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Ed prägte Bilder des Grauens, die bis heute nachhallen

Review: Monster – Die Ed Gein Story

8. Oktober 2025, 22:22 Uhr
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„Du fasst niemals eine Frau an. Du wirst auch keine heiraten. Und deinen Samen wirst du auch mit keiner teilen. Hast du verstanden? Das ist Sünde, Eddie. Frauen sind Sünde! Geh auf dein Zimmer!“ – Augusta Gein

Dieser Satz seiner Mutter ist das Fundament, auf dem alles ruht. Kein Zufall, dass „Monster – Die Ed Gein Story“ damit eröffnet. Es ist der Moment, in dem sich Eds Welt verengt – auf Schuld, Scham und die unerschütterliche Macht seiner Mutter. Fanatisch. Kontrollierend. Gottesfürchtig. Zerstörerisch. Diese Worte beschreiben Augusta treffend.
Die dritte Staffel von Ryan Murphys True-Crime-Anthologie kehrt damit zurück in die dunkle Provinz des Mittleren Westens, dorthin, wo Monster nicht geboren, sondern erzogen werden.

Charlie Hunnam als Ed Gein

Ich mochte Charlie Hunnam schon in seiner Rolle als Jax Teller in „Sons of Anarchy“. Da war er ein tragischer Rebell mit kultiger Kutte und ausreichend Gewissen. Hier ist davon nichts mehr übrig. Sein Ed Gein ist still, leer, innerlich zerbrochen, fast tot. Ein Mann, der sich ständig entschuldigt, schon fürs Atmen. Augusta trägt daran die Schuld. Hunnam spielt ihn mit viel Kontrolle – kein irrer Killer, sondern ein verirrter Mensch. Dass er für die Rolle sichtbar Gewicht verloren hat, passt zur Figur: körperlich schmal, seelisch ausgehöhlt.

Die Inszenierung betont das: Großaufnahmen seiner Hände, die über Stoffe fahren, über Holz, über Werkzeuge. Diese Hände erzählen mehr als Worte – sie suchen Nähe und verursachen gleichzeitig Grauen. Und was mir wirklich gefiel: Die kurzen Gewaltszenen sind präzise eingesetzt. Kurz, schmerzhaft, aber nicht ausgedehnt. Kein Splatter, kein Selbstzweck. Eher Schock als Spektakel – genau richtig.

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Laurie Metcalf als Augusta Gein

Laurie Metcalf, die viele als Roseannes Schwester Jackie aus der Sitcom „Roseanne“ kennen, spielt hier das komplette Gegenteil: eine herrische, fanatische Frau, die Bibelverse als Waffe benutzt. Laurie spielte in „The Big Bang Theory“ Mary Cooper, die strenggläubige, aber warmherzige Mutter von Sheldon Cooper. Als Augusta ist sie ebenfalls tief religiös – aber ohne jede Wärme. In gewisser Weise könnte man sagen, Augusta ist Mary Coopers dunkler Spiegel: gleiche Bibel, völlig anderer Ton.

Ihr „Nur eine Mutter kann dich lieben!“ ist kein Satz, sondern ein Fluch. Auch ihr ständig heruntergeleiertes „Frauen sind Sünde!“ zählt zu ihren dunklen Mantras – destruktive Glaubenssätze statt heilende. Metcalf schafft das Kunststück, Augusta nicht zur Karikatur werden zu lassen. Sie ist nicht einfach verrückt, sondern überzeugt. Und das macht sie so gefährlich.
Wenn sie nach ihrem Schlaganfall nur noch im Rollstuhl sitzt, bleibt ihre Stimme das lauteste Geräusch im Haus. „Raus aus meinem Stuhl!“ – das hallt noch lange nach, selbst als sie längst tot ist.

