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Wie besonders das Leben sein kann, wenn es scheinbar ganz gewöhnlich ist

Serientipp: „Pörni“ / „Pernille“ (Netflix)

14. Mai 2025, 18:18 Uhr

Mitten im Chaos des Alltags, zwischen pubertierenden Kindern, einem eigenwilligen Vater und den Herausforderungen des Jobs, kämpft sich Pernille „Pörni“ Middelthon durch – und macht dabei vor, wie viel Kraft, Humor und Herz in den kleinen Momenten des Lebens stecken kann. Als Familienvater weiß ich das natürlich nur zu gut, und ich war erstaunt, dass Netflix die norwegische Serie ins Programm genommen hat, die im Prinzip nur vom ganz normalen Alltagsleben einer Familie erzählt. Aber wer glaubt, dass Serien über Familienleben langweilig sind, wird von „Pörni“ eines Besseren belehrt: Hier wird das Gewöhnliche außergewöhnlich – und das mittlerweile über 5 Staffeln lang.

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Der gewöhnliche Alltag als reizvolle Dramedy-Serienvorlage

Henriette Steenstrup (man kennt sie von „Lilyhammer“ oder auch „Ragnarök“), die nicht nur die Hauptrolle spielt, sondern die Serie auch selbst entwickelt hat, nimmt uns mit in das Leben von Pernille „Pörni“ Middelthon, einer alleinerziehenden Mutter aus Oslo. Sie jongliert die Erziehung ihrer beiden Töchter Hanna und Sigrid, kümmert sich um ihren frisch verwaisten Neffen Leo und hat auch noch ihren Vater Ole Johan im Haus, der sich im Rentenalter neu orientiert und sein Coming-out als homosexueller Mann erlebt. Nebenbei arbeitet Pörni als Sozialarbeiterin und muss sich mit den Sorgen anderer Familien ebenso auseinandersetzen wie mit ihren eigenen – und auch die machen nicht vor der eigenen Haustür Halt. Ihr Ex-Mann Finn macht es ihr dabei nicht gerade leichter, und auch das eigene Liebesleben ist ein ständiges Auf und Ab – nicht zuletzt, weil zwischen Pörni und ihrem jüngeren Kollegen Bjørnar die Funken sprühen, aber der Alltag immer wieder dazwischenfunkt. Das ist allerdings auf wirklich schöne und einfühlsame Art und Weise erzählt – was überhaupt für viele Momente von „Pörni“ gilt. Die Serie lebt die Freuden und Leiden von Pernille voll aus – und man ertappt sich dabei, sich ziemlich schnell emotional mit ihr durch die Mattscheibe anfreunden zu wollen, um mit ihr zu feiern, ihr beizustehen oder ihr zu beschreiben, wie man selbst die eine oder andere Situation sieht.

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Was „Pörni“ damit für mich so besonders macht, ist die konsequente Nähe zum echten Leben. Die Serie verzichtet auf übertriebenes Drama und zu große Gesten. Stattdessen zeigt sie mit viel Feingefühl, wie sich das Leben anfühlt, wenn die eigenen Bedürfnisse immer wieder hinter denen anderer zurückstehen müssen. Pörni ist keine makellose Heldin, sondern eine Frau, die morgens um sechs von ihrer Tochter als „Pick-Me-Girl“ beleidigt wird, die nachts der verstorbenen Schwester den Anrufbeantworter vollspricht, weil sie keinen anderen Ort für ihre Trauer findet, und die trotzdem nie aufgibt. Ihre Kinder sind nicht immer liebenswert, sondern pubertär, launisch und manchmal einfach nur anstrengend. Ihr Vater ist zwar liebenswert verschroben, aber auch eine Herausforderung – vor allem, als er beginnt, sein neues Leben als schwuler Mann zu entdecken und sich auf Dates begibt. Und ihr Ex-Mann Finn? Der drückt sich vor Verantwortung, wo er nur kann, und sorgt damit für zusätzliche Komplikationen im Familienalltag. Er mimt den großen Buchautor, der mit einer Veröffentlichung zu etwas Ruhm gekommen ist und in Kopenhagen ein eigenes Leben führt. Da die beiden Töchter zu integrieren, gelingt ihm nicht wirklich – obwohl gerade die dänische Stadt ihren Reiz auf die Töchter ausübt und sie immer wieder mit der Idee spielen, zu ihrem Vater zu ziehen, was letztlich nie gelingt. Dramatisch wird’s, wenn Finn sein neues Buch vorstellt und er darin offensichtlich das persönliche Beziehungsleben aus der Verbindung zu Pernille verarbeitet und ausbreitet – zuviel für Pörni, natürlich.

