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David gegen Google

Review: The Billion Dollar Code (Netflix-Miniserie)

Mini-Spoiler
4. November 2021, 10:40 Uhr
Mini-Spoiler
Maik
04.11.21

Wie beim jüngst verbloggten Making-of-Video zu „The Billion Dollar Code“ bereits angedroht, möchte ich euch in diesem spoilerarmen Review meine Meinung zur deutschen Miniserie mitteilen, die ihr seit 7. Oktober auf Netflix sehen könnt. Mit vier jeweils in etwa einstündigen Episoden wäre das wohl vor fünf Jahren noch ein Fernseh-Zweiteiler geworden, so ist „The Billion Dollar Code“ ideales Binge-Futter fürs Wochenende oder einen langen Abend.

Die wahre Geschichte hinter der Serie

Nein, „The Billion Dollar Code“ ist keine Doku-Serie, sondern eine ganz normale Drama-Produktion. Und doch basiert die Geschichte auf wahren Ereignissen. Einige Namen der Personen wurden verändert, aber die Grundgeschichte ist identisch. 1988 haben Andreas Wiek und Joachim Sauter die Firma ART+COM gegründet. 1993 wurde „Terravision“ entwickelt, eine Software, die es ermöglicht hat, an einem Computer zu jedem beliebigen Ort der Welt zu reisen und mittels Satellitenaufnahmen aus dem Weltall dorthin zu zoomen. Kommt euch bekannt vor? Yep, wie Google Earth. Und genau darum geht es. Denn in der Serie bekommen wir nicht nur die Geschichte hinter der Entstehung von Terravision erzählt, sondern in einer zweiten Zeitebene auch, wie die Macher gegen den US-Konzern gerichtlich vorgehen wollen, da diese (augenscheinlich) die Idee schlichtweg kopiert haben. Die Grundausrichtung der Serie könnt ihr auch dem Trailer entnehmen. Ich hoffe inständig, dass der im Juli diesen Jahres verstorbene Joachim Sauter noch vor seinem Tod eine Fassung der Serie zu sehen bekommen hat. Das ist schon ein Stück Lebenswerk, das hier gehuldigt wird.

Interessante Vision mit vereinzelten Bugs

Den Namen Sauter sucht man in der Serie jedoch (bis zum Abspann) vergebens. Hier sind Digitalkunst-Visionär Carsten Schlüter und Coding-Genie Juri Müller die Protagonisten. Gerade zu Beginn gefällt mir, wie das Berlin nach dem Mauerfall inszeniert worden ist. Gut, man könnte kritisieren, dass stets die gleichen drei Kulissen zu sehen sind, aber die sind zumindest glaubhaft im Retro-Stil eingefangen worden. Leider muss man sich beim Anblick dieser Bilder auch eingestehen, dass die Neunziger dann doch länger her sind, als man es sich zugestehen möchte…

Das Casting hat mir sehr gefallen, vor allem, was die Besetzung der beiden Zeitlinien-Varianten der Hauptfiguren anbelangt. Leonard Scheicher und Mark Waschke haben Carsten Schlüter haben optisch zumindest in einer Frisuren-Entwicklung durchaus Ähnlichkeit beweisen können, vor allem aber Marius Ahrendt als junger und Misel Maticevic als etwas betagterer Juri Müller haben mir sehr gefallen. Hier hat nicht nur die Optik gestimmt, sondern auch Mimik und Verhaltensweise. Bei der Figur des Carsten Schlüter kann man vielleicht einfach Betagtheit und eine gewisse Abstumpfung der jugendlichen Aufgedrehtheit als Argumente anführen, aber das Spiel von Waschke wirkte auf mich teilweise, als würden Erzähler-Stimme und Darstellung verschwimmen. Da hätte ich mir mehr Kontrast gewünscht. Insgesamt war der Cast aber durchaus überzeugend, finde ich.

