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Oscar-Preisträgerin Michelle Yeoh und Oscar-Preisträger Ke Huy Quan sind dabei

Serientipp: „American Born Chinese“ (Disney+)

Mini-Spoiler
8. Juni 2023, 10:06 Uhr
Mini-Spoiler
Michael
08.06.23

Ein chinesisches Volksmärchen als aktueller Serientipp? Ja, irgendwie schon, aber noch ein bisschen mehr: „American Born Chinese“ basiert zwar auf der klassischen chinesischen Novel „Journey to the West“, aber auch auf den eigenen Erfahrungen des Comic-Autors Gene Luen Yang, der seine Kindheitserfahrungen als in Amerika aufwachsender Jugendlicher chinesischer Abstammung mit den Volksmärchen mischte und in der Graphic Novel „American Born Chinese“ zusammenführte. Die Serie mit ihren acht Folgen basiert auf der Graphic Novel von 2006, Showrunner Kelvin Yu („Bob’s Burgers“, „Central Park“, „The Afterparty“) hat ihr aber andere Akzente und Abfolgen mitgegeben. Heraus kommt eine wilde Mischung aus chinesischer Kampfkunst-Action im Look der 70er Jahre und der prägenden Optik entsprechender Filme mit einer recht normalen Coming-of-Age-Geschichte und klassischen Teenager-Komödienelementen. Das verstört und fasziniert an einigen Stellen zugleich. Mich hat’s abgeholt und ich hatte großen Spaß an der Mischung, vor allem an der großartigen Inszenierung mit dem genauen Auge und dem feinen Gespür der Regisseur:innen in den Details der einzelnen Folgen. Dabei kristallisieren sich vor allem 2 echte Highlight-Folgen heraus, die nicht nur innerhalb der Disney-Serie, sondern auch generell absolut sehenswert sind – aber dazu später mehr.

American Born Chinese: Jede Folge übernimmt ein:e andere:r Regisseur:in

Dabei lohnt es sich gleich, dazuzusagen, dass man der Serie etwas Zeit geben muss. Der eine oder andere wendet sich vielleicht nach zwei oder drei Folgen etwas gelangweilt ab, weil die Serie nicht so richtig in Fahrt zu kommen scheint. Die ersten Folgen haben viel von Teenager-Serie der klassischen US-amerikanischen Machart, immerhin ein bisschen Witz, aber letztlich doch wenig Überraschendes. Aber genau dieser Einstieg ist wichtig, weil er zeigt, wie relevant es für Hauptfigur Jin Wang ist, ein normales Leben in einer klassischen amerikanischen Highschool führen zu können: „Ich möchte einfach ein normaler Typ sein, der normale Dinge tut“, sagt er gleich zu Beginn, doch die Chance gibt ihm weder die US-amerikanische Gesellschaft – noch diese Serie.

Regisseur Destin Daniel Cretton („Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings“) führt uns trotzdem erstmal gemütlich in das Setting ein, stellt uns Hauptfigur Jin (gespielt von Ben Wang, „Search Party“, „MacGyver“) vor, der irgendwie zwischen allem hängt, aber nirgendwo so richtig dazugehört. Das möchte er ändern, doch da kommt ihm Wei-Chen (Jimmy Lui, „The Farewell“) dazwischen, der als neuer Mitschüler von der Direktorin gleich mal Jin zugeordnet wird – „weil Ihr doch so viel gemeinsam habt“ – ein erster Anklang zum großen Themenkomplex Rollenbilder, Vorurteile und Alltagsrassismus, den sich „American Born Chinese“ vorgenommen hat. Schonmal vorab: „American Born Chinese“ macht das immer wieder mal zum Thema, ohne damit zu nerven (wie es manchmal in „Atlanta“ der Fall war) oder es zu übertreiben. Es ist wohldosiert und perfekt eingesetzt, an den richtigen Stellen im Laufe der Handlung. Zurück zu Jin und Wei-Chen: Beide stehen auf die Kugo Ren Saga, haben aber sonst tatsächlich gar nicht viel gemeinsam. Trotzdem sind sie erstmal miteinander verbunden; durch die Verkettung unglücklicher Umstände passiert Jin ein Missgeschick, das gleich viral geht. Der Konflikt auf der Erzählebene Teeniedrama ist gesetzt.

