Nichts besteht für immer. Die Sterne, die Bäume, die Tiere, die Menschen, selbst die Götter. Alles wird eines Tages untergehen. Der Wolf wird kommen und die Welt wird brennen. Der Wolf wird den Mond verschlingen, die Sonne verschlingen, wird alles verschlingen, alles, was je gewesen ist. Aber das ist nichts, wovor ihr euch fürchten müsst. Alles, was beginnt, muss irgendwann enden.
Das klingt irgendwie realitätsfremd, gar barbarisch? Richtig! Die titelgebenden Barbaren nutzten solche und andere Weisheiten, um ihr Überleben zu sichern, Legenden zu schaffen und ihren Glauben an zahlreiche Götter zu verfestigen. Ich hatte beim Begriff „Barbaren“ immer noch Conan, den Barbar im Kopf, in den 1980er Jahren verkörpert durch Film- und Bodybuilding-Legende Arnold Schwarzenegger. Hier wird uns aber eine sechsteilige Serie vorgesetzt, die uns Germanen zum Gegenstand hat und zeigt, wie die legendäre Varus-Schlacht im Teutoburger Wald ihren Ursprung nahm, was letztlich in der Befreiung des damaligen Germaniens mündete. Die ganze Geschichte stellt mehrere Protagonisten in den Vordergrund. Als da wären: Folkwin Wolfspeer, Thusnelda, Segimer, Reik der Cherusker, Segestes, der aufbegehrende Möchtegern-Reik, Arminius (Ari) und schließlich der römische Statthalter Varus.
Beginnen wir mit Folkwin Wolfspeer. Dieser hat seinen Namen aus der Begegnung mit einem Wolf in Kindertagen, den seine beiden Freunde, Ari und Thusnelda mit einem Speer erlegen konnten. Die bei dieser Gelegenheit als Trophäe erbeuteten und jahrzehntelang sicher verwahrten drei Wolfszähne an Ketten spielen im Verlauf dieser Erzählung noch eine gewichtige Rolle. Was lässt sich noch über Folkwin sagen? Laut Drehbuch ist er wohl ein Held, kämpft wacker für die seinen, liebt Thusnelda und ist ein wirklich cooler Kerl. Für mich blieb er leider ein farbloser Charakter, seine Sprechweise ließ im Übrigen auch zu wünschen übrig. Ja, er sieht gut aus, wirkt auf den ersten Blick cool, aber irgendwie ist alles zu sehr gewollt: zu cool, zu abgebrüht, zu rücksichtslos. Teils wurde wohl darauf gedrängt, mit zusammengebissenen Zähnen zu sprechen, was irgendwie männlicher, härter, cooler klingen soll. Heraus kamen dabei Dialoge wie „Lenk die Wachen ab“, die sich anhörten wie „Leck die Wachen ab“. Unfreiwilliger Humor, immerhin, Falkwin darf das, anders als der Großteil der hier vorgestellten Protagonisten ist er ein rein fiktiver, hinzugefügter Charakter. Ach, habe ich schon erwähnt, dass er immer so richtig cool ist? Okay, weiter im Text. Thusnelda ist die nächste im Bunde.
„Ich wusste immer, dass du eines Tages zurückkommen würdest. Aber ich hatte keine Ahnung, was für ein Arschloch du sein würdest.“ (Thusnelda zu Arminius)
Sie ist die hübsch geratene und gut gewachsene Tochter des Segestes und hätte laut Papas Plänen mit einem weiteren Stammesfürsten verheiratet werden sollen. Wie dereinst üblich, sollte dies natürlich gegen Entgelt erfolgen: Hier waren immerhin fünf Pferde geboten. Thusnelda ist eine wirklich ‚toughe Bitch‘ im wahrsten Sinne des Wortes und die Geliebte des nun schon etwas besser bekannten Folkwin. Sie sieht gut aus, keine Frage, hat keinen Respekt, weder vor Tod noch Teufel, Mutter oder Vater, was sich im Verlauf der Serie noch des Öfteren zeigen wird. Leider brüllt sie fast nur herum, bis sich fast ihre Stimme überschlägt, was der gewollt düsteren, bewusst ernsten Stimmung der Serie nicht zugutekommt. Ich finde, sie hätte besser in den Cast von GZSZ gepasst. Sicher macht sie auch als, später kriegsbemalte, Barbarin optisch sehr wohl etwas her, aber, dabei bleibt es leider auch. Sympathie für sie und ihre Rolle kam zumindest bei mir nicht auf – im Gegenteil: schon im Laufe der ersten Folge ging sie mir tierisch auf die Nerven, was sich im Laufe der Serie nur noch verschlimmerte.
