Heute lief das Finale der dritten Staffel „Mr. Robot“ in den USA und ist seit heute auch bei Amazon Prime in Deutschland zu sehen (zumindest im Originalton, was ja eh besser ist). Fand ich die zweite Staffel zwar insgesamt sehr gut, aber deutlich hinter der ersten abfallend, muss ich sagen, dass die dritte einfach ein gewaltiges Brett Fernsehdrama war. Chapeau!
Frische und alte Figuren
Fernab der eigentlichen Story mochte ich sehr, wie viele alte Fäden und Figuren diese Staffel aufgenommen und zusammengeführt wurden und wie sehr dazu auch neue Figuren zum Einsatz kamen. Das wirkte homogen und deutlich weniger aufgesetzt, als in manch anderen Formaten. Besonders gefallen hat mir Bobby Cannavale als Irving, der eine faszinierende Mischung aus verstaubten 80er Jahre-Ehrenmann-Gangster und eloquenten Hobbyautoren mit ungemeiner Coolness und Abgeklärtheit verkörpert hat.
„Always gotta have a ‚Wow!‘ ending. Otherwise, what‘s the point?“ (Irving)
Auch dass der in der vorherigen Staffel zwar zentrale aber doch irgendwie nebenläufige Leon taucht wieder auf und beweist seine Skills und seinen ungemeinen Stellenwert ein ums andere Mal auf noch abgeklärtere und vor allem coolere Art und Weise. Schade nur um das Auto.
Geniales Storytelling
Besonders hervorheben muss man aber das Storytelling dieser Staffel, das deutlich kompakter und schlüssiger wirkte. Logiklücken hatte Mr. Robot eh so gut wie nie welche, aber dieses Staffel wirkte alles realistisch inszeniert (auch wenn hier und da mit etwas Hilfe, aber dazu komme ich weiter unten). Die Vorgänge waren größtenteils auch für Nicht-Technik-Nerds nachvollziehbar, wodurch die Spannung leichter entfalten werden konnte. Besonders hervorzuheben sind in Sachen Aufmachung natürlich die Episoden 5 und 6 (oder in der leicht irreführenden Episodenbetitelung „eps3.4_runtime-err0r.r00“ und „eps3.5_kill-pr0cess.inc“), die auf komplett unterschiedliche Art und Weise zwei absolute Weltklassestunden Fernsehen und mit das Beste, was ich in diesem Jahr zu sehen bekommen habe, darstellten. Die eine in wunderbarer One Take-Optik durch die komplette Folge hindurch, die andere mit sensationellem Schauspiel von Rami Malek gegen sich selbst. Allgemein war das Schauspiel des gesamten Casts ungemein gelungen.
Dass der innere Kampf Elliots gegen Mr. Robot wieder mehr ins Zentrum gerückt wurde, war auch ein smarter Schachzug. Die gegenseitige Versuche der Manipulation, die zwischenzeitliche Art der zeitversetzten Kommunikation hatte alles: von Slapstick bis zu ungemein smartem Storytelling und visuell abwechslungsreicher wie eindrucksvoller Inszenierung. Ein mit Seife beschriebener Spiegel oder das Spiel mit visuellen wie akustischen Fehlfragmenten, die man aus der digitalen Welt kennt (Glitches, niedrige Audio-Brandbreite) empfand ich als ungemein passend.
Fernab dieser kleinen Gimmicks gelang es auch, die Story zielgerichtet und mit Windungen und Wendungen zu erzählen. Vermeintlich wichtige Elemente verkamen kurze Zeit später zu kleinen Randerscheinungen, wichtige Personen verloren ihren Status, andere gewannen an Bedeutung. Das Setting befand sich stets im Wandel und war doch konsequent und nie um eine schlaue Zeile verlegen.
„It’s not that I am out of moves. It is that you are not worth one.“ (Price)
Überraschung: keine Überraschung!
