Nach dem viele Fragen aufwerfenden Auftakt zur vierten Staffel von „Westworld“ macht die Serie direkt weiter mit dem Legen einer Grundlage für die weitere Staffel. Dieses Mal jedoch mit nochmal mehr Tempo, was vor allem in den sehr intensiven ersten zehn Minuten zu spüren ist, in denen unter anderem ein William-Host einem alten Clementine-Host, der Maeve noch zugetan war, einen kompromisslosen Besuch abstattet.
„Even if I knew, I‘d see you in hell before I told you!“ – „Happy to oblige.“ (Clementine & William-Host)
Einige Szenen später bekommen wir den Clementine-Host im Delos-Hauptquartier zu sehen. William respektive Hale dürften sie umprogrammiert und zusammengeflickt haben, um den Host selbst einsetzen zu können. Dabei haben die Szenen mit ihr großen Spaß bereitet.
„I‘m here backed by the full power of the United States government!“ – „Yes, but do you have an appointment?“ (Deputy Assistent & Clementine-Host)
Als der Vizepräsident der Vereinigten Staaten zu William auf den Golfplatz kommt, wird Clementine als effektiver Bodyguard etabliert. Angela Sarafyan hat den Clementine-Host vor allem hier hervorragend gespielt, auch wenn mir einzelne Bewegungen schon fast zu roboterhaft rüber kamen, sind die Hosts doch eigentlich deutlich flüssiger unterwegs.
„I’ve always wondered: Why do they call you the Secret Service? Aren‘t you a little… obvious?“ (Clementine-Host)
Allgemein dürfte die Golfplatz-Szene nicht nur die beste dieser Episode sondern auch der letzten Staffeln gewesen sein. Die sich zuschnürende Enge in dieser Szene wird nicht nur durch den intensiver werdenden Soundtrack spürbar, sondern quasi von Schlag zu Schlag sichtbar. Während der William-Host problemlos ein Hole-in-One nach dem anderen schlägt, verliert Vize Chuck nach und nach an Selbstbewusstsein und das Machtgefüge verrückt zunehmend. Das war einfach großartig mit anzuschauen, natürlich auch mal wieder durch Ed Harris, dessen Spiel man einfach wöchentlich lobend erwähnen kann.
Wie weit die Pläne Hales reichen, wird in einer typischen „Böse Figur erzählt das eigene Vorhaben“-Szene ausgeführt. Als eigentlich gar nicht so unpassender Großvater-Bond sieht sich der noch lebende echte William in einer Apparatur eingespannt, die dem Host-„Spinnrad“ entspricht, das in früheren Folgen und dem Intro der Serie vorgekommen ist. Der Moment, in dem William auf seinen Host trifft, hätte in meinen Augen noch mehr zelebriert werden können, hat aber auch so seine Wirkung nicht verfehlt. Hale will nicht plump etliche Kopien ihrer selbst verteilen, sondern „ihre „Art“ wachsen lassen, wobei sichergestellt wird, dass die Menschheit nicht im Weg steht. Wie in Folge Eins der Staffel bereits gezeigt, sind Fliegen ein zentraler Bestandteil dieser „Umprogrammierung“. In der Auto-Szene wird dabei wunderbar die einstige Szene mit Dolores und der Fliege auf dem Auge referenziert, dazu haben wir noch wunderbar die Worte „deep and dreamless slumber“ rezitiert bekommen. Bei vielen der Parallelen zur ersten Staffel der Serie, die wir diese Folge zu sehen und hören bekommen, handelt es sich aber nicht einfach nur um nette Referenzen, oftmals kommen diese gekonnt in ausgetauschter Rolle zum Einsatz. Als hätten wir einen neuen Loop, in dem die Hosts die sind, die die Kontrolle über die Menschen haben, und diese das auch auf sarkastische Weise wissen lassen wollen.
„I have plans for a new kind.“ (Hale)“
Bei unserer Christina-Dolores herrscht dagegen weiterhin unsichere Verwirrtheit. Zum einen, weil die unschöne moderne Arbeitswelt einen einfach mal ortet, wenn man krank ist (pfui!), zum anderen, weil sie ein altes Schild in einer stillgelegten Psychiatrie gefunden hat, auf dem „Peter Myers Memorial Wing“ steht. Mit diesem Erzählstrang habe ich meine größten Probleme, da das Pacing nicht immer nahtlos in die anderen Plots eingefügt werden kann, und doch bin ich hier am meisten fasziniert, bietet die Story am meisten Potenzial, was Twists und Ebenen anbelangt. Irgendwas ist hier faul, das spüren wir Zuschauer:innen wunderbar parallel zu Christina selbst. Ist etwa nicht nur ihr Bewusstsein im Host-Körper zurückgesetzt, sondern sie lebt allgemein in einer Simulation, die sie selbst (also Dolores) geschrieben hat?
