Die Nachricht kommt überraschend: RTL übernimmt mal eben den deutschen Ableger von Sky. Mein erster Gedanke: Damit wächst die Hoffnung, dass künftig mehr Top-Sport live und kostenlos im Free-TV zu sehen sein wird – insbesondere Bundesliga-Fußball und Formel 1 natürlich. Für alle, die bislang teure Abos scheuten oder sich über die Zersplitterung der Sportrechte geärgert haben (siehe dazu auch die Beiträge bei uns im Blog), könnte sich die Lage entscheidend verbessern.
Man sollte mit solchen Begrifflichkeiten zwar vorsichtig sein, aber in dem Fall kann man sich wohl dazu hinreißen lassen: Der RTL-Sky-Deal ist ein Paukenschlag für die deutsche Medienlandschaft. RTL, bislang vor allem im Free-TV erfolgreich und mit dem Streamingdienst RTL+ auf dem aufsteigenden Ast (auch wenn nicht alles funktioniert wie zum Beispiel das Stefan Raab-Comeback), übernimmt Sky Deutschland inklusive des Streamingangebots Wow für einen Basispreis von 150 Millionen Euro. Abhängig vom Aktienkurs der RTL Group könnten noch bis zu 377 Millionen Euro hinzukommen. Die Übernahme betrifft nicht nur Deutschland, sondern auch Österreich, die Schweiz, Luxemburg und Südtirol. Die Zustimmung der Wettbewerbsbehörden steht noch aus, mit dem Abschluss wird 2026 gerechnet. „Das geplante Zusammengehen ist ein Meilenstein – für Bertelsmann genauso wie für die europäische Medienindustrie“, wird Bertelsmann-Chef Thomas Rabe vom Handelsblatt zitiert.
Formel 1-Rennen und Bundesliga-Spiele kostenlos im TV?
Für uns Serien- und Sportfans ist das natürlich ein Hoffnungsschimmer. Denn die neue RTL-Sky-Allianz bringt zwei der stärksten Unterhaltungs- und Sportmarken Europas zusammen. RTL-Deutschland-Chef Stephan Schmitter beschreibt den Anspruch laut SPORT1 so: „Wir wollen unseren Zuschauern zukünftig auf allen verfügbaren Kanälen von Free-TV bis Streaming Highlights aus Sport und Entertainment anbieten. Und dieses besondere Erlebnis muss für alle bezahlbar bleiben“. Er deutet bereits an, dass mehr Sport im Free-TV geplant ist: „Es könnte zum Beispiel sein, dass wir zwei Partien des DFB-Pokals live bei RTL übertragen oder unser Angebot von bisher sieben Formel-1-Rennen im Free-TV ausweiten.“ Und weiter: „Unser Anspruch ist es, dass hochwertiger Live-Sport kein reines Luxusgut wird“.
Das ist eine klare Ansage, die viele Fans hoffen lässt – gerade, weil die Preise für Sportabos zuletzt immer weiter gestiegen sind, wir haben hier im Blog darüber berichtet. Erst vor kurzem hatte Sky die Preise für Wow-Sportabos auf 44,99 Euro pro Monat erhöht, und auch bei mir Zuhause ist ein Schreiben von Magenta eingetrudelt, wo ich das komplette Sport-Paket gebucht habe – und in Zukunft auch zehn Euro im Monat mehr berappen muss. Die Hoffnung ist groß, dass RTL mit den gebündelten Rechten und Synergien nicht nur mehr Sport ins Free-TV bringt, sondern auch die Kosten für Streaming-Abos stabil hält, zumindest für eine gewisse Zeit. Allerdings bleibt abzuwarten, wie sich die Preisstruktur tatsächlich entwickelt – in der Vergangenheit haben Preiserhöhungen bei Sky und DAZN zu einem Rückgang der Kundenzahlen geführt, wie Niklas Kirk bei der Frankfurter Rundschau schreibt.
