Vor exakt zwei Wochen ist der dritte Teil von „Disenchantment“ bei Netflix erschienen. Um es direkt mal vorweg zu nehmen: Im Grunde gibt es ziemlich genau das zu sehen, was man aus den ersten zwei „Staffeln“ her kennt (Netflix zählt diesen dritten Teil quasi als Auftakt zur zweiten offiziellen Staffel, was ich persönlich als sehr bescheuert erachte, aber gut…). Vielleicht etwas schöner, minimal souveräner und insgesamt ein ganz klein bisschen besser, der erhoffte große Wurf bleibt jedoch noch immer aus. Dennoch haben auch die Folgen 21 bis 30 so ihre Momente und sind insgesamt eine durchgehend solide Unterhaltung und vor allem willkommene Abwechslung zum Einerlei auf der Watchlist.
Die neuen Folgen setzen direkt am Ende des zweiten Teiles an (hier nochmal eine Zusammenfassung). Etliche Augen sind auf die im Untergrund dem Scheiterhaufen entkommenen Bean gerichtet. Kleine Elf-ähnliche Wesen, die – wie sich herausstellen soll – den Mond anbeten und sich dabei auf den blanken Hintern hauen. Ja, das Niveau ist schwankend, aber das ist okay, da „Disenchantment“ sich auch in dieser Staffelhälfte selbst nicht allzu ernst nimmt. Allgemein ist der Humor aber weiterhin angenehm trocken und weniger Slapstick als bei zum Beispiel den „Simpsons“. Vielmehr kann man vor allem die erste Hälfte dieser ersten Hälfte der offiziell zweiten Staffel mit der Schwesterserie „Futurama“ vergleichen, was vor allem an „Steamland“ liegt.
Die Steampunk-Stadt bietet viele erfrischende Elemente und wirkt schon alleine aufgrund seines retro-futuristischen Aussehens sehr an die andere Serie Matt Groenings. Nicht umsonst lassen sich massenhaft Referenzen dazu finden. Neben den vielen originellen Ideen, moderne Gegenstände in altertümliche Wasserdampf-Manier darzustellen, hat mir vor allem die sehr detailreiche Gestaltung gefallen. Allgemein gibt es viele schöne Hintergrund-Szenerien in diesen zehn neuen Episoden zu sehen. Und etwas Besonderes zu hören auch – die Stimme von Richard Ayoade, den die meisten aus „The IT Crowd“ kennen dürften, wo er Maurice Moss gemimt hat! Hier spielt er Alva Gunderson aka „Gordy“, den Bürgermeister…? Oder Inhaber…? Oder Geschäftsführer…? Jedenfalls das Oberhaupt von „Steamland“. Diese Überraschung hat mir sehr zugesagt, allgemein mochte ich auch die vielen anderen britischen Stimmen sehr gerne (z.B. die garstige Hipster-Fee).
„Oh, this is big. I really need some time do drink about this!“ (Bean)
Was ich weniger mochte, war die Erzählung über den Staffelteil hinweg. Immer, wenn man dachte, DAS ist jetzt DER Hauptstrang des Teiles, wurde dieser fallengelassen und größtenteils für den Rest der Folgen ignoriert. Erst geht alles um die (äußerst sexualisierte…) Dagmar, dann um Steamland, plötzlich gibt es diese großen Handlungsstränge nur noch in kleinen Andeutungen zu sehen. Abwechslung ist super, und ich befürworte auch, wenn es nicht allzu vorhersehbar ist, aber das wirkte bisweilen etwas ziellos und lieblos zusammengestellt.
„It‘s your favorite soup – melted butter.“ (Bean)
Über allem kann man am ehesten noch die Geschichte um Zøg betrachten. Der König ist aufgrund der ihm vermeintlich und tatsächlich ereilten Schicksalsschlägen des Wahnsinns verfallen. Wie viel Realismus und wie viel magischer Fluch in dieser Entwicklung steckt, wird die Zukunft bringen. Hier hat „Disenchantment“ es ganz gut geschafft, ein übergreifendes Mysterium gehaltvoll am Leben zu halten und gar für die Zukunft aufzubauen. Auch haben mir einige weitgreifendere Rückbezüge zu den ersten beiden Teilen sehr gefallen, die es vor allem in den letzten Folgen zu sehen gibt. Und auch so etwas wie Charakterentwicklung gibt es zu sehen. Sei es bei Prinz Merkimer oder auch dem pubertierenden Derek. Dennoch bleiben viele Nebenfiguren exakt das – schmückendes Beiwerk, das für echt platte Gags herhalten muss.
