Review: Better Call Saul S02E02 – Cobbler

Der Auftakt der zweiten Staffel war vielversprechend, das Review dazu findet ihr hier. In Episode 2 „Cobbler“ geht es nahtlos weiter:

Jimmy schwankt zwischen Freude, Ehrfurcht und großer Unsicherheit in seiner neuen Rolle als hochbezahlter Top-Anwalt mit (baldigem) Cocobolo Desk. Eigentlich hat er alles bekommen, was er wollte. Auch wenn er nicht in der Kanzlei seines Bruders arbeitet (HHM), so treibt er immer noch seinen Fall voran, den er mit großem Aufwand und viel Geschick in der ersten Staffel an sich riss. Jimmy begrüßt dazu seinen neuen Firmenwagen, einen neuen Mercedes mit allen Extras. Doch die teilweise aufkeimende Freude in Jimmy über das Erreichte wird immer wieder durch melancholische Momente unterbrochen, was sich auf den Verrat seines Bruders zurückführen lässt. Als Chuck dann für einen kurzen Moment zu einer Besprechung des großen Falls in die Kanzlei kommt, welche HHM mit Jimmys neuem Arbeitgeber zusammen betreut, merkt man Jimmy an, wie sehr ihn die Anwesenheit von Chuck aus der Ruhe bringt. Vielleicht ist es auch dieses Aufeinandertreffen, welches dazu führt, dass Jimmy sich infolgedessen von Mike anheuern lässt.

You are still moral flexible? If so, I might have a job for you.

Mike möchte, dass er seinem Auftraggeber, dem unbeholfenen Drogendealer Daniel, welcher sich noch unbeholfener in das Fadenkreuz der Polizei manövrierte, aus der Patsche holt. In diesem Moment sehen wir wieder einen Funken Saul Goodman, wie er vor den ermittelnden Polizisten eine Geschichte fabriziert, die das Geheimversteck in Daniels Wohnung erklärt und es ganz weit weg von Drogen verortet. Der erfundene Grund dafür wirkt so unglaubwürdig, dass dieser im Umkehrschluss den Polizisten als absolut glaubwürdig erscheint. Kern der Geschichte ist, dass Daniel das Geheimversteck in seiner Wohnung für spezielle Fetischvideos verwendet. Deren Inhalt: Er sitzt angezogen mit dem Hintern in einem Kuchen.

Jimmy feiert diesen Sieg mit Kim, die aber ganz und gar nicht darüber erfreut ist, wie Jimmy überzeugen konnte. Denn er hat mit Daniel extra ein derartiges Kuchen-Video produziert, also Beweismittel selbst produziert, was natürlich höchst illegal ist, besonders als Rechtsanwalt. So endet die Folge, beide essen den übrig gebliebenen Kuchen und Kim rückt innerlich wieder ein Stück von Jimmy ab, nachdem sie in der ersten Folge wieder auf ihn zugegangen war.

Better Call Saul bleibt sich treu. Auch in Folge 2 nimmt sich die Serie viel Zeit für eindrucksvolle Bilder, allen voran von Bob Odenkirk, welcher als Jimmy brilliert und versteht, ein Großteil des Charakters über Gesten und Mimiken zu zeichnen. Sich Zeit zu nehmen bedeutet aber auch, dass der Weg von Jimmy zu Saul sehr langsam voranschreitet, für manche vielleicht zu langsam? Ich finde nicht, denn nur so kann die Serie glaubhaft den Wandel erklären, der nach wie vor noch in den Kinderschuhen steckt. Trotzdem sollte man sich mit dem Gedanken anfreunden, dass wir auch in dieser Staffel noch keinen Saul Goodman sehen werden.

Abseits dessen stelle ich in mir seltsame Gedanken fest: In mir reift die Hoffnung, dass Jimmy nicht den Weg einschlägt, den er unweigerlich einschlagen wird. Der Harmonie liebende Teil in mir wünscht sich Jimmy und Kim zusammen in einem schönen Haus, die Chuck zum Essen einladen und über alles Vergangene lachen. Schon kurios, aber das zeigt auch, wie sehr es die Serie schafft, einen vielschichtigen Charakter zu kreieren, für den man Emotionen entwickelt und mitfiebert.

 
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Bilder: Netflix/Sony Pictures Television