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Kunstvolle Entschleunigung

Review: Master of None – Staffel 3 („Moments in Love“)

Spoilerfrei
25. Mai 2021, 10:15 Uhr
Spoilerfrei
Maik
25.05.21

Als der Trailer zur Fortsetzung von „Master of None“ veröffentlicht wurde, habe ich mich extrem gefreut. Auf neue Folgen mit dem durchgeknallten Dev, dessen Leben so viele Höhen und Tiefen besitzt, an denen wir bereits teilhaben durften. Mit dem kurz vor Start der neuen Folgen veröffentlichten Featurette zur Entstehung dieses Specials war aber klar, dass meine ersten Theorien zur eigenwilligen Präsentation nicht Bestand haben sollten. Nein, die im Trailer gezeigten Ausschnitten waren nicht etwa wieder ein kunstvoller Mini-Exkurs von vielleicht ein oder zwei Episoden im Rahmen einer abwechslungsreichen und dynamischen Staffel, wie wir „Master of None“ bislang kannten, nein, dieser Exkurs IST die Staffel. Und genau darin könnte ein Problem liegen.

„Master of None presents: Moments in Love“ steht auf einigen Plakaten. Ja, die Staffel besitzt einen Beinamen (im Deutschen „Momente einer Liebe“), aber sie wird bei Netflix ganz offiziell nicht etwa als Special oder gar Spin-Off geführt, sondern als dritte Staffel. Das dürfte Erwartungen geweckt und enttäuscht haben. Das zeigen auch die IMDb-Bewertungen, die von 8-9,5 in Staffel 2 auf um die 6,0 heruntergebrochen sind. Das geht mir etwas zu tief, aber ja, „Moments in Love“ ist anders.

„Die dritte Staffel, bei der der Emmy-Preisträger Aziz Ansari Regie führte, der gleichzeitig auch Co-Schöpfer der Serie ist und gemeinsam mit Lena Waithe das Drehbuch verfasst hat, ist eine moderne Liebesgeschichte, die sich hautnah mit den Höhen und Tiefen der Ehe, dem unerfüllten Kinderwunsch und dem persönlichen Wachstum – ob allein oder als Paar – auseinandersetzt. Dabei treffen romantische Höhenflüge auf herbe Verluste, die existenzielle Fragen über die Liebe und das Leben aufwerfen. Die dritte Staffel, bei der Aziz Ansari und der Emmy-Preisträger Alan Yang als Co-Schöpfer fungieren, zeigt, wie sehr sich die Serie weiterentwickelt hat. Dabei knüpft sie an die vorherigen Staffeln an und leitet gleichzeitig neue Erzählstränge ein.“

Vergrößerungsglas auf einer Beziehung

Das Setting von „Moments in Love“ ist schnell erzählt. Die uns bereits als Figur aus dem Freundeskreis von Dev bekannte Denise (Lena Waithe lebt mit ihrer Frau Alicia zusammen (gespielt von Naomi Ackie, die man als Bonnie aus „The End of the F***ing World“ kennen könnte). In einem großen, architektonisch wie einrichtungstechnisch sehr interessanten und sehr alten Landhaus. Die Szenerie spiegelt in gewisser Weise die ganze Ausrichtung der Staffel wider. Aziz Ansari legt viel Wert auf Retro-Elemente. Das Bild wird uns im körnigen Analogfilm und 4:3-Format gebracht. Vielleicht nur ästhetische Spielerei, weil er es mag oder weil er eine gewisse Stimmung erzeugen will, vielleicht auch Mittel zum Zweck, um aufzufallen. Oder aber, um zu zeigen, dass er eine Lupe auf eine Beziehung legen möchte. Er zeigt uns Ausschnitte aus dem Leben zweier Personen, das in diesem Moment eines ist. Die größtenteils statisch bleibenden Kamerabilder vermitteln in sehr langen Takes authentische Segmente realen Lebens, wobei nicht selten Figuren aus dem 4:3-Raster fallen oder wir einige Charaktere ausschließlich stimmlich wahrnehmen, befinden sich ihre Figuren doch außerhalb des Bildes oder am anderen Ende einer Telefonleitung. Hier verzichtet Ansari auf den sonst üblichen Gegenschnitt der Gesprächspartner oder eine moderne Split-Screen-Inszenierung. So bleibt der Fokus auf den Hauptfiguren, die Situationen wirken intensiver und authentischer. Und wir bekommen noch mehr vom tollen Schauspiel zu sehen. Denn das gibt es immer wieder. Vor allem Naomi Ackie hat einige richtig starke Momente, besonders in ihrer Exkursfolge, dem vierten der insgesamt fünf Kapitel (=Episoden).

