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Vom Fan-Sein in der MeToo-Debatte

Darf man House of Cards & Co jetzt noch gut finden?

Spoilerfrei
25. April 2018, 21:20 Uhr
Spoilerfrei
Kira
25.04.18

Ob als Familienvater mit Midlife-Crisis in „American Beauty“, als Serienkiller, der seine Spielchen mit Brad Pitt und Morgan Freeman in „Seven“ spielt oder als skrupelloser Präsident der Vereinigten Staaten in der Erfolgsserie „House of Cards“ – Kevin Spacey ist eine Legende der Film- und Serienwelt, ein genialer Schauspieler, dem man seine Rollen, insbesondere als Bösewicht, einfach immer abkauft. Aber was, wenn sich die Person „hinter“ dem Schauspieler als echter Bösewicht entpuppt?

Die #MeToo-Debatte

Mittlerweile wird seit etwa einem halben Jahr über die #MeToo-Debatte diskutiert. Anfang Oktober 2017 wird ein Artikel veröffentlicht, der darlegt, dass der Hollywood Produzent Harvey Weinstein Dutzende Frauen sexuell belästigt und vergewaltigt haben soll, darunter bekannte Schauspielerinnen wie Ashley Judd, Gwyneth Paltrow und Angelina Jolie, die ihre Prominenz dafür nutzen, nach so langer Zeit des Schweigens endlich gehört zu werden. Die Liste der Opfer Weinsteins steigt von Tag zu Tag, er wird aus der Filmproduktionsfirma The Weinstein Company, die Anfang diesen Jahres schließlich Insolvenz anmeldete, entlassen und aus der Oscar-Akademie ausgeschlossen. Vollkommen zurecht, betrachtet man allein den Punkt, dass er sogar Agenten auf seine Opfer angesetzt haben soll, damit sie Stillschweigen bewahren.

So schlimm der Anlass auch ist, aus dem Weinstein-Fall entstrickt sich daraufhin eine absolut notwendige, internationale Diskussion über Sexismus, sexuelle Gewalt und Gleichberechtigung. Dass das schon längst Zeit war, äußert sich vor allem darin, dass immer mehr Opfer sexueller Belästigungen den Mut fassen und gegen ihre Peiniger aussagen. Weltweit wird auf den Tweet der Schauspielerin Alyssa Milano hin der Hashtag #MeToo von Betroffenen verwendet. In nur wenigen Tagen wird er hunderttausende Mal in Tweets genutzt. Und so geschieht es auch, dass immer mehr Täter Namen tragen, die wir aus der Film- und Serienbranche gut kennen.

So äußert sich auch der Schauspieler Anthony Rapp zu der Debatte und offenbart, dass der damals 26-jährige Kevin Spacey ihn als 14-Jährigen sexuell belästigt habe. Spacey reagiert ungeschickter als man es sich ausmalen kann: Er antwortet Rapp mit einem Tweet, er könne sich daran nicht mehr erinnern und entschuldige sich für sein betrunkenes Verhalten. Doch er geht noch einen Schritt weiter: Er nutzt diese Situation, um sein Coming-out als Homosexueller zu verkünden. Es hat nie zuvor einen falschen Zeitpunkt für ein Coming-out gegeben – bis zu diesem Moment. Andere Stimmen gegen Spacey werden laut und verdichten die Anschuldigungen. Sogar „House of Cards“-Kollegen erheben Vorwürfe gegen Spacey, sodass Netflix die Dreharbeiten zur Serie zunächst pausiert und schließlich die Zusammenarbeit mit Spacey kündigt. Auch seine Agentur trennt sich von ihm. Der Blick wird kurzzeitig auf seine Kindheit geworfen, in der er selbst Opfer von Vergewaltigung und Missbrauch wurde – durch seinen eigenen Vater. Er verspricht, eine Therapie zu machen.