Vorerst bekommen wir jedenfalls keinen Teddy zu sehen, der eine vermeintliche Antwort auf unsere und Christinas Fragen im Gepäck haben könnte. Dafür aber einige tote Tauben, die von Menschen ignoriert werden und mit Sicherheit zumindest als Analogie eine Rolle spielen werden, sowie mehr zum Tower. Zum einen spricht der uns bereits bekannte Mann auf der Straße von einer Musik, zum anderen findet Christina im „Hope Center“ weitere Zeichnungen vom Gebäude.
Wie Ende der letzten Folge angekündigt fahren Maeve und Caleb zu einem Senator. Neben der Tatsache, dass ich den Moment mit Maeve und der Weinflasche am Steuer für komplett unpassend erachtet (oder schlicht nicht verstanden?) habe, hat mir ihr kleiner Scherz in Richtung Caleb Gedanken gemacht. Sie sagt, sein Kind sei süß und wohl eher das Ergebnis der Gene seiner Frau, nicht von ihm. Nur ein bisschen Blödsinn unter Freunden, oder steckt da mehr hinter?
Zunächst bleibt wenig Zeit, darüber nachzudenken. Das muntere Mensch-Host-Austausch-Spielchen geht nämlich weiter. In Momenten wie diesen, in denen Maeve („spät genug“) herausbekommt, dass die auch für uns vermeintlichen Menschen gar keine sind, machen unter anderem den Reiz aus, den das aktuell undurchschaubare „Westworld“-Setting mit sich bringt. Oder aber eben neue Entwicklungen, wie die „Upgrades“ die dazu führen, dass der gute alte „I said, freeze all motor-functions!!!!“-Spruch erst mit Nachdruck funktioniert. Ein bisschen missfallen hat mir die erste Kampfszene, die in einigen Momenten etwas holprig wirkte. Da hätte man den einen oder anderen Extra-Take einschieben sollen, finde ich.
Wunderbar fand ich dagegen den Moment, in dem ein Host einen Host befragt, wie wir es zu Beginn der Serie bei Dolores und anderen zu sehen bekamen (ja, streng genommen wurde da auch teilweise schon durch einen Host gefragt, ich weiß…). Auch die Ersatz-Szene des Paares durch die Hosts hat mir gut gefallen. Auch hier gab es mit dem „strangest dream“ eine schöne Referenz zum Serienbeginn. Die Erinnerungen des Senators geben frei, dass bereits 249 andere New World Order Hosts bestehen und Hale eine Art „Livestock“ führt. Unter anderem darin war auch Senatoren-Frau Anastacia enthalten, die benommen wirkend ihre eigenen Pferde ausgenommen hat und zwischendrin aber nicht mehr genau weiß, was Sache ist. Mit dabei sind mal wieder Fliegen, eine gesummte Melodie – die Musik des Towers? Wohl eher nur ein Mittel, um ihre Desillusioniertheit darzustellen – sowie sehr schwarzes, dickflüssiges Blut. Ach ja, und eine Einladung…
„Oh, it‘s actually worse than I thought.“ (Maeve)
Die exklusive Party UNTER dem Operntheater ist nicht ganz das, was man erwarten konnte. Parallel zur physischen Bewegung der Figuren birgt diese Entwicklung etliche Ebenen, die unsere Erwartungen jedes Mal aufs Neue zu überraschen wissen.
Dabei wissen Thandiwe Newton und Aaron Paul mit einer erstaunlich guten Buddy-Dynamik zu überzeugen. Diese Chemie zwischen den Figuren scheint aber auch auf einer größer geteilten Vergangenheit zu beruhen, als wir zunächst wussten. Nahm ich in Folge Eins noch an, Maeves Erinnerung mit einem verblutenden Caleb wäre ggf. eine Zukunftsvision, so wird diese jetzt als gegebene Vergangenheit dargestellt. Ganz kurz wird „die Leuchtturm-Sache“ angesprochen. Das würde auch passen, da Caleb dort noch seine alte Frisur getragen hat. Fragt sich nur, ob er damals stark verwundet überlebt hat oder Maeve ihn etwa durch einen Host ersetzt hat und deshalb seine Gene nicht in seiner Tochter stecken können?