Die vielleicht größte Überraschung ist, dass es keine große Überraschung gab. DER große Twist blieb aus. Was einige nach den eindrucksvollen Momenten zuvor (vor allem in Staffel 2) erwartet hatte, mag manche enttäuschen, ich finde es gut so, da man nicht künstlich versucht, den Quoten-Twist hinzulegen. Wendungen, einen großen Showdown und jede Menge Spannung sowie kleinere Offenbarungen (Elliots falsche Erinnerung, Mr. Robots Moves, der „Ich bin dein Vater“-Moment) gab es ja dennoch.
„We can survive a leak. You can‘t survive a bullet through your throat.“ (Grant)
Nicht alles war natürlich perfekt. Vereinzelt drehte sich die Stimmung etwas zu schnell und es wurde doch unübersichtlich. Gerade bei Whiterose und Price wird einem weißgemacht, dass beide stets mehr oder weniger alles wussten und der eigentliche Plan noch gar nicht komplett ausgespielt sei. Das hilft natürlich, um Situationen erklärbar werden zu lassen, in denen vor allem Price augenscheinlich nicht ganz konsequent (re)agiert hat, oder auch z.B., wie verdammt leicht Elliot Zugang zum Dark Army-Netzwerk erlangen konnte. Alles so geplant. Vielleicht. Vermutlich. Wir werden sehen.
Insgesamt war das einfach nur verdammt gut. Einzelne Ausreißer, wie den kleinen Kino-Ausflug zurück in die Zukunft, hätte es jetzt nicht unbedingt gebraucht und dass nicht alle zehn Episoden an die genialen Stunden im Mittelteil heranreichen, ist klar. Aber insgesamt gesehen war das einfach nur richtig starkes Fernsehen, das JEDE/R gesehen haben sollte, der sich Fernsehdramafreund/in nennt.
Mr. Robot Staffel 4?
Gerade erst gestern hat USA bekanntgegeben, dass es eine vierte Staffel geben wird. Natürlich ist das storytechnisch irgendwie klar, aufgrund der durchaus abflachenden Quoten (nur noch rund ein Drittel im Vergleich zu Staffel 1) aber nicht unbedingt sicher gewesen. So freue ich mich aber darauf, dass die Geschichte möglichst packend und stringent fortgeführt und dann irgendwann zum Abschluss gebracht wird. Ich kann mir auch vorstellen, dass die vierte die finale Staffel der Serie sein wird, da storytechnisch bereits zu viel eskaliert ist, so dass man sich bereits im finalen Stadium der Erzählung befindet und kaum mehr Offendeckungen vollziehen kann.
In der Post-Credit-Szene gab es bereits einen kleinen Hinweis darauf, wer uns erwarten dürfte. Der Freund und Drogenverticker von Elliots Nachbarin Shayla aus Staffel 1 stand plötzlich vor seiner Tür. Neben dieser kleinen Privat-Fehde geht es natürlich um das große Ganze. Die schlimmen ein Prozent der ein Prozent sollen dran glauben, Whiterose weiß noch immer alles und Price muss plötzlich irgendwie eine weitere Person in seiner kleinen Hütte unter bekommen. Ich freue mich schon ungemein auf die nächsten Stunden und könnte direkt weiterschauen. Nicht das schlechteste Zeichen.
Sehr guter Artikel! Ich kann dir nur vollkommen zustimmen. Die dritte Staffel war wirklich unglaublich gut.
Nur eine Sache (SPOILER): Meiner Meinung nach gab es einen großen Plottwist innerhalb der 6. Folge, als Elliot das New Yorker E-Corp Gebäude rettet und erst danach feststellt, dass andere 71 Gebäude explodierten. In meinen Augen war das der größte Schockmoment und dementsprechend auch ein Plot twist, den man mMn nicht vernachlässigen sollte :)
Freut mich, dass du meine Meinung teilst. Klar, das ist eine dieser Wendungen, die ich aufgezählt habe, für mich aber nicht in die Kategorie eines „alles bisherige umdrehenden Twists“ einzuordnen, was die ersten beiden Staffeln (vor allem S2) geschafft hatten. Wie du schreibst: Schock und Drama absolut, aber eher ein Dringlichkeitsmoment der Erschütterung.
google mal Synonyme für „ungemein“
Ungemein konstruktiver Kommentar… *nervig*
Hahaha
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