[Hierbei handelt es sich um einen Gastbeitrag von Esports Insider ]
Wer kennt das nicht: Man sitzt abends vor Netflix, scrollt minutenlang durch das Angebot und am Ende läuft doch wieder dieselbe Serie. Die Auswahl ist riesig, aber genau das wird zum Problem. Immer mehr Menschen greifen deshalb zu Tools wie Netflix Roulette – Zufallsgeneratoren, die per Knopfdruck eine Serie auswählen. Was absurd klingt, ist eigentlich eine clevere Lösung für ein modernes Phänomen: die Entscheidungsparalyse. Wenn zu viele Optionen zur Last werden, übernimmt der Zufall die Kontrolle.
Zu viel Auswahl macht unglücklich
Die Psychologie hinter dem Problem ist gut erforscht. Der sogenannte „Paradox of Choice“ beschreibt, wie eine Fülle an Optionen paradoxerweise zu weniger Zufriedenheit führt. Statt uns frei zu fühlen, fühlen wir uns überfordert. Bei Netflix und Co. zeigt sich das deutlich: Studien belegen, dass Nutzer durchschnittlich 12 Minuten mit der Suche nach Inhalten verbringen – und 49 Prozent entscheiden sich danach trotzdem dafür, nichts zu schauen.
Das liegt nicht nur an der schieren Menge, sondern auch an der Angst, die falsche Wahl zu treffen. Jede nicht geschaute Serie fühlt sich wie eine verpasste Chance an. Hinzu kommt, dass wir wissen, dass Algorithmen unser Verhalten tracken. Die heutige Entscheidung beeinflusst künftige Empfehlungen – was den Druck zusätzlich erhöht. Viele wählen deshalb „sichere“ Optionen statt etwas Neues zu wagen.
Netflix Roulette als digitales Glücksrad
Genau hier setzen Tools wie Reelgood, Flixboss oder What’s on Netflix an. Sie funktionieren nach einem simplen Prinzip: Nutzer wählen grob ein Genre oder lassen alles offen, drücken auf „Spin“ – und der Zufallsgenerator wählt eine Serie oder einen Film aus dem Katalog. Was wie Spielerei wirkt, hat einen psychologischen Effekt: Der Zufall nimmt uns die Last der Entscheidung ab.
Interessanterweise akzeptieren die meisten Nutzer das Ergebnis des Zufallsgenerators, selbst wenn sie die gewählte Serie vorher nicht kannten. Der Grund: Wir haben die Verantwortung delegiert. Der Generator hat entschieden, nicht wir – und damit fällt auch die Angst vor der falschen Wahl weg. Statt endlos zu grübeln, können wir einfach loslegen und uns vom Ergebnis überraschen lassen.
Gamification macht Alltag zum Erlebnis
Dass wir Entscheidungen bewusst dem Zufall überlassen, ist kein neues Phänomen – nur die digitalen Tools dafür sind neu. Netflix Roulette funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie ein Glücksrad: Wir drücken auf „Spin“, akzeptieren das Ergebnis und fühlen uns vom Entscheidungsdruck befreit. Diese Gamification von Alltagsaufgaben zieht sich durch viele Bereiche. Wer beispielsweise online Roulette spielen möchte, sucht oft genau diesen Mix aus Kontrollverlust und Spannung – mit dem Unterschied, dass hier ein echter Einsatz im Spiel ist. Bei Netflix Roulette ist es „nur“ Zeit, aber psychologisch ähnlich: Wir setzen darauf, dass der Zufall eine bessere Wahl trifft als wir selbst.
Das Interessante ist die Ästhetik: Tools wie Reelgood oder Flixboss verwenden bewusst Casino-Designs mit Roulette-Rädern und Glücksspiel-Sprache. Sie machen aus der lästigen Pflicht – eine Serie auswählen – ein kleines Glücksspiel-Erlebnis. Der Nervenkitzel ist minimal, aber vorhanden. Und genau dieser Mini-Thrill reicht, um die Entscheidungsparalyse zu durchbrechen.
Weshalb Netflix das Problem selbst erkannt hat
Auch Netflix hat das Problem bemerkt und hat bereits im Jahr 2021 die Funktion „Play Something“ eingeführt. Wie externe Tools wählt auch dieses System einen Inhalt aus, der basierend auf den bisherigen Vorlieben algorithmisch ausgewählt wurde. Obwohl das Feature anfangs gut ankam, wurde es später wieder entfernt – wahrscheinlich, weil Netflix eher auf personalisierte Empfehlungen als auf Zufall setzt.
Externe Tools haben hier einen Vorteil: Sie sind nicht vom Algorithmus abhängig und können echte Zufälligkeit erzeugen. Während die Empfehlungen von Netflix oft eine Richtung vorgeben (und so erneut einen Entscheidungsdruck erzeugen), ist das Ergebnis bei unabhängigen Tools völlig ungewiss. Das kann zu unerwarteten Funden führen – Serien, die man sonst nie auf dem Radar gehabt hätte.
Hier würden Spieltheoretiker von einer „Delegation an den Zufall“ reden. Wir treffen bewusst die Wahl, keine Entscheidung zu treffen. Es mag widersprüchlich erscheinen, doch es funktioniert erstaunlicherweise sehr gut. Forschungsergebnisse belegen, dass Menschen, die zufällig eine Option erhalten haben, oft glücklicher sind als die mit einer selbst gewählten – weil sie sich nicht mit „Was-wäre-wenn“-Gedanken quälen.
Mit freundlicher Unterstützung von Esports Insider | Bild: © freestocks (Unsplash) | Glücksspiel kann süchtig machen. Infos und Hilfe unter www.bzga.de







































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