Etwa 300 Hollywood-Persönlichkeiten gründen zu Beginn dieses Jahres die Bewegung und den Rechtsschutzfond Time’s up, der Opfer sexueller Übergriffe unterstützen soll. Beim Golden Globe tragen (fast) alle Gäste als Zeichen gegen Missbrauch Schwarz. Nach und nach wird aus verschiedenen Ecken Kritik an der gesamten Debatte geübt. Manche hat Tiefe, manche zeigt fehlende Tiefe so mancher sich äußernder Personen auf. Man stelle Männer ja nun unter Generalverdacht und man wüsste als Mann jetzt auch gar nicht mehr, wie man sich verhalten solle. Wie wär’s mit ein bisschen Respekt für seine Mitmenschen? Wäre doch schon mal ein Anfang.

Ist Fan-Sein jetzt verboten?

Natürlich kann man jetzt ewig über diese Debatte, die Menschen, die sie führen, die Veränderungen, die sie beiführt, diskutieren, doch darauf will ich gar nicht hinaus. Ich frage mich: Darf man jetzt denn eigentlich noch Fan sein von Spacey, dem Schauspieler? „House of Cards“ lieben? Den „American Beauty“ Klingelton nutzen? Ich finde: Ja! Kevin Spacey hat seine beiden Oscars nicht für seine Persönlichkeit, sondern für sein schauspielerisches Talent erhalten. Er hat zahlreiche Kollegen inspiriert, sogar gelehrt. Er ist seit Jahren erfolgreich in der Branche tätig, weil er kann, was er kann. Ich finde den Schauspieler Kevin Spacey genial und verurteile die Handlungen seiner Person. Ich finde es richtig, dass ihm Awards für seine Leistung nun nicht mehr verliehen werden, denn den Award erhält er und keine seiner geschaffenen Figuren. Mir gefallen seine Rollen, nur nicht die, in der er eigentlich glänzen sollte, nämlich er selbst zu sein. Mensch und Künstler sind nicht eins, ebenso wenig kann man beide vollkommen voneinander trennen. Doch im vollendeten Werk zählt letztendlich nur die Kunst, die er geschaffen hat. Die Kunst war schon immer von Unmoralischen bewohnt. Und ein Künstler muss kein integerer Mensch sein, um als Künstler wahrgenommen zu werden.

Natürlich wird es für Spacey schwierig werden, seiner Kunst nach diesen Beschuldigungen nun noch Ausdruck zu verleihen. Doch das ist der Preis, den er zu zahlen hat. Sein Werk bleibt, auch wenn die ihn verurteilenden Zeitgenossen irgendwann nicht mehr da sind, um zu verurteilen und die Kunst für sich stehen wird. Für uns, die wir den Diskussionen beiwohnen, ist das schwieriger. Diese Debatte tut weh – in erster Linie, für die Opfer, die so zahlreich so lange schweigen mussten, für die Talente, die nun nicht mehr zum Ausdruck kommen, für viele Fans, deren Enttäuschung groß ist und die gute Filme und Serien nun nicht mehr mit gutem Gefühl schauen können. Aber all das ist es wert in Kauf zu nehmen, wenn damit die Enthüllung von Straftaten, die weitere Offenlegung patriarchaler Strukturen unserer Gesellschaft und des Missbrauchs von Macht, vor allem in der Film- und Fernsehbranche, vorangetrieben wird. Hoffen wir einfach, dass unsere Gesellschaft weiter lernt, reflektierte moralische Urteile zu fällen und dass jeder einzelne in seinem Verhalten, seine Äußerungen und seinem Urteil anderen gegenüber sensibilisiert wurde.

6 Kommentare

  • Ich finde, dass Kiras Argumentation sehr plausibel klingt. Ich habe mich im Vorfeld auch öfters mit der Frage beschäftigt und finde es schwierig hier eine klare Haltung zu finden.

    Es kommt darauf an, wie viel Eigenes im Schauspiel offenbart wird, sodass ich nicht mehr Künstler und Werk trennen kann. Ich frage mich auch, ob man in Zukunft dann noch schafft Filme mit Spacey (wenn er denn noch Rollen angeboten bekommt) mit einer gewissen Distanz zu sehen. Und wie sieht das dann retroperspektiv aus? Fand man vlt auch seine damaligen Leistungen so brillant, weil man nichts von den Vorfällen wusste?
    Ich glaube, dass man bei Schauspielern zum Teil noch die Distanz zu der Person bewahren kann. Dies sieht bei anderen Filmschaffenden, wie Weinstein oder Allen, anders aus. Zumal es bei diesen Personen am Set eine andere Hierarchieebene gibt und ich hier das Gefühl habe, dass beispielsweise Woody Allen uns mit seinen Arbeiten an sein Denken, sein Humor, sein Leben und seine Fantasie teilhaben lässt, was eine größere Nähe der eigenen Person zum Werk erzeugt. In Anbetracht dessen, ist es für mich wirklich schwierig noch die Filme von den genannten Personen zu genießen und vorbehaltslos anzugucken.

