Nach der aufreibenden Folge vergangene Woche war klar, dass „Better Call Saul“ in der neuen Folge eine Art Aufbereitung für uns bereithalten dürfte. Die fiel erwartungsgemäß gemach aus, hatte aber dennoch seine intensiven Momente und vor allem typisch hochwertigen Aufnahmen für uns parat.
Alles beginnt mit einer in guter alter „Breaking Bad“-Manier erstellten Montage, die zeigt, wie Saul und Kim Mikes Rat nach- und zur Arbeit gehen als wäre nichts gewesen. Neben vielen POV-Shots bekommen wir auch einige gelungene Übergänge (vom Kaffee zum Blut oder vom Sofakissen zum Beweisbild) zu sehen und einen (mit der Lampe), den man besser hätte hinbekommen können. Am anderen Ende der Übergänge fühlen wir uns an den „Tatortreiniger“ erinnert. Physisch ist also alles wieder bereinigt, seelisch geht das nicht so schnell – zumindest nicht für unerfahrene auf dem Gebiet des plötzlichen Menschen-Todes…
Fring ist da deutlich versierter unterwegs. Nach dem überraschend früh erfolgten Tod Lalos galt die Aufarbeitung im Kartell als eine der möglichen Zuspitzungen, die wir diese Staffel noch zu sehen bekommen können. Aber auch das geht erstaunlich schnell vonstatten. Ja, der Moment, in dem Fring vor Don Eladio und anderen die mehr als direkte Anschuldigung Don Hectors erfährt, ist intensiv, aber kann aufgrund des Prequel-Charakters der Serie schon gar nicht DIE Spannung aufkommen lassen. Man ist eher interessiert daran, wie man die Situation aufgelöst bekommt. Das bekommt man zum einen durch den smarten Dreh hin, dass Lalos Leichen-Double letztlich Fring in die Karten spielt, sowie mit einem exentrisch agierenden Don Eladio, dem das Geklingel genauso auf den Wecker geht, wie uns in der Szene. Die Moral von der Geschicht: Ein bisschen Hass auf den Boss ist in Ordnung.
„I’d invite you as well, Gustavo, but… I don’t want my breakfast ruined by all the *ding-ding-ding… ding-ding-ding!*“ (Don Eladio)
Der beste Moment dieser Szene war meiner Meinung nach jedoch, als Fring neben dem Getränke-Wagen über dem Pool steht, der später eine entscheidende Rolle spielen sollte. War das der Moment, in dem er seine Inspiration erhielt?
Vermutlich in Kombination mit seinem späteren Barbesuch. Das alte Stamm-Etablissement, das aus Mordangst eine Weile gemieden wurde, hält passend blutig schmeckenden Rotwein parat. Und einen kleinen Flirt mit dem Kellner, der jedoch von Fring aus Gründen der Distanzierung vorzeitig abgebrochen wird. Vermutlich, um kein persönliches Ziel zu bieten bzw. niemand anderen mit in sein gefährliches Leben zu ziehen. Aber: Es scheint alles wieder normal zu sein. Die größte Gefahr ist verzogen und der Blick kann wieder auf die Arbeit und die spätere Ausrottung der Salamancas gelegt werden. „Better Call Saul“ ist übrigens ein bisschen wie ein guter Rotwein. Dafür nimmt man sich Zeit und weiß die langlebige Qualität in Ruhe zu genießen, statt es einfach herunter zu stürzen.
Erst dachte ich, dass die Szene mit Mike und Vater Vargas ein bisschen überflüssig ist. Die Szene zeugt aber von Mikes Charakter und liefert den interessanten Denkanstoß des Vaters, dass es nie um Gerechtigkeit, sondern stets um Rache geht. Guter Satz. An sich könnten die Kapitel hier meiner Meinung nach komplett abgeschlossen sein für die Serie, gibt es doch grundsätzlich wenig, was man hier noch forterzählen müsse. Die Konzentration dürfte fortan noch stärker auf Saul selbst liegen.
„We can get through 20 minutes of anything!“ (Saul)
Die stärkste Szene der Folge hat in der alten HHM-Kanzlei stattgefunden, wo die Trauerfeier für Howard abgehalten worden ist. Auch hier handelt es sich um einen gewissen Abschiedspunkt – die Kanzlei zieht um, verkleinert sich und ändert ihren Namen. Vermutlich werden wir etliche Figuren ein letztes Mal gesehen haben. Stark macht diese Szene aber vor allem das beklemmende Gefühl, das gekonnt von Bob Odenkirk aber vor allem mal wieder Rhea Seehorn übermittelt wird. Gelungen fand ich den Aspekt, dass Saul in dieser eigentlichen Fassade eines Besuches einige wahre Worte spricht, was sein Verhältnis zu Howard und seinen Bruder anbelangt. Hellhörig dürften alle Zuschauer:innen dann jedoch bei der Lüge von Kim geworden sein. Hier ahne ich bereits erstmals, dass ihr das zu viel werden könnte.
„It’s over. Really over. Let the healing begin.“ (Saul)“
Bei der Szene im Parkhaus weht dann ganz viel Abschiedskuss mit. Ich weiß nicht, ob es an der detaillierten Inszenierung oder lediglich am Kontext liegt, aber die Szene im Parkhaus schreit viel mehr „Abschiedskuss“ als dass es sich um einen „Wow, wir sind mit einer Lüge durchgekommen, was ein Adrenalinrausch!“-Moment handeln würde.
