Letzte Woche habe ich noch gefragt, was denn wohl in den nächsten vier Folgen bei „Morgen hör ich auf“ noch alles passieren kann, wenn die erste Folge schon so vollgepackt war? Jochen Lehmanns Unternehmen kurz vor der Insolvenz, die Frau in eine Affäre verwickelt, Gelddrucken als Ausweg gefunden, wenig später aber auch schon aufgeflogen – ziemlich viel für einen Auftakt. Als am Ende dann die Polizei vor der Tür stand, hätte man auch sagen können – okay, das war’s, Lehmann ist geschnappt, es ist vorbei. Ist es aber wohl noch lange nicht.
Die Beamten standen nämlich vor der Tür wegen Jochens Sohn Vincent. Der hatte ja nicht nur den Mofa-Unfall, sondern den fahrbaren Untersatz gleich auch noch geklaut. „Ich hab’s mir geliehen, aber vergessen, zu fragen, ob ich’s mir leihen kann“, lautet seine clevere Ausrede. Be dem Unfall hatte er ja nicht nur das Auto von Andreas Gerlach beschädigt, sondern auch dessen Zaun. Den wollte Vincent wieder reparieren, doch als er zur Arbeit erscheint, ist der Zaun bereits fertig. Gerlach hat es sich anders überlegt – er hat den Zaun von einem Fachmann reparieren lassen und zwingt Vincent, die Summe im Haushalt abzuarbeiten – die thailändische Putzfrau sei im Urlaub.
Die Szenen in Gerlachs Wohnung gehören für mich zu den großen Highlights der zweiten Folge. Hier schafft Martin Eigler eine ganz eigene, abgedrehte Szenerie innerhalb der sowieso schon verkorksten Welt der Lehmanns. Der piefige Mann aus der Nachbarschaft, schön mit Eigenheim, Zaun und VW davor, der erst verständnisvoll tut, weil er ja schon früher mit Jochens Schwiegervater an der Druckmaschine stand, dann aber nur noch droht und erpresst, um seinen Willen durchzusetzen. Sein mit 80er Jahre Charme dekoriertes Heim, mit kleinem Hund dabei, im Schlabberlook unterwegs, die Bier- und Whiskey-Flaschen auf dem Tisch, und Vincent mit dem Staubwedel dazwischen – großartig. Dazu die Altherren-Weisheiten, die er zum besten gibt, derweil er Vincent antreibt, und zur Krönung das Che Guevara-Bild an der Wand:
Es gibt Männer, die lecken, und Männer, die werden geleckt. Der Mann wurde geleckt.
Nicht weniger skurril die Situation bei den Lehmanns Zuhause: Damir taucht überraschend wieder auf – er hat den Unfall also überlebt. Unklar ist allerdings, wie er die Lehmanns aufgespürt hat – eine kleine Schwäche der Inszenierung. Damir nistet sich bei Lehmanns ein und mischt die Familie gehörig auf. Mit der jüngsten Tochter Nadine freundet er sich gleich an, unterschreibt den Elternbrief, in dem steht, dass Nadine eine Mitschülerin seit Wochen terrorisiert (auch eine großartige Szene, wie Nadine ihre Mitschülerin an der Leine führt und ihr Hundekommandos à la ‚Sitz‘, ‚Platz‘ und ‚Bleib‘ gibt). Natürlich meldet sich die Lehrerin später und bittet um ein Elterngespräch. „Die Lehrerin sagt, Du wüsstest davon“, sagt Julia zu ihrem Mann, er hätte ja schließlich unterschrieben. Als sie herausfinden, dass der Brief mit „Jockl Lehmann“ unterschrieben ist, wird ihnen klar, dass sich Damir eingemischt hat.
Der sagt nämlich in seinem Wiener Charme immer Jockl zu Jochen, und behandelt ihn wie einen alten Kumpel. Georg Friedrich spielt’s einfach wieder großartig – er war schon das schauspielerische Highlight der ersten Folge für mich. Er spielt sich mit einer Lockerheit durch die Folge, dass es einfach Spaß macht, da zuzuschauen. Damir gibt sich als Verbündeter der Kinder, fragt nach, wo er helfen kann, benutzt ungeniert die Zahnbürsten der Familie, ist einfach mittendrin. Mit seiner Wiener Aussprache fügt er der Szenerie noch eine weitere schräge Facette hinzu. Jochens Kindern gegenüber gibt er sich als alter Freund von Jockl aus, und spielt dabei durchaus geschickt auf Jochens Flucht aus der ersten Folge an:
Weißt Du noch, Jockl, wie wir damals den alten Kiosk mit einem Feuerlöscher zerlegt haben?
Über allem schwebt natürlich weiterhin das Geldproblem. Jochen beginnt, das Falschgeld zu verbrennen, doch als auch sein Handy gesperrt wird, löscht er schnell alles und deponiert das Geld in der Druckerei. Der Moment, als Jochen nachts irgendwo im Wald am Geld-Lagerfeuer steht und die kokelnden Scheine um ihn herum fliegen, ist das großartigste Bild der Folge. Schön ist in der Folge auch gemacht, wie das Falschgeld immer mehr Menschen mit in den Strudel reißt. Julia verurteilt zwar Jochens Vorgehen, gönnt sich von dem Geld allerdings eine Wellness-Behandlung. Dem Bankdirektor Werner Tauchert jubelt Jochen das Falschgeld als Schwarzgeld unter, legitimiert also quasi das eine Verbrechen mit einem anderen. Als Tauchert das Geld prüft, steigt ihm der Brandgeruch in die Nase. Er habe es verbrennen wollen, weil er keinen Ausweg wusste, gibt Jochen an. Doch Tauchert ist schon angefixt, scharf auf das Schwarzgeld und spottet:
Jochen – das ist schönes echtes Geld – das wäre ja Mord.
Insgesamt eine sehr unterhaltsame Folge auf hohem dramaturgischen Niveau, und meiner Meinung nach eine deutliche Steigerung gegenüber der ersten Folge. Das liegt zum einen an der dichteren Handlung, aber auch an den vielen obskuren Handlungsschauplätzen in der Folge: Gerlachs Eigenheim, Nadines Hund-und-Frauchen-Spiel, und natürlich Damirs Aufenthalt bei den Lehmanns – alles ist großartig angelegt. Und die Folge lebt natürlich von der tollen Leistung von Georg Friedrich als Damir und André Jung als Gerlach. Eine Frage aus dem letzten Review zu Folge 1 bleibt allerdings gültig: Was soll denn noch alles passieren?
Die Folge ist am 9. Januar 2016 ab 20.15 Uhr in der ZDF Mediathek zu sehen und ab 21.45 Uhr im ZDF.
Und das Ende hat auch reingehauen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Er macht sich damit ja nur mehr Probleme und alles noch komplizierter. Ich hoffe sie kommen in den verbleibenden Folgen aus dem ganzen Wirrwarr vernünftig wieder raus. :)
Ich bin auch recht zufrieden mit dem Verlauf, zumal das Timing deutlich besser stimmt. Wieso allerdings Madame Mutter derart schnell der „Versuchung“ erliegt, obwohl sie vorher noch die ach so moralische Gegenstimme war, wirkt etwas seltsam…
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