    Wenn ich aber auch gerade an die normale berufliche Welt denke, dann denke ich, dass man eigentlich niemals chauvinistische, sexistische und kriminelle Arschlöcher unterstützen sollte, auch wenn sie vlt einen guten Job machen. Insofern muss ich mir noch einmal überlegen, ob ich Kevin Spacey weiterhin in irgendeiner Art und Weise gut finden kann.

    • Danke für deine Einschätzung. Ich denke, dass sich leider auch keine allgemeingültige Antwort auf die Frage nach der „richtigen“ Haltung zu dem Thema finden lässt und man immer wieder zu dem Punkt zurückkehren wird, dass man seine eigene Ansicht noch einmal mit sich selbst aushandeln muss. Der wichtigste Punkt ist meiner Meinung nach für uns als Zuschauer, dass man selbst den Schritt geht, Handlungen zu reflektieren und in einem moralischen Kontext zu betrachten. Es ist gut, wenn wir uns fragen, wie wir uns fühlen sollten, wollen, dürfen, weil es zeigt, dass wir moralische Wesen sind.

  • Wunderbar Kira, dass Du Dich mit dem Thema befasst. Das hat auf unserer Seite schon zu lange gefehlt.

    Und ich hadere auch sehr damit, wie man mit dem Schauspieler umgeht. Dazu hab ich aber vor Kurzem ein schönes Video gesehen, dass es ganz gut zusammenfasst, weil das Thema wirklich nicht so einfach ist: https://www.youtube.com/watch?v=0PtkxHoga78&index=4&list=PLn4ob_5_ttEbPqLSpPmADbqYyQv3-s6MJ

    Für mich ist es so, dass ich diese Menschen nicht mehr unterstützen werde. Was Kevin Spacey früher gemacht hat, kann mir noch gefallen. Ich werde es aber jetzt mit einem bitteren Beigeschmack sehen. Und ab jetzt auch nichts mehr mit ihm angucken :/ Ganz so wie Variante 2 aus dem Video.

    Und am meisten tut es mir bei Bill Cosby weh…. Ein Held meiner unschuldigen Kindheit und der perfekte Vater. Und nun … kein Held mehr.

    • Danke, Jessie :)

      Ich finde es erstaunlich, wie schmerzhaft es wirklich manchmal ist. Was aber wiederum zeigt, wie sehr wir von der Popkultur beeinflusst und geprägt werden und wie wichtig es ist, dass man sich daher auch und gerade in diesem Kontext Fragen nach der eigenen Position und Haltung stellt.

      Das Video habe ich mir grad angeschaut und finde ich sehr interessant, auch wenn ich mich persönlich weder ganz zu 1 noch zu 2 zuordnen kann. Ich denke aber, dass es gerade bei diesem Thema auch viel Raum dazwischen gibt.

  • Schmaal

    Ich wollte mich ja auch hier zu der Thematik äußern, aber nachdem ich mir den Artikel und die Kommentare mehrmals durchgelesen habe, habe ich des lieben Friedens willen wieder Abstand davon genommen…….

    • Du darfst deine Meinung gerne äußern, auch wenn die nicht der entsprechen sollte, die hier bereits vertreten ist. Darum geht es ja, Meinungen zu äußern und vielleicht nochmal aus einer anderen Perspektive auf das Thema zu schauen. Meine Meinung kennst du nun, mich würde es sehr interessieren, wie du es siehst und ich würde auch gerne nachvollziehen, welche Argumentation – oder auch nur welches Gefühl – hinter anderen Meinungen zu dem Thema steckt. Das heißt ja nicht gleich, dass der Frieden gebrochen wird ;)


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