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Beschwerde-Tsunami gegen öffentlich-rechtlichen Rundfunk

TV-Aufreger der Woche: ARD & ZDF werden mit Programmbeschwerden überflutet

31. Mai 2025, 09:35 Uhr

Eine beispiellose Welle von Programmbeschwerden trifft die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF – die wohl größte Beschwerdeflut ihrer Geschichte. Zehntausende Programmbeschwerden prasseln auf die Sender ein – und das wohl nicht zufällig. Im Hintergrund agiert ein Netzwerk, das die Kritik orchestriert. Was als demokratisches Mittel zur Qualitätskontrolle gedacht ist, wird nun offenbar von bestimmten Akteuren instrumentalisiert, um den Rundfunk zu destabilisieren. Die Recherchen des Netzwerks Correctiv haben diese orchestrierten Kampagnen aufgedeckt.

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17.000 Beschwerden beim ZDF, 31.000 Beschwerden bei der ARD

Nach diesen Recherchen gingen beim ZDF innerhalb weniger Monate rund 17.000 Beschwerden ein – mehr als zehnmal so viele wie im Vorjahr. Die ARD bestätigte entsprechende Recherchen und verzeichnete im gleichen Zeitraum etwa 31.000 Beschwerden allein bei der „ARD-Zuschauerredaktion Das Erste“ in München. „Die reale Zahl ist höher, weil auch Beschwerden bei den Gremien der anderen Landesrundfunkanstalten eingegangen sind“, ergänzt laut t-online eine ARD-Sprecherin. Es gebe keine erfasste Zahl für alle ARD-Sender.

Diese enorme Zunahme ist nicht etwa auf ein gestiegenes Interesse der Zuschauer:innen zurückzuführen. Vielmehr deutet vieles auf eine gezielte Kampagne hin, die maßgeblich von der Plattform „rundfunkalarm.de“ orchestriert werden soll. Diese Webseite bietet standardisierte Musterschreiben für Programmbeschwerden an. Die Beschwerden, die über „rundfunkalarm.de“ eingereicht werden, weisen auffällige Parallelen auf, heißt es bei Correctiv. Häufig würden Begriffe wie „Propaganda“ oder „mangelnde Ausgewogenheit“ verwendet. Zudem enthielten viele Schreiben keine Rückadressen, was eine direkte Kommunikation erschwert. Eine Sprecherin des ZDF erklärte: „Ein erheblicher Teil der Beschwerden stammt von Gegnern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Dies trifft vor allem auf konzertierte Massenbeschwerden wie die über ‚rundfunkalarm.de‘ zu.“

Das Problem aus meiner Sicht: Natürlich ist das Recht auf Programmbeschwerden ein wichtiger Bestandteil der demokratischen Medienlandschaft. Doch wenn dieses Instrument missbraucht wird, um gezielt den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu schwächen, ist das bedenklich. Solche Aktionen binden Ressourcen, die für die eigentliche Programmgestaltung und Qualitätskontrolle benötigt werden. „Dabei ist die Grundidee von Programmbeschwerden völlig legitim: Sie steht jedem Bürger und jeder Bürgerin zu, ist ein rechtsstaatlich geschütztes Mittel und kann Qualität sichern“, schreibt auch Samira Frauwallner in dem entsprechenden Correctiv-Beitrag.

So funktionieren Programmbeschwerden zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Damit eine formale Programmbeschwerde auch einen Vorgang auslöst, muss sie laut ARD bestimmte Kriterien erfüllen. „Programmbeschwerden können nur zu bereits ausgestrahlten Sendungen eingereicht werden, nicht aber zur Arbeitsweise der ARD, der Programmstruktur oder anderen übergeordneten Aspekten.“ Adressieren müsse man sie jeweils an den Rundfunkrat der redaktionell verantwortlichen Landesrundfunkanstalt, erklärt Der Spiegel. Konkrete und differenzierte Kritik sei erwünscht, betont eine Sprecherin des ZDF: Fundierte Einwände könnten das Programm „verbessern“. Es ermöglicht den Zuschauern, Feedback zu geben und die Qualität des Programms zu beeinflussen.

Für mich ist es wichtig, zwischen konstruktiver Kritik und destruktiven Kampagnen zu unterscheiden. Ich finde zum Beispiel die offenen Diskussionen, die Mitglieder unserer Facebook-Gruppe zu den ARD & ZDF Mediatheken führen, oft sehr interessant, weil sie verschiedene Perspektiven ermöglichen und zulassen. Hier ist es jetzt anders gelagert: Während viele von uns Zuschauer:innen ihre Beschwerden nutzen, um auf so empfundene oder tatsächliche Missstände hinzuweisen und Verbesserungen anzuregen, verfolgen andere offenbar das Ziel, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu delegitimieren. Ein solches Vorgehen gefährdet aus meiner Sicht die Vielfalt und Unabhängigkeit unserer Medienlandschaft, weil es Ressourcen bindet und damit Mittel fehlen, um an den wirklich programmorientierten Themen zu arbeiten. Auch macht es den Umgang mit den konstruktiven Einsendungen schwieriger, weil diese bei der Flut an Einsendungen möglicherweise falsch eingeschätzt werden.

Die Kritik an ARD und ZDF ist an sich ja nicht neu und wird durchaus kontrovers geführt: Zu hohe Intendantengehälter, Doppelstrukturen und der als sozial ungerecht empfundene Rundfunkbeitrag sorgen immer wieder für Unmut, wie es Patrick Hannemann bei CHIP ausführt: Es gebe berechtigte Kritik am ÖRR und die Rufe nach einer grundlegenden Reform würden immer lauter. Doch auch er warnt davor, sich einschlägigen Kampagnen anzuschließen – wie er hier ausführlich erläutert.

Die Beschwerdeflut gegen ARD und ZDF ist ganz klar ein Phänomen unserer Zeit: organisiert, massenhaft und mit klarem Ziel. Doch statt das öffentlich-rechtliche Fernsehen zu verbessern, droht sie, es zu lähmen. Kritik ist ein Grundpfeiler der Demokratie – aber sie sollte nicht zum Werkzeug für gezielte Angriffe auf die Medienfreiheit werden. Im Gegenteil: Für mich ist in einer Zeit, in der Desinformation und Polarisierung zunehmen, ein starker, unabhängiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk wichtiger denn je. Er bietet verlässliche Informationen und trägt zur Meinungsbildung bei.

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Samstag, 31. Mai 2025, 09:35 Uhr
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