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7 Folgen aus dem Brisbane der 1980-er Jahre

Serientipp: „Boy Swallows Universe“ (Netflix Mini-Serie)

Mini-Spoiler
8. März 2024, 21:43 Uhr
Mini-Spoiler
Michael
08.03.24

Ein rotes Telefon, ein abgeschnittener Finger, ein Holden TE Gemini – Die australische Netflix-Serie „Boy swallows Universe“ lässt einen mit einigen markanten und mysteriösen Bildern in der Erinnerung nach sieben Folgen zurück. Nicht alle Bilder funktionieren in der Verfilmung des halbautobiografischen Romans von Trent Dalton richtig gut, aber trotzdem ist die Serie sehenswert. Es ist eine etwas andere Coming-of-Age-Geschichte mit einem tollen Cast und jeder Menge Details in der Erzählung, die es alleine schon wert sind, sich mit „Boy swallows Universe“ zu befassen. Dazu kommen ein paar Mystery-Elemente und ein eher unglücklichen Bruch nach der Hälfte der Serie (ungefähr so wie beim Serienposter) – der am Ende auch nicht mehr zu heilen ist. Warum sich die Netflix-Serie trotzdem lohnt, verrate ich in diesem Serientipp.

Der Titel „Boy Swallows Universe“ geht auf einen Moment zwischen der Hauptfigur Eli Bell und dessen Bruder Gus zurück. Die beiden Jungs leben in den 1980-er Jahren in Brisbane (mehr zu den Drehorten gibt es hier) bei ihrer Mutter Frances und ihrem Stiefvater Lyle, der in Drogengeschäfte verwickelt zu sein scheint. Wir wissen auch ziemlich schnell, dass Frances im Gefängnis landet und ein starkes Drogenproblem hat – keine einfache Kindheit für die beiden Teenager, möchte man meinen, doch die beiden leben relativ unbeschwert in den Alltag hinein. Dabei lernen sie viel von ihrem „Babysitter“ Slim Halliday, ein ehemaliger Knacki, der Eli schonmal das Autofahren beibringt und auch sonst ein sorgfältiges Auge auf die beiden wirft. Eli pflegt außerdem noch eine Brieffreundschaft mit Alex Bermuda – der im Gefängnis sitzt. Gus spricht seit einiger Zeit nicht mehr, er kommuniziert nur noch über Gesten oder schreibt Eli Nachrichten in die Luft. Und er erschafft irgendwann beim Anblick von Eli den Satz „Boy swallows Universe“…

Ein rotes Telefon…

Recht schnell setzen so ein paar Mystery-Elemente in „Boy swallows Universe“ ein: Es scheint so, als könne Gus Dinge aus der nahen Zukunft sehen. Er schreibt sie entweder verklausuliert in die Luft oder er zeichnet Bilder, die etwas andeuten. Und dann ist da noch ein rotes Telefon, im unterkellerten Bereich des Anbaus, das gelegentlich klingelt, wenn Eli oder Gus in der Nähe sind. Wer da anruft, wird nicht aufgelöst, auch der Sinn an sich wird nicht klar. Ist es Elis Unterbewusstsein? Ist es ein Fluchtpunkt? Einmal wird demonstrativ gezeigt, dass das Telefon gar nicht angeschlossen ist; für mich funktioniert das mit dem Telefon irgendwie nicht, da wurde gefühlt eine Chance vertan, obwohl es ganz clever eingefädelt ist, auf einer Metaebene: Die Stimme am anderen Ende der Leitung ist nämlich die von Trent Dalton, dem Autor der Romanvorlage, und damit so etwas wie das Vorbild für Eli. Regisseur Bharat Nalluri sagt, dass man die Bedeutung des Telefons bewusst offen lassen wollte, um dem Publikum eine Chance zu geben, selbst zu entscheiden, welche Bedeutung es hat. Das ist mir insgesamt zu wenig. Gus glaubt irgendwann, dass er selbst am anderen Ende der Leitung sei, und aus der Zukunft mit ihnen spreche. Tatsächlich fängt er irgendwann wieder an zu sprechen, und zwar in einem Moment, als die ganze Familie in Schwierigkeiten gerät.