Aziz ist dann aber doch auch vor der Kamera zu sehen. Nur kurz, aber zwei Mal beehrt uns Dev mit seiner eindringenden Quietsche-Stimme und seiner meinungsstarken und direkten Art. Ich bin mir noch immer uneins, ob seine Einbindung nun gut oder schlecht war. Zum einen bringt sie ein bisschen des ursprünglichen „Master of None“ in diese Spezialstaffel, was Fans minimal milder stimmen könnte, zum anderen erinnert es aber eben auch an das eigentliche „Master of None“, was Fans wehmütig ob dem werden lässt, das sie dieses Mal eben nicht bekommen. Ja, „Master of None“ war, vor allem zu Beginn der zweiten Staffel, gerne auch mal visuell experimentierfreudig, der kunstvollen Inszenierung zugeneigt, stets hat man aber den Spagat zwischen hochwertiger Videokunst und kurzweiliger Unterhaltung hinbekommen. Tiefgehende und ernste gesellschaftliche Themen und Lebensfragen wurden immer wieder aufgetischt, aber mit ein paar lockeren Sprüchen und absurden Handlungsverläufen kontrastiert, so dass Otto-Normal-Zuschauer:in gar nicht immer mitbekommen hat, was einem da gerade Ernstes aufgetischt worden war, war die vergangene halbe Stunde doch so lustig und schnell vorbei. Das ist dieses Mal anders.

Entschleunigung trifft Lebens-Rasanz

„Moments in Love“ nimmt sich Zeit. Gerade in den ersten Minuten ist das hart. Wir sind heutzutage an schnelle Schnitte und gehaltvolle Handlungen gewohnt. Hier gibt es aber lange Einstellungen auf landschaftliche Szenerien zu sehen, keinen wirklichen musikalischen Soundtrack, wenn Musik ertönt, dann ist sie auch in der Serie selbst im Hintergrund zu hören. Das Setting wirkt wie eine Mischung aus Dokumentarfilm und Heimvideo. Gewöhnt man sich erstmal an das entschleunigte Tempo, entschleunigt man auch ein bisschen selbst. Man weiß die Zeit schätzen zu lernen, die man nun damit verbringen kann, die Atmosphäre aufzusaugen oder auch die vielen kleinen Dinge in den Aufnahmen zu sehen. Wirklich Verspieltes gibt es selten zu sehen, bleibt die Bildsprache doch zumeist sehr direkt, aber wann nimmt man sich schon mal die Zeit, die Umgebung der sonst so aufmerksamkeits-stehlenden Figuren genauer zu studieren?

Doch so langsam alles beginnt, so überraschend schnell entwickeln sich dann einige Dinge. Und hier kommt die Kontrastwirkung ins Spiel. Bewegt sich dann doch mal eine Kamera, zum Beispiel im Rahmen einer Autofahrt, wirkt alles gleich um so dynamischer. Das bewegte Bild transportiert direkt die physische Bewegung der Figuren. Passiert in all der vermeintlich langweiligen Beziehungskiste dann mal etwas Außergewöhnliches, wirkt es gleich doppelt dramatisch. Kontext ist King. So schafft Ansari es, mit Kontrasten zu spielen. Und die Handlung selbst nimmt hinten raus dann doch erstaunlich Fahrt auf, was sich zumindest in Zeitsprüngen zeigt, die allerdings auch nicht immer direkt ersichtlich sind. Zwischenzeitlich hat man sich dann schon gefragt, ob man etwas nicht mitbekommen hat oder wie alt eine der Figuren eigentlich gerade noch war?