Segimer, der anfangs noch unstrittige Reik (Häuptling) des Stammes der Cherusker, sieht zumindest optisch auch nach einem Barbaren aus. Groß, kräftig, mit eindrucksvollem Vollbart und lautstarkem Organ versehen, behält er strikt seinen Kurs bei: Friede mit den Römern, um fast jeden Preis. Dieser Friede hatte ihm vor etlichen Jahren schon seine beiden Söhne gekostet, ja, genau. Einer davon ist der wieder heimgekehrte Arminius, in Stammeskreisen Ari genannt. Der von Segimer eingeschlagene und beibehaltene „Kuschelkurs“ mit den römischen Besatzern bringt oft Unfrieden innerhalb des Stammes, unschwer vorstellbar. Segimer wird keine allzu gewichtige Rolle im Drama zugewiesen, der Plot lässt ihn daher in einer Nacht- und Nebel-Aktion verschwinden und sein Schwert, das Schwert des Reik, hinterlassen. Klar, Varus hatte hier seine Hände mit im Spiel, wie genau das ablief, soll aber aufgrund Spoilergefahr nicht verraten werden.
Kommen wir nun zu Segestes, einer wahrhaft zwielichtigen Gestalt. Optisch betrachtet hatte ich diesen für mich stets als Bilanzbuchhalter oder Provinz-Anwalt bezeichnet, er passt eben in meinen Augen wesentlich besser in ein abgetragenes Tweed-/Cord-Jackett als in diese Barbaren-Lumpen, die sein Serien-Outfit darstellen sollen. Ungeachtet der Optik ist er ein echter Unsympath, lügt, betrügt, verkauft seine Tochter Thusnelda an den Meistbietenden, verrät ebenso jedweden Reik, dem man ihn vor die Nase setzt. Segestes versucht, immer auf der Seite des jeweiligen Gewinners zu stehen und dank seiner Fähigkeit auch Latein zu sprechen und mit seinem Wortschatz auch noch gut umzugehen, manövriert er sich aus jeder noch so verzwickten Situation heraus. Ein echter Wendehals sozusagen. In der Neuzeit wäre er sicherlich ein vortrefflicher Politiker!
Arminius, Ari genannt, der eine wirkliche Schlüsselrolle spielt, ist tatsächlich der einzige Charakter, der mich etwas interessiert hat. Er verkörperte den Römer-Zögling, der sich nach und nach wieder seiner Geburt und demnach der „Barbaren“-Herkunft entsinnt, glaubhaft. Man nimmt ihm die gezeigten Emotionen ab, sei es die Freude bei der Rückkehr zu seinem Vater, seine Spielkameraden aus Kindertagen wieder zu treffen oder auch die Enttäuschung, als ihm Varus später eröffnet, welche Rolle er ihm zugedacht hat und wie schnell seine Karriere als römischer Emporkömmling endet. Aris Zerissenheit, davon herrührend, welcher Seite er nun zugehörig sein soll und auf welcher er somit kämpfen soll, erscheint nachvollziehbar. Hat er doch die Verbindung zum römischen Kaiserreich, wo er die meiste Zeit seines Lebens verbracht hat, aber andererseits brachte ihm die Rückkehr in das Dorf seiner Geburt, das Wiedersehen mit seinem Vater, seinen Kindheitsfreunden, die sich alle zum Kampfe gegen eben dieses damalige Weltreich entschieden haben, diese innere Unruhe. Er weiß nicht, wohin er gehört, seine Entscheidungen reichen weit, bis hinein in die Zukunft der Germanen.
„Wofür wir auch immer kämpfen, den Preis dafür bezahlen wir in Blut“. (Ari)
Varus ist der Letzte im Bunde derjenigen, die ich etwas ausführlicher beschreiben möchte. Varus wirkt optisch wie ein echter Römer, füllt die Rolle des Statthalters aus und ist ebenfalls optisch gut geeignet für das ihm zugewiesene, hohe Amt. Vor etlichen Jahren hatte er als Friedenspfand einigen germanischen Fürsten, unter anderem auch Segimer, die Söhne genommen. Ari war darunter, den er ursprünglich wie einen eigenen Sohn großgezogen, ihm römische Werte, Benehmen, Moral, aber auch Strategie und Kampfkunst gelehrt hat. Groß ist also auch die Freude, als er Ari in vollem Ornat mit kunstvoll gestaltetem Kampfhelm wieder in seinen Reihen begrüßen darf. Allerdings spielt auch Varus wohl ein falsches Spiel, hat er doch Ari stets als Wunschkandidat für den Reik der Cherusker gesehen, nicht als ruhmreichen Feldherrn, der römische Legionen in großartigen Schlachten zum Siege führen soll.