Auch für die Bundesliga-Fans könnte sich einiges zum Positiven wenden, gerade nach dem Gerangel zwischen DAZN und Sky zuletzt (mehr dazu auch hier in unserer Kolumne). Mit dem Zusammenschluss wandern die Bundesliga-Rechte von Sky im Prinzip in den Besitz von RTL. Das eröffnet die Möglichkeit, dass künftig mehr Spiele im Free-TV laufen oder zumindest die Rechtevergabe neu gedacht wird. RTL hat bereits in den letzten Jahren sein Sportportfolio ausgebaut, unter anderem mit der einen oder anderen Überraschung wie den Spielen der Nationalmannschaft, dazu Europa League, Conference League und NFL. Durch die Fusion könnten verschiedene Fußballübertragungen künftig unter einem Dach vereint werden – was für uns Fans mehr Übersicht und vielleicht auch weniger Zwang zu mehreren Abos bedeutet.
RTL+, MagentaTV und Joyn – wer positioniert sich erfolgreich?
Spannend wird das jetzt für den Streamingmarkt in Deutschland. Mit rund 11,5 Millionen zahlenden Abonnenten rückt das neue Unternehmen auf Platz drei hinter Netflix und Amazon Prime vor und lässt Disney+ und Paramount+ hinter sich. „Wir sehen uns im Verbund mit Sky als klarer nationaler Medienchampion in Deutschland, der alle Voraussetzungen und Ressourcen hat, um im Wettbewerb mit den US-Plattformen zu bestehen“, wird Bertelsmann-Chef Thomas Rabe vom Tagesspiegel zitiert. Die gemeinsame Plattform aus RTL+, Sky und Wow bündelt künftig die Stärken beider Anbieter: große Shows, Reality, Journalismus und vor allem Premium-Sport. „Beide Unternehmen ergänzen sich ideal. RTL steht für große Shows und Sport-Highlights, unabhängigen Journalismus und die beliebtesten Reality-Formate. Sky ist in Deutschland als Heimat der Bundesliga und Formel 1 die klare Nummer eins im Sport und steht für weltweit beliebte Filme und Serien“, wird Stephan Schmitter bei DWDL zitiert.
Die Übernahme von Sky durch RTL wird gerade die Formel-1-Berichterstattung im deutschen Free-TV voraussichtlich spürbar verändern, auch wenn ein vollständiges „Comeback“ aller Rennen im frei empfangbaren Fernsehen nicht zu erwarten ist. Aktuell darf RTL dank einer Kooperation mit Sky sieben ausgewählte Grand Prix pro Saison live im Free-TV übertragen, dazu kommen einzelne Qualifyings und Sprints, die über RTL+ gestreamt werden – häufig mit Übernahme des Sky-Feeds. Tobias Grüner von Auto, Motor und Sport sieht Synergie-Effekte: „Wenn RTL und Sky künftig unter einem Dach operieren, sind die Dienstwege bei der Verhandlung über Kooperationen natürlich deutlich kürzer. Es besteht also die Hoffnung, dass der Anteil der Rennen, die ohne Bezahlschranke im RTL-Programm laufen, noch erhöht wird.“ Durch den Zusammenschluss stellt sich aber auch ihm die Frage, ob RTL und Sky künftig noch zwei separate Einsatz-Crews an die Rennstrecken schicken werden. Möglicherweise wird es ein einziges hauseigenes Formel-1-Reporterteam. Derzeit für RTL am Start sind (mitunter schon seit Jahrzehnten) Moderator Florian König, Moderatorin Laura Papendick, die Kommentatoren Heiko Wasser und Christian Danner, der TV-Experte Günther Steiner und die Streckenreporter Kai Ebel und Alessa-Luisa Naujoks. Bei Sky sind’s die Experten Ralf Schumacher und Timo Glock, dann Kommentator Sascha Roos sowie Moderator Peter Hardenacke und Reporterin Sandra Baumgartner (die Crew gefällt mir persönlich übrigens wesentlich besser als die RTL-Runde, weil seriöser und weniger kumpelig). Und die Formel-1-Macher selbst haben natürlich auch ein Interesse daran, dass ein Teil der Rennen im Free-TV bleibt, um die Reichweite und damit die Attraktivität für Sponsoren und Werbekunden zu sichern.
