Wenn mich jemand in lockerer Konversation mal wieder fragt, welche Serien ich denn gerade so empfehlen kann, dann ist meine erste Gegenfrage meistens: „Was schaust du denn normalerweise gerne so?“ und hoffe auf eine Antwort, die zumindest auf ein geliebtes Genre schließen lässt. Der Hintergedanke dabei ist, dass ich meine Empfehlung dann entsprechend schon mal eingrenzen kann. Was hilft es dir, wenn du Thriller-Serien nicht ausstehen und kein Blut sehen kannst und ich dir „Squid Game“ empfehle? Oder wenn du Coming of Age-Dramen nervig findest und ich dir „Heartstopper“ nenne?
Doch umgekehrt verfalle ich bei der Frage nach meinem Lieblings-Genre selbst in leichte Panik. Was soll ich hier nur nennen? Ich habe kein Lieblings-Genre! Und gleichzeitig frage ich mich: Ist die Einteilung von Serien in Genres überhaupt noch zeitgemäß?
Serien-Identität
Wenn Menschen mir erzählen, dass sie am liebsten Krimis schauen oder Sitcoms bevorzugen, beneide ich diese Klarheit häufig. Ich binge Coming of Age-Serien, rätsle in Murder Mysterys mit, weine bei Dramen und grusle mich bei Horror-Thrillern. Was davon ich wählen würde, wenn ich nur noch eines bis ans Ende meiner Tage schauen dürfte? Ratlosigkeit und Stress! Wenn ich kein Lieblings-Genre habe, was ist dann meine Serien-Identität? Was sagt das über meinen Geschmack – oder meine Entscheidungsfreudigkeit in der herrschenden Serienflut – aus?
Für mich ist die Frage „Was schaust du denn gerade?“ kein Aufhänger für oberflächlichen Smalltalk, sondern ein Eintauchen in tiefgehende Kulturtechnik. Aber was, wenn ich selbst gar keine Antwort auf diese Frage habe?
Story statt Genre
Vielleicht ist das Problem gar nicht, dass ich mich nicht festlegen kann. Die Frage ist ja eher: muss ich denn? Wir leben in einer Zeit, in der Serien Grenzen sprengen, in der mit Serien-Genres gebrochen wird, es die wildesten Stil-Kombinationen in Formaten gibt und Dramaturgie vollkommen neu gedacht wird. Höchste Zeit, das Schubladendenken abzulegen – auch wenn Streamingdienste hart daran arbeiten, mir meinen Geschmack durch Algorithmen vorzugeben und mich mit einem simplen „Das gefällt dir ganz bestimmt“ zu beeinflussen.
Aber hey, ich hab weiterhin Lust, mich heute zu gruseln und morgen zu lachen und übermorgen in Teenie-Stories abzutauchen. Denn darum geht es doch letztendlich, oder? Nicht das Genre fesselt uns, sondern die Geschichte.
Beitragsbild: Netflix
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