Suzanna Son als Adeline

Suzanna Son bringt als Adeline für einen Moment Licht in dieses dunkle Kammerspiel. Eine Frau, die Ed akzeptiert, oder zumindest so tut. Sie teilt seine Faszination für Abgründe, Nazi-Fotos und morbide Comics – und glaubt, ihn damit irgendwie zu verstehen. Aber man ahnt schon, dass dieses Verständnis nur vordergründig exisitiert. Adeline sieht mehr, als sie sollte – und zieht irgendwann ihre eigenen Schlüsse. Eine „echte Beziezhung“ mit Ed führt sie nicht, will sie wohl auch nicht. Zwischen ihnen steht immer die Mutter, unsichtbar, aber allgegenwärtig.
Wenn Adeline geht, ruft Ed hinterher: „Ich liebe sie!“ – und es ist klar, dass er nicht Adeline meint.

Realität, Wahn und überdrehte Ideen

Vieles, was man sieht, spielt sich wahrscheinlich nur in Eds Kopf ab. Die Serie springt zwischen Realität, Wahn und Rückblenden. Das funktioniert über weite Strecken gut, wird aber später zunehmend unübersichtlich.
Ryan Murphy will zu viel: historische Traumsequenzen, Nazi-Feste, Geistermütter, plötzlich auftauchende Filmfiguren – das wirkt oft wie ein Sammelsurium seiner Lieblingsalpträume.
Wenn man mal zwei Sekunden die Jahreszahl-Einblendung verpasst, weiß man nicht mehr, wo man gerade ist – 1930, 1945 oder 1964?

Vom Menschen zum Mythos

Natürlich darf der Verweis auf die Popkultur nicht fehlen: Ed Gein war die Vorlage für Norman Bates in „Psycho“, Leatherface in „The Texas Chainsaw Massacre“ und Buffalo Bill in „Das Schweigen der Lämmer“. Die Serie spielt sogar mit diesen Bezügen, zeigt Anthony Perkins am Filmset von „Psycho“. Das ist kurz interessant, dann aber doch ein bisschen zu dick aufgetragen.
Diese Szenen wirken eher wie Fanservice als echte Analyse. Trotzdem bleibt spannend, wie Gein – dieser unscheinbare Mann aus Wisconsin – zu einem Archetypen des Horrors wurde.

Fazit

Ich hatte ehrlich gesagt keine großen Erwartungen. Murphy hat mit Dahmer und Menendez Brothers schon gezeigt, dass er eher an der Form interessiert ist als am Inhalt. Deshalb habe ich die „Vorgänger“ auch nicht vollständig gesehen, sie fesselten mich weniger. Aber „Monster – Die Ed Gein Story“ funktioniert über weite Strecken trotzdem – vor allem dank Charlie Hunnam.
Er trägt die Serie. Seine Ruhe, seine Körperhaltung, sein ständiges „Nichtwissen, wohin mit sich selbst“ machen die Figur glaubwürdig.

Ich vergebe daher:

Laurie Metcalf ist großartig, Suzanna Son interessant, die Optik stark. Was stört, sind die Übertreibungen: zu viele Visionen, zu viel Symbolik, zu wenig Vertrauen in die eigene Geschichte. Aber wenn die Serie einfach still bleibt, funktioniert sie.

Und ja, die kurzen Gewaltmomente sind richtig dosiert – keine Effekthascherei, sondern notwendiger Bestandteil. Kein Gore-Festival, sondern schmerzhaft präzise.

Passende Fakten noch zum Schluss:
Ed Gein starb 1984 im Mendota Mental Health Institute in Wisconsin. Kein Prozess, kein Heldentod, kein Monsterfinale – einfach ein stilles Ende für einen Mann, der nie wirklich gelebt hat.
Es gibt seriöse, zeitgenössische medizinische Gutachten, die klar belegen, dass Ed Gein psychisch schwer krank war – vermutlich schizophren mit religiös-sexueller Wahnstruktur.
Das „Monster“ war also kein kalter Killer, sondern ein schwer gestörter, isolierter Mensch, der den Kontakt zur Realität verloren hatte.

Bilder: Netflix

Beitrag von:
Mittwoch, 8. Oktober 2025, 22:22 Uhr
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