Auch dank der guten Besetzung funktioniert die verwobene Erzählung der beiden Zeitlinien gut in „The Billion Dollar Code“. Im Zuge der vier Folgen nimmt der Anteil der früheren Sequenzen ab und wir bewegen uns beinahe stufenlos mehr und mehr gen Heute (respektive 2017, als der Prozess gegen Google in der realen Welt final entschieden worden ist). Verwoben ist jedoch auch die Sprache, was nicht immer glücklich funktioniert. Man kann der Serie zugute halten, dass im Sinne der Authentizität Figuren dann Deutsch reden, wenn sie es auch wirklich getan haben, und dann Englisch, wenn sie selbiges gesprochen haben. Leider ergibt sich so aber auch immer wieder die seltsame Situation, dass wild zwischen den Sprachen gewechselt wird, was vor allem aufgrund der integrierten deutschen Untertitel nervig bis spoilernd ist. Das gipfelt im Gerichtsprozess, bei dem die deutschen Figuren alle Übersetzungs-Knöpfe im Ohr haben und auf die englischen Fragen auf Deutsch antworten. Klar, so wird das im Gericht gemacht, da man sicherstellen möchte, dass jedes Wort verstanden wird, im Zuge der fiktiv angehauchten Serien-Adaption hätte man auf diesen Aspekt aber auch gut verzichten können, finde ich.

Das Verfahren hat allgemein die größten Schwächen der Serie offenbart. Waren zuvor bereits ein paar kleine Momente dabei, die überzogen inszeniert gewirkt hatten, wird es hier dann doch sehr plump. Vor allem vor dem Hintergrund, dass hier eine angesehene Profi-Kanzlei Millionen an Dollar in die Hand nimmt, dann aber basale Dinge nicht vernünftig vorbereitet. Vom schnell ins Wanken ratenden Google-Anwalt mal ganz abgesehen. Ne, da wurde schon ziemlich viel für uns TV-Jury ins Abstrakte vereinfacht, damit man eine gewisse Dramatik hinbekommt und damit wir auch ja alles nachvollziehen können.

Dennoch schafft man es, über die vier Episoden hinweg eine stimmige Erzählung zu übermitteln. Die Aufnahmen sehen gut aus, ohne wirkliches Feuerwerk abzubrennen, was der eher sachlichen Lage aber ja auch nicht angemessen wäre. Die Situation zwischen einigen Figuren ist jetzt vielleicht nicht in Gänze nachvollziehbar, aber führt zumindest zu Anknüpfungspunkten beim Publikum. Wir kennen ja sicherlich alle Momente, in denen Entscheidungen getroffen werden, die vielleicht nicht glücklich verlaufen. Und vor allem bietet „The Billion Dollar Code“ einen ziemlich klaren Angriff auf die großen der Wirtschaft, die kleinen Unternehmen Ideen und Möglichkeiten wegnehmen. Sei es aus Naivität der Kleinen oder mit zumindest mal irreführenden Taktiken. Das gibt einem zu denken.

Der ganz große Wurf ist „The Billion Dollar Code“ zwar nicht, aber die Miniserie weiß eine relevante Geschichte auf fokussierte Art und Weise zu erzählen. Die vier Stunden fühlen sich nicht so lang an und sind prima an ein oder zwei Tagen weg zu schauen. Leider gibt es immer wieder kleinere Grobheiten in der Inszenierung, die den Sehspaß nicht ganz reibungslos wirken lassen. Leicht hölzern wirkende Dialoge, das Deutsch-Englisch-Untertitel-Wirrwarr oder die unrealistisch wirkenden Verhandlungs-Punkte. Dennoch ist die Miniserie gut gelebtes Edutainment, könnte der Stoff doch so bereits gut wirken, weiß aber dann doch ob des wahren Hintergrundes in gewisser Weise auch aufzuklären über Missstände, die viele von uns nur am Rande mitbekommen. Denn mir persönlich war Terravision bis zu „The Billion Dollar Code“ absolut kein Begriff. Und in gewisser Weise hat ART+COM ja dann jetzt im Nachgang doch noch eine öffentliche Kundgebung erhalten, dass sie die wahren Erfinder von Google Earth sind. Und das ist doch auch irgendwie eine Art Happy End.

Bilder: Netflix

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