Dann ist Regisseur Dinh Thai („The Good Doctor“) an der Reihe – er führt weitere Personen ein und hat gleich eine schöne Geschichte mit Jins Vater Simon parat, der seinen Chef eigentlich auf eine Beförderung ansprechen möchte, sich letztlich aber lieber in sein Auto zurückzieht, um voll aufgedreht Bon Jovi zu hören – nichtsahnend, dass ihn sein Chef dabei beobachtet, der selbst großer Bon Jovi-Fan ist. Die Autoszene und der darauf folgende Dialog zwischen den beiden ist für mich direkt eines der Highlights der Anfangsphase. Dann geht’s weiter mit Regisseur Dennis Liu („Netflix‘ Raising Dion“), der den Übergang schafft zur chinesischen Märchenwelt. Guanyin, die Göttin der Barmherzigkeit, gespielt von Oscar-Preisträgerin Michelle Yeoh, tritt gegen Bull Demon an, dem es gelingt, den Stab von Sun Wukong (Daniel Wu, „Westworld“, „Into the Badlands“) zu stehlen, dem Vater von Wei-Chen.

Erwähnt werden muss an dieser Stelle der tolle Score von Wendy Wang, die die perfekte Mischung und den richtigen Ton in praktisch jedem Moment trifft. Der Score unterstützt das Visuelle perfekt und bildet eine tolle Einheit – ein wichtiger Faktor beim Gesamtvergnügen „American Born Chinese“. Wer reinhören möchte – hier kommt der Score als Playlist.

Außerdem gibt’s noch zahlreiche Songs drumherum, die ebenfalls ausgezeichnet ausgesucht und zusammengestellt sind, zum Beispiel von der großen taiwanesischen Sängerin Teresa Teng – und natürlich von Jon Bon Jovi. Wer da reinhören möchte – hier gibt’s eine Sammlung aller Songs aus den acht Folgen (jeweils zwischen 29 und 43 Minuten lang):

Wer aufgepasst hat, der wird feststellen, dass bis jetzt bei meiner Aufzählung in jeder Folge ein anderer Regisseur am Werk war. Und das bleibt grundsätzlich auch so, was ganz clever von Showrunner Kelvin Yu eingefädelt ist, denn er hat sich für jede Facette der Serie einen echten Experten an Bord geholt, der sich mit dem jeweiligen Schwerpunkt der Folge bestens auskennt. In keiner Folge wird das deutlicher als in Folge 4 („Make a Splash“), die für mich der absolute Höhepunkt der Staffel ist. Peng Zhang, vor allem bekannt als Fight und Stunt Coordinator für Filme wie „Marvel’s Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings“, „Ant-Man“ oder „47 Ronin“, darf hier loslegen und präsentiert uns eine Bottleneck-Episode vom Allerfeinsten. Sie führt uns komplett in die mysitsche Welt des Affenkönigs und erzählt uns viele Hintergründe zur mystischen Märchenebene der Serie. Dabei nimmt sie Charakteristik, Optik und Erzählweise der Geschichte von klassischen chinesischen Produktionen auf, wirkt an vielen Stellen ähnlich simpel, aufgedreht, laut, hat einen ausgeprägten Wuxia-Einschlag (wie auch fast alle anderen Folgen in unterschiedlich starker Ausprägung) – und macht einfach großen Spaß. Dazukommt die starke Cinematography von Brett Pawlak und Alan Poon.

Überhaupt Wuxia: Die Charaktere stolpern flink an Wänden hoch und wirbeln schwerelos durch die Luft, während sie an Schauplätzen gegeneinander antreten, die von einer purpurroten Wiese im Himmlischen Reich bis in eine schmutzige Bowlinghalle reichen, verteilt über alle Folgen hinweg. Zurück zu Folge 4: Sie präsentiert die Ursprünge von Bull Demons Konflikt mit Sun Wukong – der auf einen Vorfall beim „Sublime Banquet of Immortal Peaches“ vor tausenden von Jahren zurückzuführen war – erzählt eben als raffiniertes chinesisches Drama im Stil der 70er Jahre, komplett mit einem wirklich groovigen Titelsong („Er ist nur ein Affe auf der Suche nach einer Party/ Heute Abend wird er verrückt/ Zeit, für Furore zu sorgen“). Die komplette Haupterzählung von Folge 4 ist auf Mandarin, so dass man gut damit beschäftigt ist, im unteren Bereich mitzulesen, dass mindert den Spaß an der Folge aber praktisch gar nicht. Für mich eine Highlight-Folge des bisherigen Serienjahres!

