„Dexter: New Blood“ macht keine Weihnachtspause – das Geschehen geht nahtlos weiter und liefert uns vielleicht DIE Schlüsselfolge der Staffel. Doch so viele elementare Geschehnisse die Episode auch für uns bereithält, leider kommen diese erneut mit der ein oder anderen Ungereimtheit daher…
„Well, I’m sure, he’s just tied up with something…“ (Kurt)
Alles beginnt mit Dexter, der auf der Rückbank eines Autos gefesselt liegt und von einem Harrison träumt, der seinen Gewalttrieben nachtgeht und ein astreines „American Psycho“-Cosplay hinlegt. Dass Dexter die Bisskraft des Entführers zum Entfesseln nutzen möchte, okay, aber die Aktion der Joker-isierung hätte auch deutlich schmerzhafter enden können. Bei dem Tempo der Autofahrt eigentlich sogar müssen. Ich finde nicht, dass das 1:1 zum Charakter des sonst so rationalen Dexters passt, aber gut, er wähnt seinen Sohn in Gefahr und er ist ja noch immer eingerostet und so… Dass der Jäger auf Dexters Beine zielt, genau dort trifft und sich dennoch ärgert, dürfte darauf zurückzuführen sein, dass er ihn eigentlich bewegungsunfähig machen wollte.
„I really hate it, when I am the one who’s bleeding.“ (Dexter)
Die Sache mit dem Bachlauf war ein bisschen komisch, da Dexter erst seine Spur vertuscht, um mehr Zeit zu haben, um wiederum bewusst eine Blutspur zur Sommer-Camp-Hütte zu legen. Wie der dumme Jäger-Typ dort bei Dunkelheit bemerkt, dass ein Kochmesser im Block fehlt, war ja offenkundig nur für den „Messer zum Schusswaffen-Wechsel mitbringen“-Spruch eingeworfen, oder?! Aber okay, der „You are beautiful“-Spiegel hatte was! Dexter nahm den Angriff jedenfalls persönlich und hat die Sache in die eigenen Hände genommen, um ihm zu zeigen, was ein Messer so drauf hat.
„He said, he had all day, but I got news for you: the night is mine!“ (Dexter)
Im Side Plot stellt Angela binnen weniger Szenen mehr Investigation auf die Beine, als in ihrer bisherigen Karriere zusammengerechnet. Dass Logan ihr das mit „Jims“ Vermöbelung des Drogendealers nicht direkt gesagt hat, wird ja noch einigermaßen glaubhaft begründet, dass der besagte Kleinkriminelle die Sache mit der Spritze aber nicht bereits vorher zu Protokoll gegeben soll, wirkt zumindest mal verwunderlich. Das muss an der angenehmen Befragungssituation gelegen haben…
Wirklich schlimm wird es dann aber hinten raus. Nicht nur soll bei der Obduktion eine extrem offensichtliche Einstichstelle an einer ziemlich klischeehaften Einstich-Position übersehen worden sein, nein, aufgrund des Ketamins und einer simplen Google-Suche soll Angela jetzt sogar den Bogen zu den Miami-Fällen geschlagen bekommen haben?! Puh! Und das alles ohne die Mithilfe der nervigen Podcasterin, Respekt…
Dexter hat aber erstmal andere Probleme und Fragen zu lösen. Nein, damit meine ich nicht, ob eigentlich alle ihre Telefone auf Rentner-Lupenmodus gestellt haben (WTF?!?), sondern natürlich, was Kurt mit Harrison vor hat. Erstmal einen Schulbesuch. Der Moment, in dem er auf Harrisons „Die Leute vergeben, vor allem an Weihnachten“ mit einem „Nicht alle!“ antwortet, hatte schon eine ziemlich intensive Wirkung. An ein, zwei Stellen diese Folge war mir das vielleicht etwas zu überspielt, insgesamt hat Clancy Brown aber einen klasse Job in der Darstellung des Kurt Caldwell vollbracht.