… ein abgeschnittener Finger…

Die Situation endet mit dem abgeschnittenen Finger von Eli, was sich auch nicht mehr heilen lässt. Es sorgt aber dafür, dass der Handabdruck mit dem fehlenden Finger später noch eine wichtige Rolle spielt. Und wie gesagt, Gus kann ab da wieder sprechen, was der Rolle allerdings auch so ein bisschen den Zauber nimmt. Das ist aber nur eine Kleinigkeit: Tatsächlich sind alle Rollen ziemlich gut besetzt, allen voran natürlich der 13-jährige Eli Bell mit Felix Cameron und Lyle mit Travis Fimmel, den wir aus „Raised by Wolves“ oder „Vikings“ kennen. Der Cast funktioniert gut zusammen, die Story wird von Autor John Collee richtig gut entwickelt, so dass man sich schnell in die Serie hineinfühlen kann, mitfiebert und mitleidet. Vor allem in den ersten vier Folgen entfaltet John Collee die Geschichte der Familie toll. Dazu kommen die Nebenhandlungen mit der Drogenhändlerin Bich Dang, die Geschichte um den mysteriösen Ivan Kroll und die verworrene Story um Elis leiblichen Vater Robert. Nebenschauplätze gibt es noch bei der korrupten Polizei und der investigativen, gefragten Reporterin Caitlyn Spies, mit der sich Elis Wege mehrfach kreuzen. Kaum zu glauben, was John Collee alles in den ersten Folgen unterbringt.

… ein Holden TE Gemini

Dann kommt’s aber zum Bruch in der Serie. Sie macht einen Zeitsprung von rund vier Jahren, Eli wird jetzt gespielt von Zac Burgess, was der Figur nicht wirklich gut tut. Überhaupt ist der Sprung eine ziemliche Umstellung für uns Zuschauer:innen. Wir erfahren, dass Lyles ehemaliger bester Freund Teddy Callis, der mit dem unfassbar gut aussehenden Holden TE Gemini unterwegs ist (mehr zu den Autos aus der Serie gibt’s übrigens hier nachzulesen), die Familie wohl verraten hat, um sich an Frances heran zu machen. Und wir ermitteln gemeinsam mit Eli und Caitlyn Spies weiter, was es mit dem Verschwinden Lyles auf sich hat, und was dessen Boss Tytus Broz damit zu tun hat. Hier verschenkt die Serie für meinen Geschmack mehrere gute Gelegenheiten, etwas besonderes zu erzählen. Gerade von der Figur Tytus Broz hatte ich wesentlich mehr erwartet. Sie wirklich einigermaßen befremdlich und geheimnisvoll. Es bleibt aber oft bei Andeutungen, mehr kommt dabei nicht herum. Die Vorliebe für Prothesen wird zum Beispiel gar nicht weiter thematisiert. Immerhin gelingt der Serie eine schöne Wendung der Perspektive – und das hat mit der Bedeutung und dem Ansehen des Journalismus in der damaligen Zeit zu tun.

Die altehrwürdige Zeitung und der Traumberuf Journalist

Die Zeitung ist da noch eine Instanz, die eine wichtige Rolle im gesellschaftlichen Diskurs spielt, ein Ansehen hat und ein Gewicht, wenn es um die öffentliche Meinung geht. Und sie hat Potenzial, investigativ Dingen auf den Grund zu gehen und Missstände aufzudecken. Elis einziger Ausweg im ersten Teil der Serie, Lyles Verschwinden öffentlich zu machen, sieht er darin, sich an die Zeitung zu wenden. Er agiert hier als Zeuge, als Informant. Im zweiten Teil der Serie wechselt er die Seiten: Er möchte selbst aktiv werden, recherchieren, den Dingen auf den Grund gehen. Er fängt an, für die Zeitung zu arbeiten, mit einfachen Meldungen, die zeitlos sind und irgendwann mal abgedruckt werden könnten (ich habe mich stark an meine Anfänge bei der Zeitung erinnert gefühlt…). Mehr zur Wandlung von Eli zum Journalisten hat Amelia Lester für die New York Times geschrieben. In der Serie bildet Eli mit Caitlyn Spies ein Duo, weil beide die Neugier eint, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Die Serie nimmt sich hier viel Zeit, die Rolle der Zeitung und der Journalisten darzustellen und mit Leben zu füllen. Das liegt sicher auch an der eigenen Lebensgeschichte des Autors der Romanvorlage: Trent Dalton ist selbst Journalist. Der Zeitungstitel in der Serie, The Courier Mail, ist tatsächlich auch jenes Medium, für das Dalton selbst mehrere Jahre als Journalist arbeitete.