„Ich liebe den Verrat, aber ich hasse den Verräter.“
(ein Julius Cäsar Zitat, vorgetragen von Varus)
Alles in allem konnte mich die auf nur sechs relativ kurze Episoden angelegte Serie gut unterhalten, allerdings handelt es sich in meinen Augen keinesfalls um ein Meisterwerk, welches auf Augenhöhe mit Vorbildern wie „Game of Thrones“ oder auch „Vikings“ stehen möchte. Ich vergebe daher:
Nachdem ich kein Historiker bin, gehe ich auch nicht auf mögliche, historische Fehler der Story ein, das steht mir auch nicht zu. Ich gebe nur meine persönliche Meinung wieder. Sicherlich gab es anfangs so einige Längen, was allerdings wieder wettgemacht wurde, als es in Folge 5 extrem zügig Richtung großer Schlacht ging. Man hatte eben nur sechs Folgen lang Zeit, Charaktere einzuführen, aufzubauen, Storyline einzubinden und letztlich auch das Finale einzuläuten. Wir sehen die historisch belegte Schlacht und entsprechend die Story aus den Augen der Germanen dargeboten. Die Römer sprechen Latein, was mit Untertiteln verständlich übersetzt wird, die Germanen aber ein, meist akzentfreies, aber trotzdem flapsiges Deutsch, was nicht wirklich auf literarisch hohem Niveau dargeboten wird. Ich hätte mir bei Barbaren aus der Zeit vor Christus eine harte, abgehackte, wortarme, „brutale“ Sprache vorgestellt, keinen „Schulhof-Slang“ mit derbsten Schimpfwörtern. Dazu lässt die schauspielerische Leistung der meisten Darsteller sehr zu wünschen übrig. Wie gesagt, ich hatte ja schon bei Thusnelda eher an GZSZ gedacht. Ebenso verhält es sich mit dem Rest der Barbaren. Alle wollen zu hart und zu wichtig wirken, um irgendwie glaubwürdig zu erscheinen. Die Dialoge wirken häufig hölzern, auswendig gelernt und „überschauspielert“.
Es gibt jedoch auch Lichtblicke: Die gut choreographierten Actionsequenzen, allem voran die finale Schlacht, bieten wenig Anlass zur Kritik. Sicherlich sollte man nicht mit opulentem Schlachtgetümmel à la Braveheart vergleichen, was dann gezeigt wird, passt aber. Köpfe werden abgeschlagen, ob mit Axt oder Schwert, auch mal auf Pfähle gesteckt und stolz präsentiert, Hälse durchgeschnitten, Blut spritzt dort, wo es sich gehört und auch in entsprechender, teils wohl auch abgemessener Menge. In Sachen Brutalität und Blutvergießen kann „Barbaren“ keineswegs an „Vikings“ anknüpfen, sollte das jemals gewünscht worden sein. Die Optik der Serie ist allgemein sehr düster gehalten, wenn überhaupt, dann blitzt die Sonne nur anhand weniger, scheinbar genau abgezählter Strahlen durch den tristen Dauernebel, der dauerhaft diese Serienversion des Teutoburger Walds umlagert. Die Kostüme, allen voran die sehr gut ausgearbeiteten Rüstungen der Römer, geben für mich keinen Anlass zur Kritik, sondern ich finde diese sehr gelungen.
Was mich aber ein wenig gestört hat, sind die vermutlich nur zufälligen Ähnlichkeiten zum eingangs erwähnten Blockbuster „Game of Thrones“. Dort gab es ja Bran, den dank eines Sturzes verkrüppelten Stark-Erben, der Visionen und übernatürliche Kräfte erlangt (er kann in den Geist von Tieren eindringen und diese nach seinem Willen steuern). Hier gibt es den kleinen Ansgar, Bruder von Thusnelda, der von einem römischen Legionär mit dem Schwertknauf zum Krüppel geschlagen wird und daraufhin anscheinend geistig behindert bleibt. Hier und da gibt es Sequenzen, die Ansgar etwas aus der Zukunft „sehen“ oder diesen in Höhlen irgendwelche Schmierereien an den Wänden durchführen lassen. Thusnelda selbst könnte man auch teilweise als Kopie von Sansa Stark ansehen, diese hat aber während ihrer Rolle ganz andere Torturen durchzustehen als die ab und an eher wie ein verwöhntes Gör wirkende Thusnelda.