Das wird dann auch kurz darauf auf sehr drastische Art und Weise klar als Kim nicht nur von ihrem Fall sondern auch ihrem Anwaltsmandat zurücktritt. Dass Kim entweder etwas sehr Schlimmes passieren oder sie Saul verlassen würde, war den meisten von uns bereits klar. Das Timing hat mich hier aber etwas gewundert, wirkt das doch noch sehr nah am Tag, an dem man zuletzt einen später Vermissten gesehen hat. Hätte Mike mal gesagt, die sollen zumindest zwei Wochen normal zur Arbeit gehen…
Wir bekommen nicht nur nochmal die Parkhaus-Tür der Kanzlei, sondern auch den Entscheidungs-Balkon der Wohnung zu sehen, vermutlich letztmals mit Kim darauf. Der Moment, in dem Saul stoisch da steht und im Hintergrund das Geräusch des Paketbandes zu hören ist zerbricht einem das Herz.
„You asked, if you were bad for me. That’s not it. We are bad for each other!“ (Kim)
Hier hätte die Folge gut vorbei sein können, aber „Better Call Saul“ bereitet direkt noch mehr vor und wagt den Neuanfang. Einen unbestimmten Zeitsprung später wacht Saul mit einer Prosituierten im Bett und weniger Haar in einer deutlich edleren Bude auf. Er scheint vollkommen in seiner neuen Rolle aufzugehen, hat nicht nur viele Hemden und Krawatten sondern auch Klient:innen gesammelt. In der Szene gibt es viele kleine tolle Momente zu sehen, die diese Figur zu zeichnen wissen, die großartig inszeniert und von Odenkirk übermittelt worden sind. Zum Beispiel den Radiospot, den Saul erst super stolz anhört, um danach selbst aus dieser Situation noch einen Vorteil zu ziehen, indem er eine miese Sound-Qualität moniert.
Fest steht: Saul Goodman ist da. Und das ist erst der Anfang.
Es ist beachtlich, dass „Better Call Saul“ es selbst mit einer vermeintlich unspektakulären Folge ohne große Action schafft, einen für 55 Minuten derart gespannt zusehen zu lassen. Die Liebe für Details ist enorm, das Schauspiel großartig und wir bekommen in dieser Folge quasi die Geburt des späteren Saul Goodman aus „Breaking Bad“ zu sehen. Ein großer Abschnitt ist zuende und die Brücke zur Mutterserie mit einer abschließenden Szene geschlagen. Und doch hat mir persönlich ein bisschen was gefehlt. Vielleicht ist es aber auch einfach die Trauer über den Abschied von Kim, der sich bereits in der Folge angebahnt hatte.
Was bleibt, ist der Blick nach Vorne. Saul ist da und wir werden mit Sicherheit den einen oder anderen Fall zu sehen bekommen, den er in seiner souveränen und besonderen Art zu lösen weiß. Und es geht ja auch noch darum, Anknüpfungspunkte zu „Breaking Bad“ zu schaffen. Dennoch bleibt für mich fraglich, wieso man anscheinend alle „alten“ Zöpfe gleichermaßen abgeschnitten hat. Vier Folgen sind eine lange Zeit dafür, dass man gerade gar nicht so recht weiß, wohin die Serie inhaltlich steuert. Aber vielleicht bietet genau das auch das größte Überraschungs-Potenzial. Ich bin jedenfalls sehr gespannt darauf, welche Figuren wir noch zu sehen bekommen werden und was für ein Serienfinale man sich hat einfallen lassen.
Bilder: AMC / Netflix
Kim werden wir hier nicht das letzte mal gesehen haben.
Mutmaßlich taucht sie wieder in der Gene-Timeline auf, vielleicht sogar früher. Es ist jetzt jedenfalls interessant, dass noch vier Folgen bleiben, in denen wir nicht wissen, was uns noch erzählt wird.
Stimmt, die Gene-Timeline bleibt natürlich noch, genauso wie allgemein die Chance, sie in der jetzigen Zeitebene zu sehen zu bekommen. Auszuschließen ist da nichts.
Wie Du schon schreibst, könnte nichts auffälliger sein, als nach der Beerdigung direkt den Job zu schmeißen & umzuziehen.
Bei der Szene mit Kim ist glaub ich sogar Saul die Spucke weggeblieben. Eiskalt, wo sie ja genau wusste, dass Howard kurz vor der Scheidung stand.
Bekommt Gus am Anfang schon sein Gegenmittel für den Anschlag auf Eladio oder nur für seine Verwundung?
Die zwei Stühle sind doch sehr wahrscheinlich für Jessy und Walt.
Ich freu mich sehr schon auf nächsten Dienstag.
Wir wissen aber nicht, was während dieses Zeitsprungs mit Kim passiert ist. Ich denke, nichts Gutes, wir werden es erfahren.
Es ist für mich denkunmöglich, dass diese banale Trennungsszene schon alles war.
Da kommt noch mehr :-(
Mit Sicherheit, das wäre dem Stellenwert des Charakters auch unwürdig.
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