Hach ja, „Top-Listen“ können sich ja auf so vieles beziehen: persönliche Lieblingscharaktere, Lieblingsmusik, Lieblingsintros. Ich habe mir für diese Ausgabe einmal Serien herausgesucht, die sich durch herausragende Kinematographie auszeichnen und dadurch in ihrer Gestaltung ganz besonders kunstvoll wirken. Sei es der besondere Einsatz von Licht, die Komposition der Bilder oder das Spiel mit Farben: Bei allen fünf folgenden Serien gäbe es dutzende Bilder, die ich mir direkt an die Wand hängen würde. Dementsprechend möchte ich gerne einmal die Kameramenschen huldigen, die uns diese Bilder beschert haben.
Doch Obacht: Die Texte sind zwar spoilerfrei, die dazugehörigen Videos können jedoch Szenen enthalten, die Aufschluss über den Fortgang der jeweiligen Handlung geben können.
The Handmaid’s Tale
In der dystopischen Serie „The Handmaid’s Tale“, die auf Margaret Atwoods gleichnamigen Roman von 1985 basiert, kämpft Elisabeth Moss alias Offred im totalitären Staat Gilead damit, als Gebärmaschine ihres Herrn und Eigentümers missbraucht zu werden. Der harte Stoff ist Grund genug, dass die Serie unter die Haut geht. Aber Cinematographer Colin Watkinson spielt derart mit (natürlichem) Licht und Tiefe, dass die Bilder gleich deutlich eindringlicher werden. Dazu kommt die überwiegend akkurate, extrem symmetrische Komposition der Bilder, die die Handlung an vielen Stellen noch unangenehmer macht, da sie so surreal wirkt und die künstliche Ordnung, die im militarisierten Staat Gilead versucht wird aufrechtzuerhalten, noch unterstreicht – ganz zu schweigen von den zahlreichen extremen Nahaufnahmen von Offred, die uns fast bedrängen. Und zu alledem kommt dann auch noch die farbliche Differenzierung der Bilder, durch die wir als Zuschauer besonders gut zwischen Gegenwart und Vergangenheit der Geschichte unterscheiden können. Ein Augenschmaus… also abgesehen davon, dass der Inhalt natürlich nur schwer verdaulich ist.
Better Call Saul
Ich kann ja nicht in jedem Beitrag, den ich schreibe, von „Breaking Bad“ schwärmen – obwohl es natürlich total gerechtfertigt wäre ;) Jeder, der die beste Serie aller Zeiten kennt, weiß, wie viel Arbeit in der Gestaltung der Bilder und der Kameraarbeit steckt und welch großer Anteil der Geschichte allein darüber erzählt wird. Beim Spin-Off „Better Call Saul“ über die Entwicklung von Bob Odenkirk alias Jimmy McGill zu dem Saul Goodman, wie wir ihn aus der Mutterserie kennen, ist das nicht anders. Und das ganz bewusst nicht, denn Gilligan wollte, dass der „Breaking Bad“ Look bewahrt wird – was natürlich auch Sinn macht.
Cinematographer Arthur Albert hat das Bewahren ziemlich gut hinbekommen, darüber hinaus aber auch vielmehr noch einen ganz eigenen Stil für die Serie geschaffen, die viele Film Noir-Anlehnungen mit sich bringt. Was die Serie sonst noch besonders auszeichnet, ist das außergewöhnliche Framing, das sich u.a. in weiten und vor allem extrem ungewöhnlichen Betrachtungswinkeln zeigt. Mit dieser ausgeklügelten, anspruchsvollen Gestaltung geht ein Effekt einher, der uns Zuschauer noch stärker in das Geschehen eintauchen lässt und uns dadurch selbst bei langen Dialogszenen sehr unterhält. „Better Call Saul“ macht einfach Spaß.
Fargo
„Fargo“ ist ein ganz besonderes Werk, wenn wir uns die Kinematographie der Serie vor Augen führen. So skurril die Handlung auch ist, wenn Lorne Malvo beginnt seinen schlechten Einfluss auf Kleinstädtler Lester Nygaard wirken zu lassen, so speziell ist auch die visuelle Gestaltung, die Cinematographer Dana Gonzalez zu verdanken ist.
Die erste Staffel stellt eine kleine Hommage an „No Country For Old Men“ dar, was sich nicht nur an dem Stil der Serie, sondern auch an einigen Verweisen erkennen lässt. Die Ästhetik der Serie wird dabei natürlich vor allem durch das besondere Setting geprägt, doch auch der Einsatz bestimmter technischer Mittel, wie die vorwiegende Verwendung von Weitwinkellinsen, die die Rauheit der Umgebung noch unterstützen, und die überwiegend ruhige Kamera, die in einem Kontrast zum oftmals unruhigen Inhalt steht, machen „Fargo“ besonders. Zudem ist die Serie ebenfalls mit einer starken Symbolik aufgeladen, die sich ganz bewusst meistens im Hintergrund finden lässt.
