindestens so verstörend wie faszinierend. Oliver deklarierte Bernd als „das Deutscheste, was ich je gesehen habe“, spielte Ausschnitte seiner skurril-lakonischen Rants, und brachte sogar Bernds Schöpfer Tommy Krappweis ins Bild, der die Figur einst gemeinsam mit Norman Cöster in einer Pizzeria auf einer Restaurantquittung skizzierte. Es sei, gab Krappweis gegenüber teleschau zu, auch darüber nachgedacht worden, mit Bernd-Puppe nach Amerika zu fliegen. Allerdings wurde der Plan nicht nur aus Zeitgründen verworfen: „So wie ich mich auf Social Media positioniere, würde ich da im Moment wohl gar nicht reinkommen“. Die aktuellen Verhältnisse in der US-Medienlandschaft sind hinlänglich bekannt. Immerhin wurde Krappweis am Ende von „Last Week Tonight“ zusammen mit Miterfinder Norman Cöster und Puppenspieler Jörg Teichgräber mit einem „Special Thanks“ gewürdigt. Unabhängig davon feiert das KiKA-Team den internationalen Erfolg als „wunderbare Aktion und eine große Ehre“: „Die internationale Aufmerksamkeit zeigt, wie Bernds Humor über Generationen und Grenzen hinweg ankommt.“ Niemand hätte wohl gedacht, dass Mehlsuppe, Raufasertapete und der Satz „Mist!“ eines Tages auch amerikanische Late-Night-Geschichte schreiben würden.

Bernd das Brot bleibt, egal ob bei KiKA im Dauerschleifenmodus oder im HBO-Late-Night-Format, das melancholische Symbol gegen nervige Hektik – jetzt eben mit dem Segen von John Oliver. Und vielleicht klingt „Mein Leben ist die Hölle“ bald so vertraut wie „Kindergarten“ oder „Rucksack“. Manchmal braucht es eben nur einen internationalen Brotversteher – und die richtige Mischung aus Fatalismus, Humor und der Fähigkeit, jeden Hype einfach mit einem grimmigen „Mist!“ zu versehen.

Bilder: KiKA / HBO

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Sonntag, 28. September 2025, 11:11 Uhr
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