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Klingt alles in allem nach einer ziemlichen Schwere in der Erzählung? Die kommt aber nicht wirklich auf. Denn trotz all dieser Herausforderungen bleibt die Serie immer leichtfüßig. Das liegt vor allem am Humor, der nie aufgesetzt wirkt, sondern ganz natürlich aus den jeweiligen Situationen entsteht. Ob es die kleinen Sticheleien zwischen Mutter und Töchtern sind, die skurrilen Begegnungen bei der Arbeit oder die unbeholfenen Versuche, das eigene Liebesleben wieder in Gang zu bringen – „Pörni“ findet in jeder Alltagsszene eine feine Balance zwischen Komik und Ernst. Der Humor ist dabei nicht bloß ein Mittel zur Unterhaltung, sondern eine Überlebensstrategie: Wenn das Leben mal wieder nicht so läuft, wie geplant, hilft nur noch Lachen. Das macht’s total nahbar und sympathisch, so dass man sich schnell als Teil von Pörnis Welt fühlt.

„Pörni“ ist praktisch immer authentisch und nie überdreht

Für mich lebt die Serie von ihrer Authentizität. Pörni sieht aus wie eine Frau Mitte vierzig eben aussieht – keine gestylte Superheldin, sondern bodenständig, manchmal müde, aber immer voller Energie für die Menschen, die sie liebt. Ihre Töchter Hanna und Sigrid stehen exemplarisch für die Herausforderungen des Erwachsenwerdens: Hanna, die nach dem Schulabschluss nicht weiß, wohin mit sich, und Sigrid, die mitten in der Pubertät steckt und mit der Trennung der Eltern kämpft. Leo, der Neffe, bringt nach dem Tod seiner Mutter neue Dynamik ins Familienleben; auch hier fühlt sich Pernille natürlich verantwortlich und geht in der Betreuung voll auf (und manchmal natürlich auch den einen Schritt Fürsorge zu weit…). Für Pörni ist Leo auch noch so etwas wie eine Verbindung zu ihrer verstorbenen Schwester, was nochmal für eine Extra-Portion Fürsorge sorgt. Und natürlich für eine ablehnende Haltung, als Leos leiblicher Vater plant, mit Leo einen Neustart zu wagen und umzuziehen. Dazu muss man wissen, dass Pörni Leos Vater für den Totd ihrer Schwester (mit)verantwortlich macht, weil er den Autounfall verschuldet hat, bei dem Pörnis Schwester starb. Für mich sind die Situationen, in denen Pörni mit dem Anrufbeantworter ihrer Schwester spricht, auch immer ganz besondere Momente. Obwohl sie so viele Menschen um sich herum hat, braucht es trotzdem den Anrufbeantworter, damit sie ihre Sorgen loswerden kann. Zwischendurch versucht sie auch, davon loszukommen und alles anders zu verabreiten, doch irgendwann spricht sie doch wieder auf den Anrufbeantworter. Ist übrigens auch ein schönes Stilmittel, um die Ereignisse der Folgen zusammenzufassen, hier aus der ganz persönlichen Sicht der Protagonistin. Man kennt das sonst eher über Tagebücher, die die Personen schreiben, oder ähnliche Medien.

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Das gilt auch für das Alltagsleben „im Amt“. Auch hier kämpfen alle mit ihren ganz persönlichen Sorgen, und Pörni wäre nicht Pörni, wenn sie nicht auch hier immer wieder versuchen würde, Lösungen zu finden. Es geht um den schmerzhaften Abschied aus dem Beruf, um Alltagsrassismus, häusliche Gewalt und viele weitere Themen. „Pörni“ ist damit eine Serie, die zeigt, dass das Leben nicht perfekt sein muss, um schön zu sein.

