Nach Jahren des ungebremsten Wachstums zeigt sich erstmals eine Sättigung im Streaming-Markt. Die neue Bewegtbildstudie „Screens in Motion“ von TV Spielfilm Plus aus dem BurdaVerlag belegt: Die goldene Zeit des Plattformen-Wachstums ist vorbei. Für die Streaminganbieter wie auch für uns Zuschauer:innen beginnt eine Phase der Sättigung – und der Suche nach Orientierung.
Lange schien der Siegeszug des Streamings unaufhaltsam. Neue Plattformen, endloser, zudem noch sehr attraktiver Content, steigende Nutzerzahlen – die Perspektive, das lineare Fernsehen zu verdrängen, schien greifbar. Doch wir haben es längst bemerkt – die Programmvorschauen zu den einzelnen Streamingdiensten werden immer kürzer, und es gibt auch nicht mehr diese großen Hypes wie bei „Game of Thrones“ oder „Stranger Things“. Streaming ist Normalität geworden – mit den üblichen Mechanismen, die dann so greifen.
Und die Fakten hier sind eindeutig: Zwar nutzen inzwischen 61 Prozent der Deutschen monatlich ein Streaming-Abo. Doch der Zuwachs gegenüber dem Vorjahr beträgt gerade einmal zwei Prozentpunkte. Netflix und Prime Video stagnieren bei jeweils 45 Prozent monatlicher Nutzung, Disney+ bleibt bei 23 Prozent. Werbefinanzierte Modelle haben daran kaum etwas geändert. Lediglich 12 Prozent der Netflix-Abonnenten und 17 Prozent der Disney+-Kund:innen haben sich für die günstigere, aber werbefinanzierte Variante entschieden. Prime Video hat mit seiner Zwangsumstellung zwangsläufig für eine hohe Quote an der Stelle gesorgt (wer werbefrei schauen will, muss aktiv das Abo umstellen und mehr bezahlen, so dass die meisten im werbefinanzierten Tarif geblieben sind) – 91 Prozent der Nutzer:innen sitzen dort nun in einem werbefinanzierten Standard-Abo, begleitet von Kritik und rechtlichen Auseinandersetzungen. Ich selbst hab’s auch ausprobiert – meine Erfahrungen habe ich hier im Blog dokumentiert.
Gleichzeitig verändert sich das Verhalten der Zuschauer:innen. Fast die Hälfte der Nutzer:innen (45 Prozent) behält ein Abo nur so lange, wie es aktiv genutzt wird. 44 Prozent betreiben gezieltes „Abo-Hopping“. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist nach wie vor das wichtigste Kriterium für Kündigungen, auch wenn die Ausgabebereitschaft für Bewegtbild-Entertainment inzwischen auf 33 Euro im Monat gestiegen ist – drei Euro mehr als im Vorjahr.
Die demografische Entwicklung ist ebenfalls aufschlussreich. Besonders die über 50-Jährigen treiben das Wachstum im Streaming-Bereich voran: Ihr Nutzungsanteil stieg um vier Prozentpunkte auf 49 Prozent. Gleichzeitig bleiben sie dem linearen Fernsehen treu – 86 Prozent schalten mindestens einmal pro Monat ein. Doch auch hier zeigt sich ein Rückgang: Die tägliche Sehdauer in dieser Altersgruppe sank seit 2024 um elf Minuten auf durchschnittlich zwei Stunden. Insgesamt ist die Fernsehdauer seit 2019 um 40 Minuten pro Tag gesunken.
Bemerkenswert ist zudem die Verschiebung bei Mediatheken und Social Media: Beide verlieren in der jungen Zielgruppe an Relevanz (minus fünf bzw. sechs Prozentpunkte), während sie bei den über 50-Jährigen zulegen (plus sechs bzw. vier Prozentpunkte). Ein Indiz dafür, dass die Generationengrenzen bei der Mediennutzung zunehmend durchlässiger werden.
Was bleibt, ist ein ambivalentes Bild: Streaming ist längst kein Nischenphänomen mehr, sondern Teil des Alltags. Doch genau darin liegt auch das Problem – es boomt nicht mehr, wir stecken im Prozess der Konsolidierung. Die anfängliche Euphorie ist einer nüchternen Kosten-Nutzen-Rechnung gewichen. Die Anbieter haben ihre Exklusivität durch Preiserhöhungen, Werbung und gestreckte Veröffentlichungsmodelle selbst untergraben. Und auch mit dem exklusiven Content ist es so eine Sache – immer mehr Serien oder Filme werden nach und nach an andere Anbieter lizensiert – man muss nur lange genug warten.
Der Traum vieler: EINE Plattform für alle Inhalte – übrigens für Streaming, Online-Video und lineraes TV
Die Studie zeigt zugleich, dass viele Zuschauer:innen von einer einheitlichen Plattform träumen: 54 Prozent aller Befragten, bei den Streaming-Abonnenten sogar 62 Prozent, wünschen sich ein zentrales Angebot statt der Zersplitterung in dutzende Dienste. Auch wir träumen hier im Blog schon lange davon. Ob dies jemals Realität wird, bleibt offen. Immerhin gibt es schon einige Versuche von MagentaTV oder auch von Joyn. Geht es nach den Befragten der „Screens in Motion“-Studie, sollte es übrigens eine Plattform für alle Angebote sein, also Streaming, Online-Video und lineares TV – ein bisschen so, wie es ZDF mit dem Wechsel von der ZDFmediathek zu einer Gesamtplattform seit einigen Monaten probiert – wir haben das Konzept hier vorgestellt.
Marion Sperlich, Head of Research Market Media Insight BurdaVerlag und Studienverantwortliche „Screens in Motion“, erklärt das so: „Wenn es nach den Befragten geht, werden Streaming-Abo- und Online-Video-Angebote künftig das lineare TV ablösen. Dessen sind sich aktuell 57 % sicher. 2020 waren das noch rund 10 % weniger. Mit der Öffnung für Werbung und der teils über Wochen verteilten Veröffentlichung von neuen Serienfolgen bei den Streaming-Anbietern, die damit analog zu den klassischen TV-Sendern agieren, bröckelt stückweise die Argumentation für ein teures Streaming-Abo. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die bisher doch sehr getrennten zwei Welten von Streaming und TV weiter bestehen bleiben. Oder ob nicht doch mit diesen Veränderungen ein Zusammenwachsen und damit gegebenenfalls eine einheitliche Plattform für alle Anbieter gefunden wird. Absolute Zukunftsmusik. Aber vom Großteil der Befragten gewünscht – von 54% aller Befragten und 62% der Streaming-Abonnenten.“
Klar ist, wenn man die Entwicklung insgesamt sieht: Der große Hype der Streamingdienste ist vorbei. Streaming ist normal geworden – jetzt geht’s für die Pioniere um Marktanteile. Und wir Zuschauer:innen werden in den nächsten Monaten beobachten können, wie sich der Markt konsolidiert.
Bilder: KI-generiert mit Midjourney
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