Komplex kann ja vieles sein: die visuelle Gestaltung einer Serie, die Zeichnung der Charaktere, die Story, die Erzählweise oder die Welt, die damit geschaffen wird. Besonders gut ist der Grad der Komplexität häufig daran zu erkennen, wie viele YouTube-Videos es zu einer Serie gibt, in denen sich motivierte Menschen mit großem Spaß mit diesen Serien auseinandersetzen: Videos, in denen Charakterentwicklungen betrachtet, Easter Eggs offen gelegt, Erzählstränge analysiert und erklärt, Verbindungen gezogen und Theorien aufgestellt werden.
Komplexe Serien bringen in ihrer Gestaltung oft etwas Neues hervor, überraschen, sind bildgewaltig – und ja, ich würde behaupten die meisten komplexen Serien haben auch immer etwas Düsteres an sich und bauen ihre Geschichte um einen Antihelden auf. Der Kern komplexer Serien ist aber oft auch gar nicht nur das, was wir sehen, hören oder schließen können, sondern die Tatsache, dass sie uns zum Nachdenken anregen – auch, aber wieder nicht nur über die Serie, die Charaktere und den Fortgang der Handlung, sondern über uns und unsere Gesellschaft. Die uns unser Sein und Handeln reflektieren lassen und uns dazu bringen, uns moralische Fragen zu stellen und diese auch an unser Umfeld zu richten. Nicht zuletzt ist Gesellschaftskritik der leitende Faktor dieser Serien.
Meine AWESOME 5 könnte ich immer wieder und wieder sehen und ich wäre mir sicher, dass es trotzdem auch beim siebten Mal noch etwas Neues zu entdecken gäbe.
1. The Sopranos
Beginnen wir doch gleich mit dem Pionier der Qualitätsserien, der Serie, die 1999 dafür gesorgt hat, dass sich das Fernsehen maßgeblich ändert, die sich getraut hat, aus Strukturen und Regeln auszubrechen und uns mit Tony Soprano einen der größten Antihelden der TV-Geschichte geschenkt hat: Die HBO-Serie The Sopranos wird auch heute, knapp 20 Jahre nach ihrem Start, noch immer als beste Serie aller Zeiten gehandelt. Eine epische Erzählweise, zwiespältige Figuren und vor allem viele moralische Fragen, die uns im Verlauf der sechs Staffeln umtreiben, qualifizieren „The Sopranos“ zu einer der komplexesten Serien, die es auf dem Markt gibt. Nebenbei gesagt übrigens auch mit saucoolem Intro.
2. Breaking Bad
Auf dem zweiten Platz der komplexesten Serien, aber meine ganz persönliche Nummer 1 in jeder Hinsicht, ist AMCs Breaking Bad. Nicht ohne Grund sollte seriesly AWESOME ursprünglich mal Walt White Web heißen und 83 Seiten Suchergebnisse zu „Breaking Bad“ auf diesem Blog zeigen, dass es hier auch einiges zu betrachten, zu analysieren und zu vergleichen gibt. Ein mehr als ausgeklügeltes Script beweist: Hier wurde nichts, aber auch gar nichts dem Zufall überlassen. Jede zufällig im Bild zu liegen scheinende Requisite ist bedeutungsträchtig, jedes Kleidungsstück erzählt mehr über die Figur und ihr Schicksal, als wir uns einfallen lassen könnten. Es gibt Videos zu Farbanalysen, zu übergeordneten Zusammenhängen, Charakterstudien und darüber hinaus sogar Unmengen an Literatur, die sich mit „Breaking Bad“ beschäftigt. Ein Meisterwerk unter den Serien!
3. Game of Thrones
Wenn wir von Komplexität sprechen, darf die von George R.R. Martin erschaffene und mit Unterstützung von David Benioff und D.B. Weiss in Bewegtbild überführte Welt des Spiels um den Thron nicht fehlen: Die HBO-Serie „Game of Thrones“ hat uns gelehrt, dass Protagonisten durchaus auch im Dutzend auftreten können und man diese nicht zu lieb gewinnen sollte. Neben diversen Erzählsträngen besticht die Serie vor allem durch ihre überzeugenden und fesselnden Spezialeffekte, die es erst zulassen, dass die Serie als das Epos auftritt, das Martin durch seine unbegreifliche Fantasie geschaffen hat. Ich finde es noch immer erstaunlich, wie diese hochkomplexe Welt dem Hirn nur eines Menschen entspringen konnte. Leider fehlt den letzten Staffeln der Serie die Buchgrundlage von Martin und das spürt man auch. Das ist jedoch kein Grund der Disqualifikation von „Game of Thrones“ aus dieser Bestenliste.
4. Sherlock
Sherlock Holmes ist wohl eine der interessantesten fiktiven Figuren, die je geschaffen wurde. Da wundert es nicht, dass in einer Serie, die die Genialität eines hochintelligenten und soziopathischen Detektiven beleuchtet, die komplexesten Fälle gestrickt werden, die man sich wohl ausdenken kann. Und während Sherlock Holmes schon in so vielen Formaten, Personen und Settings zum Ausdruck gebracht wurde, schafft es meiner Meinung nach kein anderer Darsteller in der Verkörperung dieser Figur so zu überzeugen wie Benedict Cumberbatch in BBCs moderner Sherlock-Variante. Das kann dann manchmal sogar ein bisschen drüber sein, aber hey, es geht hier um Sherlock Holmes!