Im Vergleich zu Netflix (ca. 16 Millionen Abonnenten in Deutschland) und Amazon Prime Video (ca. 13 Millionen Abonnenten in Deutschland) bleibt die neue RTL-Sky-Allianz zwar weiterhin kleiner, aber der Abstand zu Disney+ (etwa 7 Millionen Abonnenten) und Paramount+ wird deutlich größer. Für Disney+ und Paramount+ wird es in Deutschland gefühlt künftig schwerer, an die Reichweite und Marktmacht der neuen Nummer drei heranzukommen. Das sieht auch das Branchenmagazin DWDL so: „Mit diesen drei Marken [RTL+, Sky, Wow] sei man bei zahlenden Abonnenten und Streaming-Umsätzen auf Augenhöhe mit den größten US-amerikanischen Streamingdienste und werde zur Nummer drei im Markt – hinter Prime Video und Netflix“. Ganz klar – bei dem Deal mit Sky geht es für RTL auch Werbegelder – hier werden die Karten neu gemischt, seitdem die Streamingdienste hier intensiv eingestiegen sind (mehr dazu hier im Blog zu unserem Selbstversuch).
Und was bedeutet das für den deutschen Konkurrenten Joyn, der von ProSiebenSat.1 betrieben wird? Mit dem Zusammenschluss an dieser Stelle hatte Rabe ja auch zwischenzeitlich geliebäugelt. Das ist jetzt aber vom Tisch, wie er gegenüber dem Tagesspiegel bestätigt: „Das Thema eines Zusammenschlusses mit ProSiebenSat.1 hat sich nun definitiv erledigt. Sky ist für uns die deutlich bessere Option, weil das Geschäft komplementär ist zu RTL. Eine weitere Konsolidierung für uns auf dem deutschen Markt ist nicht erforderlich und würden wir auch nicht anstreben.“
Joyn bleibt dann also für sich – und setzt weiterhin auf werbefinanziertes Streaming (AVoD) und versucht, sich als „Super-Streamer“ zu etablieren – dazu hatte man sich unter anderem an den öffentlich-rechtlichen Mediatheken bedient (siehe unser Aufreger hier im Blog). Doch das Wachstum verläuft schleppend, und mit der neuen Marktmacht von RTL und Sky dürfte Joyn weiter ins Hintertreffen geraten. „In Unterföhring will man Joyn bekanntlich zu einem Super-Streamer ausbauen, dieses Vorhaben kommt aber nur behäbig voran. (…) Wenn ProSiebenSat.1 Ambitionen gehabt hätte, im SVoD-Geschäft eine relevante Rolle zu spielen, wäre die Übernahme von Sky Deutschland wohl auch für Unterföhring ein cleverer Schachzug gewesen“, analysiert Alexander Krei bei DWDL. Und dann ist da ja noch MagentaTV – die Deutsche Telekom versucht hier, den eigenen Dienst als Plattform zu etablieren, von der aus man alle relevanten Streaming-Dienst Angebote verfügbar hat – wenn man sich denn für eines der Pakete des Magenta-Streamers entscheidet.
Was ziehen wir Sport- und Serienfans jetzt aus diesem TV-Aufreger? Für Sportfans in Deutschland ist der RTL-Sky-Deal ein Hoffnungsschimmer. Die Chance auf mehr Bundesliga und Formel 1 im Free-TV ist real, und auch die Vielfalt an Serien und Filmen könnte steigen (obwohl man abwarten muss, ob HBO wie angekündigt nach Deutschland kommt und ob Disney+ Hulu über den großen Teich holt). Was man prognostizieren kann: Im Streamingmarkt wird die Luft für kleinere Anbieter wie Joyn dünner, während die US-Giganten Netflix und Amazon Prime weiter dominieren (solange sie nicht mit Zöllen oder anderen Restriktionen belegt werden), aber erstmals ernsthafte nationale Konkurrenz bekommen. Das sieht auch Medienstaatsminister Wolfram Weimer so – er bezeichnete laut Handelsblatt die Übernahme als „eine sehr gute Nachricht für den Standort Deutschland. Wir brauchen deutsche Medienkonzerne, die ein Gegengewicht zu den dominierenden amerikanischen Plattformen werden können.“
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