Den ganz großen Moment hebt sich „Westworld“ aber für den Schluss auf. Die Untergrund-Bar befindet sich nämlich in einem Zug, der mit Vollgas Richtung Nostalgie fährt. Der Host, der in der ersten Staffel Clementine im Bordell ersetzt hatte, wurde zur Anreise-Dame „befördert“ und darf wie in Folge Eins der Serie bei der Ankleide (und auf Wunsch mehr) behilflich sein. Hier gibt es etliche Parallelen zur ersten Staffel zu sehen, getoppt von der abschließenden Hut-Auswahl, die Caleb dankend ablehnt, was eine Kennzeichnung der Figur darstellt, die weder als rein gute (Weiß) noch als rein böse (schwarz) zu sehen ist.
“I ran away, crossed the shining sea, and when I finally set foot back on solid ground, all I found was the same old shit.“ (Maeve)
Und dann sehen wir eine Host-Version Williams, die wie Ford in Staffel Eins zur großen Park-Eröffnung ansetzt. Yep, „Westworld“ ist wieder zu Gast in einem Park. Dieses Mal geht es in die Zwanziger Jahre – also, vor einem Jahrhundert. Ich bin mir sicher, dass das ein ganz neues Abenteuer wird und nicht im Ansatz wie in den ersten beiden Staffeln dargestellt wird. Aber eine nette Komponente dürfte so ein neuer Delos-Park schon mit sich bringen können.
„Welcome to the golden age!“ (William-Host)
Inhaltlich empfand ich die Folge etwas schlechter weniger gut als den Auftakt. Dafür gab es aber extrem viele gelungene Referenzen zur ersten Staffel UND einen neuen Park für uns! Und da war sie dann wieder, diese „Westworld“-Atmosphäre, dieses ganz besondere Gefühl beim Zuschauen. Das wurde auch durch die besonders schönen Aufnahmen unterstützt, die allgemein viel in dieser Folge zu sehen waren. Und so schafft es die Folge insgesamt dann vielleicht gar die erste Folge zu überstrahlen. Ein paar wenige Fragen wurden minimal beantwortet, dafür weitere aufgeworfen. Insgesamt handelt es sich auch bei Folge Zwei noch um Grundlagen-Arbeit. Die ist aber deutlich feinfühliger gestaltet worden als in der vorherigen Folge. Die Fan-Theorien dürften jedenfalls noch mehr in Schwung gebracht worden sein mit dieser Episode. Vor allem auch, weil man sich eben nicht mehr nur nicht sicher darüber sein kann, WANN etwas zu sehendes gerade spielt, sondern auch WER da gerade spielt. Ein menschliches Original? Ein Host? Eine Host-Kopie? Oder gar ein Mensch, der Fliegen infiltriert bekommen hat, die darauf programmiert sind, die Gedanken zu steuern?
Behind the Scenes
Hier noch das offizielle Behind-the-Scenes-Video zur Folge:
Bilder: HBO
Hallo, ich lese gerne deine Kritik und bin froh das sich Leute gut ausdrücken können. Es ist schön nochmal mitzubekommen was man selber gar nicht so gesehen hat.
Ich finde diese Folge etwas gewagt. Es macht so ein bisßchen den Eindruck als wolle man es allen recht machen. Das „The Man in Black“ noch lebt finde ich super. Das Doloris in Heal nicht alles erschießt auch super. Diese sinnlose oder zugegeben schon sinnvolle aber langweilige Abschlachterei ging einen schon echt auf die Nerven.
Dabei haben doch die Scenen mit Anthony Hobkins in Staffel Eins gezeigt wie unglaublich „Geil“ er mit einem Augenzwinkern alle in Angst und Schrecken versetzt. Man was hab ich gezittert und war so wahnsinnig faziniert. Wo sind diese Scenen. Wo?
Ich muss mich wohl daran gewöhnen das Drohnenfliegen die Gedanken übernehmen „Gähn“. Ganz ehrlich: Ich will Robert Ford zurück. Den „Stell deine Motorig ein“ Spruch hat er einfach besser drauf gehabt. -> Staffel 1 Folge 9 geben Ende, Folge 5 Ende, u.s.w. Das war Westworld. Bisher gab es meiner Ansicht keine Scene wo ich nochmal zurückspulen musste.
Ersteres freut mich zu hören, hab vielen Dank! Und bei Zweiterem können glaube ich alle Fans der Serie zustimmen. Fürchte jedoch, dass die ganz große Magie der ersten Staffel nicht mehr aufkommen können wird. Dafür hat sich zu vieles entwickelt und vor allem ist es zu komplex und schnell geworden. Da fehlt die Zeit für Entwicklungen und das Unvoreingenommene, um entsprechende Wendungen einzubauen. Kann aber ja dennoch gut und schön anzuschauen sein, auch wenn der Charakter sich (leider notgedrungen) verändert hat. :)
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