„Applaus, Applaus – und Vorhang zu.“ Mit emotionalen Worten hat Stephen Colbert das Ende seiner Ära bei CBS eröffnet – nicht hinter der Bühne, sondern mittendrin im grellen Scheinwerferlicht der vielleicht emotionalsten Late-Night-Sendung seit langem. Dass die Ankündigung des Senders, „Late Show with Stephen Colbert“ nach zehn Staffeln einzustellen, einen Aufschrei in der Medienlandschaft verursachen würde, war abzusehen. Was jedoch folgte, war weit mehr als ein mediales Rauschen: eine Welle der Solidarität, der Satire, der spitzen Seitenhiebe – orchestriert von einem Late-Night-Entertainer, der den Abschied zur Inszenierung machte, wie man sie in dieser Form selten gesehen hat. Unterstützt von Talkshow-Legenden, einem bizarren Kiss-Cam-Moment, einer parodistischen Performance von “Weird Al” Yankovic und einem veritablen Kommentar aus dem Weißen Haus.
Es brodelt also mal wieder hinter den Kulissen des amerikanischen Fernsehens: Mit einer Nachricht, die für kollektives Zähneknirschen bei Fans gepflegter Spätnacht-Unterhaltung sorgte, zieht CBS tatsächlich den Stecker bei der „Late Show with Stephen Colbert“ – nur wenige Tage, nachdem die Late Show mal wieder eine Emmy-Nominierung als herausragende Talkserie erhielt. Nach elf Jahren pointiertem Polit-Bashing, bissiger Satire und einer Moderationskunst, die aus meiner Sicht stets das richtige Maß zwischen Feuilleton und Wahnsinn traf, steht fest: Stephen Colbert wird 2026 zum letzten Mal an seinem berühmten Pult im Ed Sullivan Theater Platz nehmen.
Dass der Sender ausgerechnet jetzt und offiziell aus rein finanziellen Gründen die Notbremse zieht, sorgt für gewaltige Wellen in den Kommentarspalten, in den Sozialen Medien – und auf den Bühnen des Late-Night-Universums selbst. Auf der Colbert-Bühne kam es zum kollegialen Schulterschluss, während auf der großen Bühne der amerikanischen Debattenkultur eine legendäre Institution ihr baldiges Aus angedroht bekommt – die Late Night als Format. Und mittendrin: Colbert selbst, der diesen Moment in gewohnt galliger Manier zum größten TV-Event des Monats macht, flankiert von Kollegen, Überraschungsgästen – und einer Performance par excellence von “Weird Al” Yankovic.
Abgesetzt – so kündigte Stephen Colbert die CBS-Entscheidung in seiner Show an
Nach einer überraschenden Mitteilung des US-Senders CBS, wonach Colberts Show zum Ende der aktuellen Staffel nicht verlängert werde, fand sich der Gastgeber sichtlich bewegt vor seinem Publikum ein. In seiner ersten Sendung nach dem Bekanntwerden der Entscheidung sparte Colbert nicht mit Ironie – und noch weniger mit Emotionen. „CBS hat entschieden, dass ich nicht mehr spät, sondern früher schlafen soll“, kommentierte er trocken, während die Studioband ein melancholisch-jazziges Intro spielte. Als Stephen Colbert seinen Zuschauer:innen verkündete, dass “The Late Show” im kommenden Mai eingestellt wird, war die Betroffenheit spürbar. „Bevor wir die heutige Show beginnen, möchte ich Ihnen etwas mitteilen, das ich erst gestern Abend erfahren habe: Nächstes Jahr wird unsere letzte Staffel; CBS wird die Late Show im Mai beenden“, erklärte Colbert mit hörbarer Betroffenheit. Die Reaktion des Publikums war eindeutig: Buhrufe, die Colbert lakonisch kommentierte – „Ja, ich teile Ihre Gefühle.“ Doch er fügte an, dass es nicht nur das Ende seiner Show sei, sondern das gesamte Format bei CBS verschwinde. „Ich werde nicht ersetzt – das hier verschwindet einfach.“
Die Begründung, die CBS ins Feld führt, klingt nüchtern: Die Entscheidung sei „rein finanzieller Natur“, so das offizielle Statement. Trotz guter Einschaltquoten, trotz dem Status als erfolgreichste Late-Night-Show der letzten Jahre – das Format sei schlicht nicht mehr profitabel, und der Werbemarkt für politische Satire fragmentiert wie nie zuvor. Doch viele Medien und auch politische Stimmen – etwa der Senator Adam Schiff oder die Politikerin Elizabeth Warren – zweifeln am offiziellen Wording. „Die Öffentlichkeit verdient eine klare Antwort, wenn politische Beweggründe hinter dem Aus stehen“, kommentierte Schiff auf X. „Amerika hat ein Recht darauf zu erfahren, ob seine Show aus politischen Gründen abgesetzt wurde“, sagte Warren in einer Erklärung.