Letztlich geht es natürlich um Liebe, eine Beziehung und Familie. Aber dann doch auch im das Gemeinsame und das Eigene. Die Leben einzelner Menschen, die gemeinsam aber eben auch separat existieren, eigene und gemeinsame Wünsche und Vorstellungen haben. Und das Leben, das sich stets im Wandel befindet. Bei dieser etwas über drei Stunden andauernden Erzählung schauen wir Zuschauer:innen zwei Personen bei einem Abschnitt ihrer Leben zu und können doch so vieles aus unseren Leben erkennen. Je nachdem, wie (lange) wir unseres so führen, aber zumindest lässt sich denke ich für jede/n etwas daraus ableiten, und sei es nur ein Gedankenanstoß. Denn auch „Moments in Love“ bietet viel mehr davon, als lediglich die Frage, wie man sein Bad einrichten sollte. Es geht um Prioritätensetzung, Lebensplanung, Risiken, Geld, Familie, Ängste, Unsicherheiten, Erfolg. Eigentlich so vieles in so kurzer Zeit, und doch dürften sich viele Leute nicht daran erfreuen können.

Schwerer Exkurs statt frisches Spin-off

Dass Aziz Ansari eine gewisse künstlerische Ader in der Filmschaffung besitzt, hat man ja in den ersten beiden Staffeln „Master of None“ bereits durchblitzen sehen. Gehörig. Und doch wirkt „Moments in Love“ als hätte er jetzt sein großes Sonderwerk schaffen dürfen. Auf Basis des vorherigen Erfolges und mit der Gewissheit für Netflix, dass das auch Leute sehen werden. Wie viel davon und mit welcher Meinung, sei zumindest mal anzuzweifeln. Denn ja, viele Leute sind verärgert. Haben sie die Serie „doch nur wegen Dev geschaut“. Entsprechend dürften einige vermutlich auch während der ersten oder der zweiten Folge abgeschaltet haben, als die Gewissheit einsetzt, dass es sich wohl tatsächlich um eine komplette Konzeptstaffel handeln dürfte. Und das ist schade. Denn durch die Eingliederung als offizielle dritte Staffel nimmt sich „Moments in Love“ auch einer gewissen Chance. Unvoreingenommen als gesehen zu werden, das es ist. Ein besonderer, sich gegen Actionsucht und moderne Rezeptionsgewohnheiten stemmender Versuch, das Leben zu feiern. Mit all seinen langweiligen Normalitäten. Das hätte man als Spin-off-Special vielleicht besser abgesondert bekommen, auch wenn dann ggf. weniger Leute zugeschaut hätten.

Und nein, „Moments in Love“ ist kein kunstvolles Meisterwerk, das Ansari unsterblich machen wird. Dazu hat es dann doch auch objektiv betrachtet zu große Längen, einige nicht gänzlich durchdachte Handlungselemente und eine Dramatik, die nicht immer stimmig erscheint. Aber die fünf Folgen setzen sich gekonnt vom Einerlei dessen ab, was wir heutzutage auf Netflix und Co. zu sehen bekommen und weiß mit Authentizität zu punkten. Sowohl, was die Geschichte angeht, als auch deren Darbietung durch den vorrangig weiblichen Cast.

„Moments in Love“ hat wenig Spaß gemacht, das sollte es aber auch gar nicht. Was hier vernichtend klingt, soll eher die Ausrichtung dieser besonderen Staffel „Master of None“ umschreiben. Das Leben ist leider nicht immer nur Spaß. Dazu gehören auch die ernsten, die traurigen, die verzweifelnden Momente. Erst die Tiefs lassen die Hochs noch positiver erscheinen. Und so bekommen wir in der Geschichte um Denise und Alicia die Achterbahnfahrt einer Beziehung, aber auch die persönlichen Reisen zweier Menschen zu sehen, die sich selbst, sich gegenseitig und Menschen um sie herum berühren und verändern. Ein Stück aus dem wahren Leben, das in aller Zeit und Ruhe betrachtet und dargeboten wird. An einigen Stellen vielleicht etwas zu langatmig, an anderen gar etwas überholprig, aber insgesamt ist man dann doch erstaunt, wie kurz einem die knapp drei Stunden dann trotz statischer Kameraeinstellungen und minutenlanger Sequenzen ohne Schnitte dann vorgekommen sind. So sehr zieht die Geschichte und ziehen die Figuren einen hinein, WENN man sich denn darauf einlässt. Und doch möchte ich jetzt bitte wieder eine normale Staffel „Master of None“ schauen.

Bilder: Netflix | Paul Sallent

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