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Videospiel-Coolness trifft Dystopia

Review: Altered Carbon Staffel 1

Spoilerfrei
11. Februar 2018, 09:19 Uhr
Spoilerfrei
Maik
11.02.18

Anthrazitfarbener Langmantel mit Stehkragen und ein kleiner Einhorn-Rucksack in pinkem Plastik, der zwischen den vielen Rückenmuskeln im breiten Kreuz beinahe zu verschwinden scheint – dieser Look dürfte nächstes Halloween oder gar bereits diesen Rosenmontag so einige Male in der Weltgeschichte auftauchen. Gepaart mit einem möglichst emotionslos-coolen Gesichtsausdruck ist sie fertig, die neue Figur am Popkulturfirmament: Takeshi Kovacs.

Nachdem wir euch bereits Teaser und Trailer zur vergangene Woche Freitag auf Netflix angelaufen neuen SciFi-Serie „Altered Carbon: Das Unsterblichkeitsprogramm“ gezeigt hatten, folgt hiermit ein spoilerfreies Review zur aus zehn zwischen 50 und 60 Minuten langen Episoden bestehenden ersten Staffel.

Romanvorlage

2002 hat der britische Autor Richard K. Morgan den Roman mit dem Originaltitel „Altered Carbon“ verfasst, der im Deutschen den Titel „Das Unsterblichkeitsprogramm“ erhielt (daher also der Beititel der Serie im deutschen Netflix-Programm). Showcreator Laeta Kalogridis hatte sich bereits frühzeitig die Rechte für eine Bewegtbildadaption gesichert. War vor rund 15 Jahren noch ein Kinofilm angedacht, wurde aufgrund der Komplexität und Brutalität des Stoffes auf eine Serien-Adaption umgeschwenkt und Netflix hat zugeschlagen.

Das Jahr 2384

Wir springen ordentlich in die Zukunft. So weit, dass die Menschheit zwar noch immer die gleichen Designerlampen in den Wohnungen stehen und keinen Ersatz für altertümliche Zigaretten, aber einen Weg gefunden hat, den Tod auszutricksen. Das Bewusstsein von Menschen wird in so genannten „Stacks“ virtuell verstaut, die Körper sind lediglich „Sleeves“, die wie bei einer Schlange von Zeit zu Zeit gewechselt werden kann. Wenn die Versicherung es in Sonderfällen zahlt, oder wenn man schlicht reich ist. Nicht nur diese grundlegende Mechanik der Geschichte erinnert gewaltig an Netflix-Schwesterserie „Black Mirror“. Die dystopische Welt hält allerlei visionäre Zukunftsspielereien für uns parat, die ich persönlich immer sehr interessiert wahrnehme, vor allem, wenn sie durchdacht und auch mal detailverspielt umgesetzt werden (was hier häufig der Fall ist).

Weitere filmische Paten werden ebenso schnell klar: „Blade Runner“ sollte bereits beim Anblick der lichterreichen Hochhaus-Städte in den Kopf schnellen, spätestens bei einigen übernatürlich erscheinenden Figuren, die in eine erschreckend fortgeschrittene virtuelle Realität ausweichen, kommt die „Matrix“ dazu.

Allerdings hatte ich vor allem zu Beginn der Serie ein totales Videospielgefühl. Nicht nur, weil einige Figuren dank rot leuchtender Helmpunkte an die „Killzone“-Reihe auf der Playstation erinnern, nein, eher, weil die Bewegungen, Sprüche und die visuelle Inszenierung von Protagonist Takeshi Kovacs einfach an den Klischee-Badass erinnern, wie er im Videospiel-Bilderbuch steht. Und raucht. Und schießt. Das wirkt dann nicht nur aufgrund der sterilen und doch eher unbeweglichen Kameraarbeit zum Auftakt der Serie recht hölzern. Man muss sich zunächst nicht nur stimmungstechnisch an die unmenschlichere und kältere Zukunft anfreunden.

„Just attack me, please. It will hurt less than listening to this…“ (Takeshi Kovacs)

Dafür gibt es JEDER MENGE äußerst hübscher Menschen zu sehen. Beim Cast wurde enorm auf Attraktivität geachtet. Okay, die zukünftige Menschheit kann sich seine Sleeves aussuchen, sie durch Wundermedizin heile halten oder Einzelteile modifizieren, aber auch dafür braucht es Geld – Pardon, Credits.

Zum Glück weichen die Charaktere nach und nach etwas auf, entwickeln menschlichere Züge und sich selbst weiter. Nicht viel, aber es reicht. Chris Conner als künstliche Intelligenz Poe (Im Buch heißt sein Hotel übrigens nicht „Raven“, sondern „Hendrix“, nach Gitaristen-Legende Jimi) hat mir super gefallen – vielleicht auch gerade, weil er als einziger den wirklichen Drang zu verspüren scheint, menschlich sein zu wollen. Joel Kinnaman mochte ich in „House of Cards“ sehr, wo er als moderner Super-Jungpolitiker enorm eloquent (und viel weniger nuschelnd!) gesprochen hat. Allgemein gibt es gar immer mal vereinzelte gute Dialoge zwischen all dem Übercoolen und hochphilosophischen Gehabe. Denn ja, die Serie will alles sein – von brutaler Action bis richtungsweisender Religion.

Are you a believer?