Was zunächst wie ein bisschen harmlose Vater-Sohn-Bonding-Time anmutet, wird schmerzhaft. Dieses ganz leichte Schmunzeln beim (arg verzögerten) „You’re okay?“ von Kurt stich direkt ins Herz. Danach nimmt die Szene eine überraschende Wendung, als Harrison stets ein bisschen weiter nach Vorne geht, um immer und immer wieder vom Curve Ball getroffen zu werden. Das macht aber selbst der rachsüchtige Kurt dann irgendwann nicht mehr weiter, weiß diesen Moment der beobachteten Selbstgeißelung aber gekonnt für seine Agenda zu instrumentalisieren. Immerhin ist Harrison nicht komplett naiv, stellt gute Fragen, nimmt die Nachrichten seines besorgten Vaters zumindest als Anhaltspunkt für Skepsis, bleibt wachsam und beweist einen gewissen Instinkt.
Und dann steht Kurt da plötzlich in Killer-Montur vor ihm. Ich dachte zunächst, er will ihn in seine Machenschaften einbinden, aber nein, es war dann doch der eher plumpte „Du tötest meinen Sohn, ich töte deinen Sohn (aber nach meiner alten Manier)“-Ansatz, der hier verfolgt worden ist. Wohin der erprobte Menschenjäger genau schießt, als Dexter hupend mit dem Truck auf ihn zurollt, weiß man nicht genau. Dürfte an der Lichtblendung gelegen haben. Dexter trifft ihn jedoch auch nicht und aufgrund dessen Umarmungs-Priorisierung kann Kurt fliehen. An familiärer Umarmung haben die beiden anscheinend Gefallen gefunden und führen die neu gefundene Harmonie direkt im Auto fort. Awwww!
„You never have to feel alone with your dark… thoughts… again.“ (Dexter)
Es ist aber auch kompliziert mit „Dexter: New Blood“… „Unfair Game“ hätte ein richtig starkes Stück Fernsehen werden können, vielleicht die beste Folge dieser Staffel. Die Entwicklungen um Kurt und Harrison waren zwar auf lange Sicht hin absehbar, im Detail aber doch größtenteils stimmig und vor allem emotional erzählt. Hinten raus wurde mir das etwas plump, vor allem, wenn man dabei bedenkt, dass dieser Kurt, der alleine in den paar Mord-Situationen diese Staffel bereits so viele Fehler begangen hat, angeblich etliche Morde zuvor ohne Verdacht umgesetzt bekommen haben soll… Auch hat sich in der Beziehung zwischen Dexter und Harrison ein wichtiger Wendepunkt ergeben. Und auch hinsichtlich Dexters allgemeiner Rolle (Stichwort: Angela) hat sich Fundamentales in Bewegung gesetzt.
Aber ganz abgesehen davon, dass ich die Tragweite von Angelas Ermittlungen als deutlich zu groß geworden erachte, hat mir der Weg dahin mal wieder nicht zu 100% gefallen. Da waren einige Momente dabei, die dieses Mal nicht nur zurechtgebogen erschienen, sondern schlicht und ergreifend unglaubwürdig. Das hat bei mir dann leider einiges kaputt gemacht.
Dennoch war die Folge spannend, hatte viele atmosphärisch dichte Momente, einige tolle Aufnahmen und ebenso gute Script-Zeilen für uns parat. Vielleicht war ja nur die Wegweisung zum Finale etwas holprig und jetzt könne wir uns auf einen konsequent erzählten Abschluss der Staffel freuen?! Es dürfte jedenfalls spannend werden, wie öffentlich Angela die Dexter-Sache macht und ob Kurt nun untertaucht oder öffentliche Beschuldigungen ausspricht. Nächste Woche sind wir schlauer, denn nein, auch eine Neujahrs-Pause macht „Dexter: New Blood“ nicht!
Bilder: Showtime
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