5. Westworld
Zuletzt, aber sicherlich nicht als das Schlusslicht dieser Kategorie, hätte ich noch ein recht frisches HBO-Werk in meiner Komplexitäts-Top-5: HBOs „Westworld“ versteht es, die Zuschauer hinter’s Licht zu führen, mit diversen Erzählsträngen und Zeitebenen zu überfordern und verunsichern und den Zuschauer ganz viel Eigenarbeit leisten zu lassen. Aus gut eingebetteten Details können über das Zusammensetzen dieser über Episoden hinweg Extreme entstehen, die mich regelmäßig hochkonzentriert auf den Bildschirm starren lassen und dazu bringen, einfach alles noch einmal von vorne schauen zu wollen, um eine Bestätigung für den leisesten Verdacht einzuholen, dass man weiß, was in dieser Serie eigentlich vor sich geht. Mit „Westworld“ entsteigen wir dieser Welt und betreten ein neues Level, auf dem selbst Teaser und Trailer mit Geheimcodes versehen werden, die von der treuen Followerschaft entschlüsselt werden sollen. Wenn eine Serie als Epos bezeichnet werden kann, dann diese. Und dazu zeigt sie uns mit verstecktem Gefahrenzeigefinger auf, dass wir die rasante technische Entwicklung unserer Gesellschaft nicht auf die leichte Schulter nehmen sollten. In kaum einer anderen Serie wird die Geschichte so maßgeblich über Musik erzählt und gesteuert, dass diese neben den unglaublich talentierten Darstellern schon eine Hauptrolle einnimmt.
Wenn man meine persönliche AWESOME 5 der komplexesten Serien betrachtet, so erhebt diese natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Und bei einem Blick auf den Ursprung der Serien, könnte man fast behaupten: Was Qualität angeht, ist auf den Programmanbieter HBO wohl einfach Verlass. Ich denke, dass diese fünf Beispiele ausgeklügelter und hoch-anspruchsvoller Serien auch im Verlauf der Zeit sehr deutlich beweisen, dass der Weg, der Ende der 90er Jahre im Serienmarkt eingeschlagen wurde, ein guter war und dass Serienmacher durchaus in der Lage sind, sich selbst immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen und ermöglichen, dass wir als Zuschauer das auch tun.
Für „LOST“ war in dieser Liste übrigens einfach kein Platz. Könnte daran liegen, dass ich bei dieser Serie einfach nie über Staffel zwei hinausgekommen bin.
Noch mehr AWESOME 5 Power findet ihr hier.
Jetzt muss ich selber über den Begriff „Komplexität“ bzw. „komplex“ nachdenken, dessen Definition je nach Fachgebiet anders ist ;-) Denn ich überlege, ob Merkmale wie Neuartigkeit und Reflexion nicht eher/auch Erfolgsmerkmale von Serien ausmachen. Du erwähnst zum Schluss, dass du deine Top5 immer wieder anschauen könntest, was mMn ebenfalls ein Erfolgsfaktor sein kann. Siehst du „wiederholtes Anschauen“ als ein Merkmal von Komplexität?
Ich finde es übrigens sehr gut, dass du nicht verallgemeinerst und deutlich herausstellst, dass du eine subjektive Auswahl anbietest, die zum Diskutieren einlädt -> Wieso steht da nicht „The Wire“? :-P Die ist vom Aufbau der Staffeln und deren Inhalt mMn ein Paradebeispiel für Gesellschaftskritik, die zum Nachdenken und wiederholtem Anschauen einlädt.
Sherlock und GoT habe ich eher als Unterhaltung gesehen. Ich find ja, dass Westworld wie Mr. Robot, Battelstar Galctica mit den Themen Identität/Realität/Mensch-bzw.Bewusstsein spielt. Und an TWD haben mich zu Beginn moralische Fragen umgetrieben (der Fall mit Lizzy) und nun, wie organisieren sich Menschen, bilden sich Gemeinschaften in Extremsituationen heraus.
Ohne sie in eine Reihenfolge zu bringen hier meine 5 „reflexionsserien“: Battelstar Galactica, The Wire, Westworld, Mr. Robot, TWD.
Mehrmals angesehen habe ich mir: Friends, Community, The Wire, Sopranos, Battlestar Galactica.
Danke für deinen Kommentar :) Also zunächst einmal sehe ich „wiederholtes Anschauen“ nicht als Merkmal von Komplexität, denke aber, wenn eine Serie besonders komplex ist, dass es dann sogar fast notwendig ist, sie mehr als einmal zu sehen, um überhaupt alles im Ansatz erfassen zu können. Bei Westworld beispielsweise war der zweite Durchlauf so viel aufschlussreicher, dass ich mich über meine eigene „Blindheit“ während der ersten Staffel amüsiert habe.
The Wire war bis zum Schluss tatsächlich in der engsten Auswahl, musste dann aber weichen, da ich die Serie noch nicht gesehen habe… Shame on me! Und ich wollte nicht über etwas urteilen, das ich gar nicht beurteilen kann :) Aber sie steht auf der Liste der noch zu sehenden Serien weit oben!
Danke für deine Top 5! Die Wahl von Battlestar Galactica finde interessant, hätte nie gedacht, dass sie es in solch eine Top 5 schaffen würde – aber da ich sie selbst ebenfalls nicht gesehen habe, kann ich das auch gar nicht beurteilen. War eher so ein Gefühl ;)
Oh ja, Friends habe ich mir auch schon diverse Male angesehen. Aber da liegt’s definitiv nicht an der Komplexität der Serie, sondern an dem Witz, Charme und kurzweiligen Unterhaltungsfaktor. Eine großartige Comedy-Serie! :)
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