Prenzlauer Berg ist angesagt in Berlin. Zum Wohnen. Und zum Verweilen. Es gibt Parks und Museen, Restaurants und Cafés. In der Bötzowstraße, keine 15 Minuten mit der Bahn vom Alexanderplatz entfernt, vermischen sich Wohnen und Leben auf besondere Art und Weise. Gewachsene Strukturen, man kennt sich, man schätzt sich. Hinter dem Schaufenster an der Bötzowstraße 21 sitzt Christian Kahrmann und blickt hinaus auf die Straße. Er hebt kurz grüßend den Arm, wenn jemand Bekanntes vorbeikommt. Und das passiert oft. Christian Kahrmann ist Schauspieler von Beruf, hat von der Pieke auf gelernt, steht seit über 25 Jahren im Beruf. Lindenstraße fällt einem sofort ein, Benny Beimer. Aber auch Fans von Bang Boom Bang, Danni Lowinski oder Tatort kennen sein Gesicht – er ist oft Gaststar in diversen Serien, dreht Filme, unter anderem Equilibrium mit Christian Bale und Das Tribunal mit Bruce Willis und Colin Farrell. Und er hat sein eigenes Café eröffnet, hier in der Bötzowstraße,„Kahrmann’s Own“, wie es passenderweise heißt. Sein eigenes Café; damit hat sich der 44-Jährige einen großen Traum erfüllt.
„Ich bin immer gerne nach Italien gereist und habe dort die Cafékultur genossen. Man trifft sich auf der Straße, setzt sich vor und in die Cafés, trinkt zusammen einen Kaffee oder Espresso“, sagt Christian Kahrmann. Er habe diese besondere Kultur und das Flair der italienischen Caféhäuser immer bewundert. „Die Menschen kommen dort mehrmals am Tag zusammen, sie reden miteinander, genießen einen Espresso.“ Die Frauen sitzen an den runden Tischen im Schaufenster, die Männer stehen an der Espressobar und diskutieren über dies und das und jenes.
„Auf das Aroma, Röstung und Sorgfältige Verarbeitung kommt es an.“
Das Ambiente ist das Eine, die Kaffeekunst das Andere. „Es ist praktisch egal, in welches Café man in Italien geht – überall gibt es einen guten Espresso und einen ausgezeichneten Kaffee“, beschreibt Christian Kahrmann, wie sein Traum vom eigenen Café reifte. „Ich habe bewusst gemerkt, wie wichtig vor allem die Behandlung der Bohnensorte und die technischen Faktoren für den Kaffee sind. Auf das Aroma, Röstung und die sorgfältige Verarbeitung kommt es an“, sagt er. Früher habe er oft gedacht, Kaffee ist Kaffee. Doch dann habe er die Unterschiede erspürt, sie herausgeschmeckt und die Lust fürs Experimentieren entwickelt.
„Ich habe mir dann erst einmal eine eigene, semiprofessionelle Maschine und eine Mühle gekauft, für den Heimgebrauch, um ein wenig Auszuprobieren.“ Zwar noch keine professionelle Ausrüstung, aber ein Anfang, um zumindest die Möglichkeit zu haben, Bohnen frisch zu mahlen, direkt zu verarbeiten und daraus Kaffeespezialitäten zu entwickeln. Es lief dann immer besser, er fand Kniffe heraus, entdeckte besonders ausgefallene Kaffeesorten. Er besuchte Cafés in Deutschland, wurde aber oft enttäuscht von der Qualität der Kaffeespezialitäten. „Ich habe dann immer gedacht‚ wie kann es sein, dass in Deutschland im Vergleich zu Italien die Qualität so dermaßen unterschiedlich sein kann?“ Aufgebrühtes aus dem Automaten, lange stehende gemahlene Bohnen, die damit doch schon nach wenigen Momenten viel von ihrem Aroma verloren haben – für Christian Kahrmann ein unhaltbarer Zustand.