Damit hat die Serie ihr angemessenes Tempo gefunden, geht munter voran, die Teenie-Dramaebene tritt immer weiter in den Hintergrund, stattdessen fokussiert sich „American Born Chinese“ einerseits auf die Elemente des Volksmärchens, andererseits auf den Konflikt, den Einwandererfamilien in der US-amerikanischen Gesellschaft zu durchleben haben. Die restlichen Folgen dürfen Johnson Cheng („The Chi“), Lucy Liu (ja, die Schauspielerin aus „Ally McBeal“), Erin O’Malley („New Girl“) und nochmal Destin Daniel Cretton, der die Pilotfolge schon inszeniert hatte, übernehmen. Erin O’Malleys Folge 7 ist dabei eine weitere Empfehlung, denn hier zieht die Regisseurin eine weitere Erzählebene ein. Oscar-Preisträger Ke Huy Quan ist Jamie Yao als Freddy Wong – eine unfallgefährdete Figur in der fiktiven Sitcom „Beyond Repair“. Ke Huy Quan hat hier einen bewegenden Moment, wenn er darüber spricht, wie schwierig es für Schauspieler:innen mit Migrationshintergrund ist, da sie auf bestimmte Rollen festgelegt werden. Ein Blick in seine Sitcom zeigt – Freddy Wong wird hier mit so vielen Stereotypen überhäuft – vom chinesischen Akzent bis zum Bowl-Cut – dass es schon weh tut. „Die einzigen Rollen, die mir angeboten wurden, waren Nerds und Nachbarn“, sagt er. „Und manchmal Ninjas.“ Dabei zeigt Ke Huy Quan eine ganz ernste Seite – und bekommt im Prinzip zu wenig Screentime in der Serie. Aber: „American Born Chinese“ ist an dieser Stelle gerade schon so sehr in Fahrt, dass sich alle auf den kern der Story fokussieren.

Erin O’Malley verbindet zusammen mit Autorin Lana Cho („Minority Report“, „Ich weiß, was Du letzten Sommer getan hast“) diese Erzählebene mit der Hauptebene, in der Folge verschwimmen nicht mehr nur die Märchenwelt und die reale Welt, sondern auch die fiktive Fernsehwelt der 90er Jahre Sitcom miteinander. Parallel haben Jins Eltern Simon und Christine einen wichtigen Moment, als sie ins Zimmer der Schulleiterin der Highschool gerufen werden und dort über Jins Fehlverhalten sprechen sollen. Das Gespräch wendet sich dann aber ganz überraschend: Simon ertappt die Schulleiterin bei der Auslegung ihrer stupiden Rollenbilder, ihrem Alltagsrassismus und ihrer Konformität von in Seminaren gelernten Vorgehensweisen. Ein toller Erzählmoment, zudem stark inszeniert con Erin O’Malley. Ich mag es – und das wird an dieser Stelle der Folge ganz besonders deutlich -, dass „American Born Chinese“ nicht versucht, hier besonders aufklärerisch zu wirken und mit gehobenem Zeigefinger alles bis ins Letzte zu erklären: Sie stellt vielmehr nüchtern dar und lässt die Zuschauer:innen mit- und weiterdenken – der exakt richtige Ansatz.

Am Ende wird’s dann wieder richtig bunt und drcheinander, ein würdiger Abschluss unter acht sehr unterhaltsamen Folgen, die „American Born Chinese“ zu einer der wichtigen Serien des Jahres für mich machen, Cliffhanger inklusive. Mein Tipp: Nicht vom gemächlichen, seichten Einstieg vergraulen lassen, sondern konsequent durchhalten und jede Menge Spaß haben.

Bilder: Disney

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