Der Sender hatte jüngst einen 16-Millionen-Dollar-Vergleich mit Donald Trump akzeptiert, nachdem dieser dem CBS-Magazin „60 Minutes“ eine tendenziöse Interview-Montage vorgeworfen hatte. Ein Zufall? In einer Stellungnahme von CBS gegenüber PEOPLE hieß es, die Absetzung habe „in keiner Weise mit der Aufführung, dem Inhalt oder anderen Angelegenheiten bei Paramount zu tun.“ Schon die „The Late Late Show with James Corden“ wurde eingestellt, unter anderem weil sie laut CNN für CBS kein Geld mehr einbrachte.
Alle Late-Night-Kollegen sind Gast in „der Sendung danach“
So wurde der erste Sendetag nach der Kündigung ein Feuerwerk an Solidarität und Persiflage: Auf der Gästeliste versammelten sich prominente Late-Night-Moderatorenkollegen von Colbert, darunter Jimmy Fallon (von NBCs „The Tonight Show“), Seth Meyers (von NBCs „Late Night“), Jon Stewart (von Comedy Centrals „The Daily Show“) und John Oliver (von HBOs „Last Week Tonight“). Talkshow-Moderator Andy Cohen äußerte sich gegenüber Deadline und sagte: „Ich denke, das ist ein trauriger Tag für das Late-Night-Fernsehen.“ Und Jon Stewart sagte: „Die Tatsache, dass CBS nicht versucht hat, seine seit über drei Jahrzehnten laufende Late-Night-Serie mit den höchsten Einschaltquoten zu retten, ist einer der Gründe, warum sich alle fragen: War das rein finanzieller Natur?“
Die Erereignisse rund um die Show wurden an dem Abend auch musikalisch inszeniert: „Weird Al“ Yankovic und Lin-Manuel Miranda parodierten Coldplays „Viva La Vida“, indem Yankovic den Text auf Colberts Absetzung umschrieb. Der Clou: Im Hintergrund lief ein Videoeinspieler, der auf den jüngst viral gegangenen Moment bei einem Coldplay-Konzert anspielte. Dort waren der CEO der US-Tech-Firma Astronomer, Andy Byron, und seine Personalchefin Kristin Cabot zufällig auf der Kiss-Cam zu sehen. Beim imitierten Stadion-Feeling samt Kamera-Schwenks wurden jetzt die erwähnten Late-Night-Talker eingeblendet, aber auch Adam Sandler und Christopher McDonald sowie Anderson Cooper und Andy Cohen. Die Pointe am Ende: Ein animierter Donald Trump schmust mit dem Paramount-Logo – ein Seitenhieb auf die Senderpolitik und das aktuelle Machtgefüge. Schließlich wurde die Performance von Colbert abgebrochen mit dem Hinweis, dass Yankovic und Miranda aufgefordert würden, ihren Auftritt zu beenden. Es hieß, dieses Canceln sei eine rein „finanzielle“ Entscheidung gewesen, die den Sender bereits „40 bis 50 Millionen Dollar“ gekostet habe.
Stephen Colbert verschwendete keine Zeit, die CBS-Begründung zu zerlegen: „Wie kann das eine ‚rein wirtschaftliche Entscheidung‘ sein, wenn das Format Marktführer in den Quoten ist?“, fragte er provokant in die Runde. Mit gewohntem Sarkasmus nutzt er das Ende als kreative Freiheit: „Jetzt kann ich endlich ungefiltert sagen, was ich über Donald Trump denke: Ich halte nicht viel von ihm.“ Und dann, direkt zur Kamera: „Go f*** yourself!“ – ein Satz, der binnen Minuten viral ging und exakt das ausdrückte, was viele seiner Kolleg:innen und Fans empfanden.