Also musste ein eigenes Café her – leichter gesagt als getan. „Mit Ende 30 wollte ich auch nicht mehr nur auf eine gute Rolle warten, mein Leben war einfach zu sehr nach anderen ausgerichtet.“ Er hat dann viel gelesen, Seminare besucht, schließlich stand eine Barista-Ausbildung auf dem Plan. Er lernte von Grund auf, welche verschiedene Bohnensorten es weltweit gibt, was bei der Zubereitung der vielen verschiedenen Spezialitäten zu beachten ist und worauf es bei der Organisation und Leitung eines Cafés ankommt. Letzteres hat er sich vor allem über ein Praktikum angeeignet. „Ich kannte das komplette Business überhaupt nicht; mich da in ein Abenteuer zu stürzen, ohne vorbereitet zu sein, war mir definitiv zu heikel“, erklärt der Barista. Christian Kahrmann hat dann ein Jahr lang ein Praktikum in einem Berliner Café gemacht – wann immer es sein Drehplan zuließ. „Da habe ich gelernt, dass es nicht nur romantisch ist, ein eigenes Cafe zu besitzen, sondern auch harte Arbeit.“
„Mit Ende 30 wollte ich auch nicht mehr nur auf eine gute Rolle warten, mein Leben war einfach zu sehr nach anderen ausgerichtet.“
Und seinen Hauptjob, die Schauspielerei, hat er bei all den Planungen für sein zweites Standbein nicht aufgegeben. Es war nicht nur die Leidenschaft für Kaffee, die den Traum vom eigenen Café hat reifen lassen. „Man ist nicht das ganze Jahr über gebucht, und wenn man von einem Dreh kommt und eine Zeit lang kein weiteres Engagement hat, kann das ganz schön an den Nerven zerren“, sagt er. Nicht wenige Kollegen fielen in ein Loch, wüssten mit der Zeit nichts anzufangen. „Wenn dann kein Geld reinkommt, fängst Du an zu überlegen.“ Manche stürzten sich in unsichere Investment-Modelle, andere eröffneten ein Restaurant, ohne selbst regelmäßig vor Ort zu sein. „Und das ist der Fehler dabei. Du musst eigentlich selbst hinter dem Projekt stehen, musst aktiv mit anpacken, sonst geht es schnell den Bach runter“, sagt der Barista.
Seine Leidenschaft für Kaffee und die fragile Auftragslage in Sachen Schauspielerei bestärkten Christian Kahrmann darin, seinen Traum wahr zu machen. „Ich habe dann 2011 ein Ladenlokal in der Bötzowstraße entdeckt und dachte – das könnte es sein.“ Das Lokal war nicht überdimensioniert, sondern orientierte sich mehr an der Cafégröße, die Kahrmann in Italien kennen- und lieben gelernt hatte. Dazu stimmten die Lage und der Preis. „Dann kam mir aber erst einmal ein Dreh dazwischen, bevor es konkret werden konnte“, erklärt er. Doch als er zurückkam, war das Lokal immer noch frei. „Meine Familie hat mich dann darin bestärkt, den Schritt zu wagen.“ Er schloss den Mietvertrag ab und lieh sich Geld von der Familie für den Start. „Von Banken bekommst Du für Gastroprojekte kein Geld“, bemängelt er.
„Das ist dann der Punkt, an dem man sich beweisen muss.“
„Klar war, dass da alles neu gemacht werden musste. Alles flog raus und wurde neu aufgebaut“, erinnert er sich. „Mit dem letzten Pinselstrich haben wir dann quasi eröffnet.“ Am 1.9.2012 war das – mit jeder Menge Trubel und großem Andrang. „Wir waren abends total fertig, und plötzlich kam mir der Gedanke: ‚Du musst ja morgen auch wieder hier stehen!’“ Viele Gäste waren interessiert an diesem neuen Café des bekannten Schauspielers, und Christian Kahrmann stand zu Beginn selbst Tag für Tag hinter dem Tresen. Doch man muss einen langen Atem für so einen Laden haben – es wird einem nichts geschenkt. „Das ist dann der Punkt, an dem man sich beweisen muss“, sagt er rückblickend. Er passte sein Angebot laufend an. Anders als in Italien wollen die Gäste in Deutschland zum Beispiel auch Mittagessen. Neben den Kaffeespezialitäten hat er deswegen auch einige warme Speisen im Angebot. Und mit der Konkurrenz im Prenzlauer Berg muss er auch irgendwie mithalten.