Die Dialoge (der Germanen) sind etwas simpel gehalten, nach dem Motto: Wer am lautesten brüllt, hat Recht!“ Spätestens hier meint man, in einer drittklassigen Doku-Soap angelangt zu sein. Dafür verwenden sie zumindest eindringliche, verständliche Worte:
„Der versoffene Alderich von den Mersern, diese Hurenböcke von den Hatti. Und du als Anführer?! Ich traue keinem von euch verlausten Schweinebesteigern“
(Rorick zu Ari als dieser die Stämme vereinen möchte)
Bildet euch am besten selbst eine Meinung und schaltet ein!
Bilder: Netflix
Also ich fand die Serie gut. Hat Spaß gemacht und zurecht auf Platz 1. Für eine deutsche Produktion wurde richtig was her gemacht. Hier wurde geklotzt, nicht gekleckert. Das ganze Set, die Kleidung, alles sehr authentisch. Man konnte sehen das Netflix ordentlich Geld rein gesteckt hat.
Meiner Meinung nach mussten die Protagonisten sich ihrer Rolle verbal fügen, da man nicht vergessen sollte das die Serie in mehreren Sprachen übersetzt wird. Wäre ja eine Möglichkeit ☺️
Und, naja, Thusnelda fand ich auch bei ihrem Plädoyer etwas überdreht, aber gegen so eine Männerhorde hat man es halt nicht so leicht. 😊
Nur schade das man bei deiner Kritik merkt, das dir der Film gar nicht gefallen hat, am liebsten nicht weiterempfehlen würdest und es als weggeworfene Zeit empfindest.
Da du für niemanden eine Lanze gebrochen hast, hoffe ich das du dir die zweite Staffel, sollte es eine geben, nicht antun musst.
Aber das ist ja auch nur meine Meinung 😉
Viele Grüße
Dieter
Hallo Dieter,
vielen Dank für deine Meinung. Mir hat die Serie im Übrigen nicht gar nicht gefallen, sondern eben nur nicht so gut, wie ich mir das ursprünglich vorgestellt hatte. Einer zweiten Staffel gebe ich gerne eine Chance und würde dann natürlich meine Bewertung entsprechend anpassen.😁
Hey Chris…
Ich freue mich auf eine zweite Staffel…
Und dann auf eine richtige gute Diskussion 😊👍🏻
Aber Dein Review von „Ratched“ ist erstmalig.
Weil einfach klasse…
Nicht nur für Fans dieses Genres 😊
Hey Dieter, danke für das Lob!
Nachdem, zwischen den Zeilen gelesen, tatsächlich vielleicht eine Chance auf Staffel 2 der „Barbaren“ besteht, freue ich mich natürlich auf argumentativen Austausch mit dir. Bis dahin hab viel Spaß mit anderen Serien, ich z.B. bin derzeit sehr gespannt auf „Hausen“!
Mir hat es gut gefallen. Ich muss dazu sagen, dass wir in Lippe wohnen, sozusagen auf historischem Boden. Das Hermannsdenkmal ist hier omnipräsent, jedes Kind kennt hier die Bedeutung der Person auf dem Denkmal.
Ich war sehr gespannt auf die Serie und war anfangs sehr enttäuscht von der Darstellung des Arminius. So nach und nach fand ich die Figur immer spannender, eigentlich war er am Ende der Einzige, dessen Schicksal mich wirklich interessiert hat. Insofern , wer sich für Geschichte interessiert, hat Spaß beim Gucken. Ich kann es weiterempfehlen!
Sie sprechen mir aus der Seele.
Wirklich schade, in der Serie steckt eigentlich so viel Potential. Aber die schauspielerische Leistung von den meisten Protagonisten war wirklich mies. Als ich das erste Mal den fiepsigen Ton von Tusnelda gehört habe, war es vorbei.
Wirklich eine schöne Frau, aber als ernstzunehmende Schauspielerin in einer so teuer produzierten Serie? völlig fehl am Platz. RTL Soap Niveau habe ich gedacht.
Dankeschön für das Lob!😉
Luft nach oben ist vorhanden, vielleicht wird unser „Flehen“ erhört.
Bin ich der einzige dem varus ein bisschen leid tat?
Nein. Ganz ehrlich: mir auch 😁
Ich finde, thusnelda ist die beste und jeanne goursaud die perfekte Besetzung!
Das freut mich.
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