Kommen wir (endlich!) zur eigentlichen Kritik. Die Serie hat wie sein Handlungsort „Bay City“ nämlich so ziemlich alles zu bieten – gottgleiche Überflieger-Momente bis hin zu dreckig schlechten Elementen am Boden der Fernsehunterhaltung. Dabei weiß das Wichtigste zu überzeugen. Die Story an sich ist (zumindest für mich, der das Buch nicht kannte) frisch und macht neugierig. Dazu wird die Geschichte auch durch die verschachtelte Erzählung nochmals eine Stufe komplexer und selbst, dass mir bei einigen Figuren nicht direkt klar war, wer das nun ist, stellt sich nach einer Weile nicht als Malus, sondern als Bonus heraus. All die Sleeves, Klone und diese „normale Alterung“, die auch noch vorhanden sein soll – das verwirrt schon einmal…

Auch bildlich macht „Altered Carbon“ eigentlich einen guten Job. Die Bildsprache ist gut bis sehr gut und auch die visuellen Effekte überzeugen größtenteils. Wirkliche „Wow!“-Momente gibt es allerdings auch nicht gerade viele. Man merkt dann doch zum Beispiel am plötzlich nur noch spärlichen Einsatz fliegender Autos, die man in der Pilotfolge noch vermehrt zu sehen bekam (ist ja auch eine „Pilot“-Folge, muahahah!), dass Budget gespart werden musste.

Kleine Dinge, die mich (mal wieder) genervt haben: Deutsch-sprechende Nicht-Deutsche. Dann lasst es doch bleiben, so wichtig ist nun auch nicht, dass Antagonisten noch diese kleine deutsche Stück böser werden… Und auch das schlechte alte „Zauberschützen treffen plötzlich nicht mal große Scheunentore“-Phänomen tritt in regelmäßiger Häufigkeit auf. Von kleinen bist mittelgroßen Logikschwächen ganz zu schweigen, aber wenn man die Staffel komplett geschaut hat, dürfte man sich längst damit abgefunden haben, dass Coolness eben über Logik triumphiert (3:2 im Schnick-Schnack-Schnuck). Da ist es dann schon fast egal, wie nochmals drüber das Staffelfinale dann in vielerlei Hinsicht ist.

Ich hatte zu Beginn so meine Probleme mit der Serie. Nicht, dass ich nicht rein kam – die Geschichte um den kuriosen Mordfall, Körperwechsel und so weiter hat direkt Neugier wecken können – aber alles wirkte künstlich. Klar, Science Fiction und so, aber normalerweise betrifft das größtenteils die Umgebung. Die wirkte beinahe normaler als die menschenähnlichen Figuren, die sich darin bewegten. Aber genau das macht dann die große Stärke von „Altered Carbon“ aus. Wir werden stets auch moralisch abgeholt. Soll das die Menschheit sein, wie sie in rund 350 Jahren existieren soll? Welche Art von Mensch wollen wir persönlich dann noch sein? Und in wie fern gehört der Tod zum Leben dazu? Ist er gar eine Erlösung vor der gar nicht so tollen Unsterblichkeit?

Nein, meine Serie des Jahres wird „Altered Carbon“ sicherlich nicht, aber sie ist eine besondere Serie. Besonders gewalttätig, besonders freizügig, besonders cool. Sie spielt gekonnt mit der ihre gegebenen neuen Basis der vielschichtigen Sterblichkeit, was dramatische Momente und Twists ins Absurde drehen kann. Und das macht durchaus Spaß, wenn man sich erstmal darauf eingelassen hat.

Altered Carbon Staffel 2?

Noch ist nicht klar, ob und wann es eine zweite Staffel der Seite geben wird. Im Interview mit TV Guide hatte Hauptdarsteller Joel Kinnaman noch gesagt, dass er gar nicht wüsste, wie das inhaltlich aussehen würde:

„We have no idea what the second season would be, but my guess is that they would follow the two other books, and they are all on completely different planets, completely different worlds, and my guess is — and I don’t know — my guess is that it’s sort of going to be an anthology show where maybe a couple of the characters continue into the next season. But no one knows what’s going on in the second season.“

Und ebenso, dass er wohl nicht mit dabei sein wird. Das konkretisieren auch Berichte darüber, dass Kinnaman zukünftig die Streaming Anbieter-Seiten wechselt und für Amazon an einer Serien-Adaption des 2011er Film-Hits „Hanna“ mitwirken soll.

Durch die Körperwechselfähigkeiten und die gerademal angerissene dystopische Welt (oder besser: Universum), sind ja eigentlich Türen und Tore offen für eine Anthologie, was mich sehr freuen würde. Die Handlung der Staffel 1-Geschichte ist bis auf den kleinen „Prinzessinnen“-Task, der am Ende offen gelassen wird, ja recht kompakt abgeschlossen. Den Weg kann dann aber theoretisch auch Will Yun Lee wieder einnehmen. Oder wer ganz Neues. Fraglich bleibt natürlich, ob die enormen Produktionskosten eine zweite Staffel ermöglichen. Bei dem einst gefeierten „Sense8“ hatten Kritiken, Fans und das originelle Setting am Ende ja auch nicht über fehlende Wirtschaftlichkeit hinwegtäuschen können (bzw. am Ende nur bedingt). Immerhin gibt es aber bereits Roman-Futter, denn Autor Richard K. Morgan hat mit „Broken Angels“ und „Woken Furies“ bereits zwei Sequels veröffentlicht.

Bilder: Netflix

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