Donald Trump genießt Colberts Aus
Die personifizierte Spitze setzte sich auf Social Media fort: Präsident Donald Trump nutzte die Gelegenheit, Colberts Aus genüsslich zu feiern: „I absolutely love that Colbert’ got fired. His talent was even less than his ratings.“ Colberts Antwort kam prompt in der Sendung: „It’s touching to know the President watches me more than his briefings.“ Dazu äußerte Trump weitere Spitzen gegen andere Late-Night-Größen und sortierte schonmal für sich, wer die nächsten Talker sein werden, die gehen müssten: “I hear Jimmy Kimmel is next. Has even less talent than Colbert!” – ein unwürdiges Gehabe, wie ich finde, rein menschlich sowieso, für einen US-Präsidenten aber allemal.
Colbert konterte live in der Sendung und betonte: „Über das Wochenende ist mir klargeworden, dass sie die Show abschaffen, aber den großen Fehler gemacht haben, mich am Leben zu lassen“ – und kündigte eine schonungslose Restlaufzeit an. Zehn Monate „unfiltered Colbert“ seien ihm garantiert, „und keiner nimmt mir diesen Moment jetzt mehr weg“.
Die Welle solidarischer Reaktionen in der Late-Night-Community war beeindruckend: Jimmy Kimmel schrieb bei Instagram schlicht „Love you Stephen. F*** you… CBS.“, während Jon Stewart live im TV in Richtung CBS polterte: „Wenn ihr glaubt, dass ihr euch durch Inhaltslosigkeit vor Trumps Zorn schützen könnt, dann seid ihr verdammt schief gewickelt.“
Colberts Vorgänger David Letterman äußert sich
Und auch David Letterman, dessen Nachfolge Colbert 2015 antrat, meldete sich – subtil, aber vielsagend. Der 78-Jährige teilte auf YouTube eine Videomontage, in der er CBS während seiner über 20-jährigen Tätigkeit als Moderator der „Late Show“ (von 1993 bis 2015) scharf kritisiert. Die Clips stammen alle aus Lettermans „The Late Show“ -Folgen und enthalten laut der Videobeschreibung Momente aus den Sendungen von 1994, 2003, 2004, 2007, 2010, 2011, 2012 und 2013. Mit dem Satz „You can’t spell CBS without BS“ kommentierte Letterman trocken das Ende seiner einstigen Sendung und den Umgang des Senders mit seiner Geschichte. Dieser Satz tauchte jetzt wiederholt auf.
Groß war wie gesagt auch das Medienecho bis heute: Megan McArdle hat für die Washington Post diagnostiziert: „Der Verlust von Stephen Colberts ‚Late Show‘ ist ein weiterer Beleg dafür, wie tief gespalten Amerikas öffentliches Leben ist.“ Die New York Times schrieb in einem Kommentar von James Poniewozik: „Colbert’s cancellation is not the end of an era. It’s the end of a resistance.“
Die Meinungen variieren zwischen wirtschaftlicher Erklärung, politischem Kuschen und strukturellem Bedeutungsverlust des klassischen Fernsehens. Doch im Originalton der Kollegen und Fans schwingt viel mehr: Enttäuschung, Wut, aber auch eine Anerkennung für einen Moderator, der in den letzten Jahren Amerikas Fernsehlandschaft prägte. Die Zukunft von Colbert bleibt ungewiss – doch Hinweise verdichten sich, dass Streaming-Plattformen bereits mit Angeboten locken. Möglicherweise Netflix? Wir hatten letztens noch darüber berichtet, dass sich Netflix neu ausrichten möchte, unter anderem in Kooperation mit Spotify. Was bleibt, ist ein Fernsehabend, der das Genre Latew Night nochmal von seiner glanzvollen Seite zeigte: Zwischen Satire und Sentimentalität, Parodie und Protest hat Stephen Colbert das gemacht, was er am besten kann. Zehn Monate können wir uns noch auf weitere Episoden freuen. Bis dahin (und danach) dürfen wir gespannt sein, wie es mit dem Genre generell weitergehen wird.
Bilder: CBS
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