Dass nicht immer alles wirklich konsequent passiert, schafft „Disenchantment“ erneut charmant zu „beheben“. Ein aus dem Fenster lehnender Mann spricht regelmäßig Logikschwächen an, um stets von einem Pfeil erschossen zu werden – und dann wieder zu erscheinen. Dieses Spiel mit der Logik von Animationsserien hat mir sehr gefallen. So lässt sich natürlich alles tot-verargumentieren, handelt es sich doch eh um eine Fantasy-Serie. Wobei, die große Magie gab es in diesem Teil kaum zu sehen. Just in einem Moment, in dem Bean selbiges bemerkt, stellt sie in der Not auf einmal ein menschliches EMP dar. Danach wird da aber weniger drauf eingegangen. Vielleicht schlummert die große Magie aber noch in und unter der Stadt – wie so manch anderes auch…
„Ah, ‚The Crown‘, my favorite show!“ (Gordy)
Die größte Schwäche der Staffelhälfte ist vermutlich, dass es keine wirklich großen Stärken aufzuzählen gibt. Das Niveau bleibt konstant und es gibt weder wirklich Folgen, die negativ auffallen, noch welche, die wirklich herausragen. Auch Gags, die über die Stufen Schmunzeln oder Schenkelklopfen hinaus gehen, gibt es wenige bis keine. Das unterscheidet „Disenchantment“ dann halt doch noch von „Futurama“, das deutlich epischere Momente bereithalten konnte. Aber es gibt nette kleine Ideen, tolle Anspielungen und trockene Witze. Und wer weiß, vielleicht gibt es ja im nächsten Teil dann passend zu „Donkey Kong“ und „The Crown“ auch ein paar Anspielungen zur Netflix-Schwesterserie „Chilling Adventures of Sabrina“…
Grundsolide Unterhaltung mit originellen Charakteren, einem subtilem Humor und etlichen Anspielungen. Halt genau das, was Zuschauer auch bereits aus den ersten beiden Teilen kennen. Entsprechend ist das eher ein zehn-episodiger Nachschlag, denn eine Weiterentwicklung. Das ist nicht wirklich schlecht, aber eben auch nicht wirklich gut. Noch immer bewegt sich Groening somit ein Stück weit hinter den hohen Erwartungen, die ihm vor allem die starken „Futurama“-Momente in der Vergangenheit eingebracht haben. Aber es gibt auch Hoffnung, denn das Niveau hat sich stabilisiert und insgesamt hat es durchaus Spaß gemacht, den Teil zu schauen. Aber da geht halt noch immer mehr! Vielleicht ja dann in Teil 4, der quasi die zweite offizielle Staffel abschließt.
Mehr zu „Disenchantment“ gibt es hier bei uns im Blog-Archiv zu sehen.
Bilder: Netflix © 2020
Teil 3 ist Staffel 2 (bzw. die erste Hälfte der zweiten Staffel). Bitte trennt sowas doch sauber auseinander.
Ich habe es im Text nochmal etwas deutlicher differenziert, im Titel bleibt es zur Auffindung von über Google Suchenden, aber wie im Text zuvor bereits eingangs mit Anführungszeichen gesetzt.
Hab mir diese Staffel(-hälfte) jetzt auch endlich angesehen und kann nicht verstehen, warum diese Serie nicht mindestens so gehypt wird wie FUTURAMA. Es ist eine hervorragende Mischung aus dem typischen Groening/Cohen Humor, bei dem sich albernste Albernheiten und intellektuelle Anspielungen im Minutentakt die Hand schütteln. Aber diesmal mit dem Extrabonus einer interessanten, durchgehenden Handlung.
Gut wie so ziemlich jedes Serial hat auch dieses mittlerweile den Punkt erreicht, an dem so viele offene Handlungsstränge herumbaumeln, dass man sich fragt, ob jemals alle zufriedenstellend gelöst werden können oder ob man nach dem Serienfinale sich nicht doch noch fragt: „Hey, was war eigentlich mit…“. Auch die Kritik des ständig-neue-Handlungen anfangens kann man nicht von der Hand weisen. Teilweise fragt man sich da schon, ob es ein gewolltes Stilmittel ist oder ob die Autoren mehr abbeißen, als sie kauen können.
Aber zu meinem eigenen Erstaunen überzeugt die Serie mich bei den Charakteren. Normalerweise nervt es mich, wenn in solchen Comedyserien es plötzlich ernster wird. Und gerade in den Groeningschen Shows frage ich mich oft, warum man plötzlich von mir verlangt, sich um die Gefühle der eigentlich eindimensionalen Gagcharaktere zu kümmern. Aber schon als Elfo damals in Staffel 1 starb, hatte mich das ziemlich schockiert (auch wenn ich mir sicher war, dass er nicht tot bleiben würde). Als dann in dieser Staffel (Spoiler) Zøg seiner Tochter endlich mitteilen konnte, wie es um ihn steht und Luci einen so plötzlichen wie brutalen Tod erleidete, ging mir das näher als in so manchen Dramaserien.
Leider gab es in dieser Staffel auch den bisherigen Tiefpunkt der Serie zu begutachten. Die Meerjungfrauenfolge war zwar nicht schlecht per se, aber 30 Minuten allen Charakteren zuhören zu müssen, wie sie nur über ihre Beziehungsprobleme jammern, ist nicht gerade interessant. Vor allem wenn man bedenkt, was alles so davor und danach passierte, fühlt sich diese Folge nur wie ein planloser Füller an.
Aber abgesehen davon, freue ich mich schon auf die nächste Runde. Ich hoffe mal, dass die Zuschauerzahlen gut sind und Netflix bei Cartoons andere Absetzungsstandards hat, als bei ihren Realserien, damit wir noch lange etwas von DISENCHANTMENT haben (und alle Subplots ihr Ende finden).
Danke für deine ausführliche Einschätzung!
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