Im Café setzt er viele eigene Akzente: Es ist liebevoll gestaltet, mit einem dominanten Holztresen. An der Gegenwand befinden sich verschiedene Regale, die mit Blumen und Deko bestückt sind. Dazwischen – rustikale Holztische und –stühle sowie eine gemütliche Bank mit Kissen vor Kopf. Hinter der Theke befindet sich Christian Kahrmann’s Wirkungsstätte – sozusagen sein Kaffeeparadies – und die Eisdiele. „Die kann schonmal ein Lebensretter sein. Gerade in den warmen Monaten bringt sie das eigentliche Geschäft und sicher einen ab“ schätzt er.
Vier Tage die Woche steht er selbst hinter der Theke, ansonsten kann er sich auf ein starkes Team verlassen – auch während der Drehzeiten. „Aber selbst wenn ich einmal frei habe, gibt es kaum einen Tag, wo ich nicht einmal reinschaue“, gibt er zu. „Insgesamt ist das natürlich schon ein Spagat, aber ich habe für mich einen Weg gefunden, wie’s laufen kann.“ In gewisser Weise ist es auch ein Ausgleich: „Es ist hier im eigenen Café ganz anders als bei der Schauspielerei. Dort wird einem ja oft gesagt, was zu tun ist; hier kann ich alles selbst gestalten.“
„Narcos hat mich in den Bann gezogen, und bei Breaking Bad schaue ich noch rein.“
Bei seinen Engagements wird er sowohl für Filme als auch für Serien gebucht – hier vor allem für Gastauftritte. Eine langfristige Serienarbeit, darauf hätte er schon Lust. „Ich habe gerade einen Serienpiloten für RTL gemacht, eine Entscheidung steht noch aus; das dauert immer eine Weile…“ Von dem großen Potenzial von Netflix, Amazon & Co. ist er begeistert: „Gerade mit den vielen neuen Streaming-Diensten bieten sich enorm viele Möglichkeiten. Es ist super, dass da Bewegung reinkommt.“ Durch diese neue Dynamik müssten sich ARD & Co. etwas einfallen lassen. Kahrmann selbst schaut gerade Jerks mit Christian Ulmen. „Sehr witzige Serie, absolut sehenswert. Eine kleine Idee mit überschaubarem Aufwand und klasse umgesetzt“, sagt er. Ansonsten kommt er selten zum Serienschauen. „Narcos hat mich in den Bann gezogen, und bei Breaking Bad schaue ich noch rein.“ Ansonsten dreht er entweder selbst, oder er steht im „Kahrmann’s Own“. Und dann gibt es ja auch noch die Familie.
Mit der Lindenstraße hat er nicht mehr so viel zu tun. Christian Kahrmann findet, dass sich bei der Serie enorm viel verändert hat: Die Produktion sei mit der Art und Weise von damals überhaupt nicht mehr zu vergleichen. „Sie ist absolut hochwertig, wird in HD 16:9 gedreht, es wird alles filmisch erzählt“, sagt er. „Da sieht nichts mehr nach Studio aus. Alles wurde extrem verjüngt, ausgerichtet auf eine jüngere Zielgruppe.“ Auch die Erzählweise habe sich kolossal geändert, die Serie sei viel mutiger geworden. Regelmäßig verfolgt Christian Kahrmann die Serie nicht mehr. „Um die Zeit bin ich eigentlich nicht zu Hause, aber wenn’s mal läuft, schaue ich auch rein.“ Seine Leidenschaft, die gehört mittlerweile allerdings dem Kaffee. Man schmeckt’s bei jedem Besuch im „Kahrmann’s Own“.
… „Ach? Und jetzt tut dir der Arsch weh?“ …. erst wieder letztens geschaut. Ein deutscher Filmklassiker mit einem grandiosen aber leider bereits verstorbenen Diether Krebs.
Eine Fülle von zitierbaren Dialogen. Mega.
Zum Beitrag zwei Fragen: Wie war denn nun der Kaffee? Und hat er auch für die Nichtkaffeetrinker einen leckeren Chai Tea Latte im Angebot?
Ansonsten sollte er das noch aufnehmen, er liest hier ja bestimmt mit. ;o)
Die Kaffeespezialität war wieder super – war ja jetzt schon ein paar Mal dort, und es ist immer wieder lecker. Was er für Nichtkaffeetrinker da hat, weiß ich nicht – Du würdest aber sicher auch etwas Gutes finden. :-)
nice- kommt auf die Liste für den nächsten Berlin Besuch
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