Sein Bezug zum Medium Zeitung beschreibt er bei HarperCollins: „Ich bin ein Journalist, der Tausende von Wörtern über die erschütterndsten Geschichten über das australische Leben in den Vororten geschrieben hat: Tragödie, Gewalt, Trauma, Umbruch, Verrat, Tod, Zerstörung, Familien, Drogen, Kriminalität, Hoffnung und Heilung – nein Hoffnung, keine Heilung. Und ich werde oft durch meinen Bauch daran erinnert, dass die Lebensgeschichte meiner eigenen Mutter die erschütterndste Geschichte bleibt, in der ich je die seltsame und oft beunruhigende Ehre hatte, ein bedeutender Teil davon zu sein.“ Und noch mehr zur Rolle eines Journalisten sagt er wenig später: „Alles, was ich als Journalist in den 17 Jahren meiner Meinung nach getan habe, wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst bin, ist, den ganzen Ballast meines Lebens durch die Geschichten Tausender Australier zu verarbeiten, die mir in den heiligen Räumen ihre tiefsten, dunkelsten Geheimnisse erzählen, und ich nehme diese Geheimnisse und verwandle sie so respektvoll wie möglich in Zeitungsgeschichten, und diese Geschichten helfen mir zu lernen, und zu wissen – und manchmal sogar zu heilen.“ Was ist dann „Boy swallows Universe“? Seine Gelegenheit, dieses Mal alle eigenen Geheimnisse zu nehmen und sie als solche in einen Roman umzuwandeln. Übrigens: Drei Tage die Woche arbeitet Trent immer noch als Zeitungsjournalist.

Am Ende klärt sich vieles auf – allerdings auch nur das Offensichtliche, das Erwartbare, mit einem soliden Happy-End. Alle angedeuteten Nebenschauplätze, mysteriösen Andeutungen und Stories verblassen im Laufe der Serie, werden unwichtig und gar nicht mehr beachtet. Das ist etwas, was man der Serie wirklich ankreiden muss, weil es hier so viele tolle Ansätze gibt, die fast gänzlich verschenkt werden. Es fühlt sich so an, als hätte man sich nicht ganz entscheiden können, entweder eine klassische Coming-of-Age-Geschichte zu erzählen oder eine Mystery-Story. Die Mischung funktioniert für mich auf jeden Fall nicht. Offensichtlich gab’s die Diskussion um das „Wie“ der Serie und den Bruch der Story auch im Vorfeld der Produktion. „Wir wussten aus dem Buch, dass die Veränderung des Tons, die nötig ist, um dieses Finale zu erreichen, ziemlich knifflig sein würde“, sagt zum Beispiel Produzent Andrew Mason. „Die ganze Serie ist ein Mischmasch aus Genres – Fantasy, Drama, Krimi, Horror – die eigentlich nicht zusammenpassen sollten. Das tut sie aber, weil im Kern dieser Junge und seine Familie stehen, die einem am Herzen liegen. Man lässt das fantastische Element fast beiseite, weil man Eli glaubt und ein Happy End für ihn sehen will. Wegen dieses zentralen Herzstücks können wir jedes Genre einbringen und trotzdem die Geschichte im Mittelpunkt behalten“, sagt Regisseur Bharat Nalluri bei Netflixwoche, und „jedes andere Studio hätte uns gesagt, wir sollten es als Drama belassen oder die Fantasie weglassen.“ Das hätte ich auch gesagt…

Trotzdem gibt’s von mir hier den Serientipp zu „Boy swallows Universe“ – weil die Serie auch so viele gute Ansätze hat, mit einem tollen Cast daher kommt und es sich zwischendrin gut anfühlt, einfach bei den Bells mit am Tisch zu sitzen, die kleinen Abenteuer des Alltags zu erleben, Kyle und Eli auf dessen nächtlichen Touren zu verfolgen – oder einfach eine Runde im Holden TE Gemini mit zu drehen.

Bilder: Netflix

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