The Night of
Die Story von „The Night of“ ist aufwühlend: Naz Kahn, verkörpert von Riz Ahmed, wird des Mordes an einer jungen Frau beschuldigt. Er selbst weiß nicht mehr, was in der Nacht passiert ist, als er mit ihr zusammen war – und der Zuschauer weiß dies auch nicht. Im Laufe der acht Episoden merken wir jedoch allmählich, dass die Auflösung der Nacht des Mordes hier auch gar nicht im Mittelpunkt steht, sondern die Entwicklung des Protagonisten, die er durch diese Anschuldigung vollzieht.
In eindrucksvollen Bildern und meiner Meinung nach einer der schönsten Bildkompositionen bringt uns Cinematographer Igor Martinovic diese Charakterstudie nah, macht die Isolation der Figuren durch ungewöhnliche Einstellungen spürbar und lässt uns durch zahlreiche Point-of-View-Shots gleichzeitig stark mit ihnen mitfühlen. Ich konnte mich bei meinen Reviews jedenfalls nie entscheiden, welche der unzähligen Screenshots nur die schönsten sind.
Hannibal
Die Figur des Hannibal Lecter verfolgt ihre ganz eigene Kunst: die Organe ihrer Opfer zu essen. Die Serie „Hannibal“ ist in ihrer Darstellung des Serienmörders und Kannibalen, verkörpert von Mads Mikkelsen, der in seiner Funktion als Psychiater dem FBI-Agenten Will Graham dabei helfen soll, Täter zu fangen, dabei sagen wir „in allgemeingültigerer Hinsicht“ kunstvoll unterwegs.
Cinematographer James Hawkinson schafft eine sehr verstörende und düstere Umgebung, die jedoch extrem poetisch daherkommt und sehr viel mit Symmetrie und sogar Achsensymmetrie spielt. Einstellungen kommen Gemälden gleich, es werden visuelle Metaphern verwendet, die Bilder sind eindringlich, wirken fast haptisch. Auf der einen Seite gibt es extreme Close-ups, auf der anderen Seite viel Negativ-Raum. Und kaum eine andere Sendung bringt so viele Gradierungen von Dunkelheit mit sich, wie „Hannibal“.
Wie sieht es mit euch aus? Welche Serie bewundert ihr für ihre tolle Kameraarbeit, welche Einstellungen bekommt ihr nicht mehr aus dem Kopf, welche Bilder hängen womöglich sogar bei euch im Wohnzimmer? Erzählt es uns gern in den Kommentaren!
Uh, ein sehr schönes Thema, tolle Idee! :) Ich bin auch ein Opfer, wenn es um tolle visuelle Inszenierungen geht. Und soweit ich das beurteilen kann (habe nicht alle gesehen), ist die Serienauswahl auch sehr passend. Mir würde da spontan noch „Mr. Robot“ und (vor allem die erste Staffel von) „True Detective“ einfallen sowie kurioserweise auch „Banshee“, das eigentlich gar nicht dafür steht, aber nach einem so ganz und gar nicht kinematographischen Start einige echt überraschend schöne Shots parat hatte, die einen gelungenen Kontrast zum sonstigen Gewalt-Sex-Cocktail bereithielten. ;)
Oh ja, „True Detective“ kann sich auf jeden Fall auch mit einreihen und „Mr Robot“ hat in dieser Kategorie auch Aufmerksamkeit verdient. „Banshee“ hab ich leider nicht gesehen und leider haben wir ja immer nur 5 Plätze in der Rangliste zu vergeben, sodass „Stranger Things“ dann kurzerhand doch wieder weichen musste. Aber auch hier ist die visuelle Inszenierung natürlich sehr gelungen.
Ja, gute Auswahl, soweit ich das beurteilen kann. Ich hätte vermutlich noch Mad Men und Legion mit reingenommen, oder Carnivale, um mal einen Klassiker einzureihen. Aber schönes Thema, da kann ich Maik nur beipflichten. :-)
Danke dir :) „Legion“ hab ich nicht gesehen, aber tatsächlich öfter schon mal gelesen, dass die visuelle Inszenierung sehr besonders sein soll. Vielleicht fang ich allein aus dem Grund mal damit an ;)
Das solltest Du unbedingt <3
Oh ja, wunderbares Thema. Legion wäre bei mir auch dabei und auch Breaking Bad. Da gab es tolle Bilder und Momente.
Und ich mag, dass diese Liste nicht die ganz dicken Budget-Serien zeigt, wie Westworld oder Game of Thrones.
Breaking Bad <3
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