„Pörni“ ist eine dieser seltenen Produktionen, die nicht durch große Twists oder spektakuläre Plots glänzt, sondern durch ihre stille Ehrlichkeit. Die Geschichten, die „Pörni“ erzählt, sind dabei nie spektakulär oder aufgesetzt, aber immer berührend. Mal geht es um Freundschaft, um Loyalität, oder um die Frage, wie man als Mutter, Tochter, Schwester und Kollegin bestehen kann, ohne sich selbst zu verlieren. Die Serie zeigt, wie schwer es ist, immer für andere da zu sein, und wie wichtig es ist, sich selbst nicht aus den Augen zu verlieren. Dabei bleibt sie immer optimistisch: Trotz aller Rückschläge und Trauer findet Pörni immer wieder neue Wege, das Leben zu feiern – sei es beim Familienfrühstück, auf dem Spielplatz oder im Gespräch mit der besten Freundin. Und ganz zum Schluss der 4. Staffel wird auch endlich sie selbst mal richtig gefeiert – von allen Freunden, Kollegen und Bekannten, die mit ihr die bisher vier Staffeln über in Verbindung standen. Insofern wäre das im Prinzip auch schon ein schönes Serienende gewesen, finde ich – weswegen ich auch einigermaßen überrascht war, als es hieß, dass Pörni noch eine fünfte Runde drehen wird. Ab dem 15. Mai 2025 gibt es die neuen Folgen rund um Pernille „Pörni“ Middelthon auf Netflix zu sehen – ich freue mich auf die neuen Alltagsbilder aus Oslo.

Produktion mit Herz, Inszenierung mit Verstand

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Noch ein bisschen was zur eigentlichen Produktion: Besonders hervorzuheben ist für mich die schauspielerische Leistung von Henriette Steenstrup, die Pörni mit so viel Wärme, Witz und Verletzlichkeit spielt, dass man ihr einfach gerne zusieht und ihr die Rolle zu 100 Prozent abnimmt. Aber auch die Nebenfiguren sind liebevoll gezeichnet und bringen ihre eigenen Geschichten und Eigenheiten mit – das entwickelt sich zudem auch toll über die verschiedenen Staffeln. Die Dialoge sind wirklich pointiert, oft witzig und immer nah an der Realität – kein Wunder, denn Hneriette Steenstrup hat selbst am Drehbuch mitgeschrieben und weiß, wie man Alltagsbeobachtungen in packende Szenen verwandelt. In Norwegen ist sie auch mit verschiedenen Comedy-Programmen unterwegs. Allerdings fühlt sich die deutsche Synchronisation manachmal auch etwas merkwürdig an – einerseits entsteht dabei der typische skandinavische Charme der Übersetzungen ins Deutsche, auf der anderen Seite stolpert man dabei doch über den einen oder anderen Dialog – und mit der Lippensynchronität hat’s die Serie auch nicht so. Die Serie erhielt bei ihrer Premiere in Norwegen sehr gute Kritiken und ist die meistgesehene norwegische Serie innerhalb von 24 Stunden auf dem Video-Streaming-Dienst Viaplay. Die Serie stellte außerdem auch einen Verkaufsrekord für den Streamingdienst auf.

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Zum Formalen: Jede Staffel der seit 2021 existierenden Serie umfasst sechs Folgen, die mit jeweils rund 30 Minuten auch angenehm kurzweilig sind und sich somit gut zum Binge-Watching eignen. Ich hatte mir 2 Staffeln für unseren Oslo-Urlaub aufgehoben, so dass wir sozusagen sogar locationgetreu in „Pörni“ reinschauen konnten, mit kurzen Häppchen als Abschluss der Urlaubstage. Ich finde, die Serie ist wie gemacht für alle, die nach einem langen Tag abschalten wollen, ohne sich mit schwer verdaulichen Dramen zu belasten – auch wenn’s komisch klingt, mit einer Serie über Alltagsdramen sich von den eigenen Alltagsdramen ablenken zu wollen. Trotz der vielen Themen – Trauer, Coming-out, Pubertät, Scheidung, neue Beziehungen – bleibt „Pörni“ immer lebensbejahend und vermittelt die Botschaft, dass Menschlichkeit und Herz am Ende siegen.

Bilder: Viaplay / Netflix

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Mittwoch, 14. Mai 2025, 18:18 Uhr
ComedyDrama
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