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Kopf aus, Lust an

Review: „Finger weg!“ („Too Hot to Handle“) Netflix-Reality-Show

Spoilerfrei
7. Mai 2020, 11:02 Uhr
Spoilerfrei
Maik
07.05.20

Bitte macht bezüglich des neuen Reality-TV-Formates „Finger weg!“ das, was die Show zu lehren versucht: Seid nicht oberflächlich und zieht ein vorschnelles Fazit darüber, wenn euch Netflix Thumbnail, Kurzbeschreibung und/oder Trailer präsentiert. Denn die kuriose Dating-Sendung hat deutlich mehr zu bieten, als man zunächst meinen mag.

Passend zur morgen (8. Mai 2020) online gehenden Reunion-Folge möchte ich euch einen spoilerarmen Überblick in Review-Form geben.

Geld oder Liebe Sex?

Im April 2019 wurde eine Reihe Singles an einem paradiesischen Strand in Mexiko ausgesetzt, die allesamt rein optisch an der „10 von 10“ kratzen (Geschmackssache, aber zumindest unattraktiv ist dort niemand) und vor allem eines sind: geil. Also, ihren Trieben folgen. Wie Netflix die Auswahl getroffen hat, bleibt ein gut gehütetes Geheimnis, aber der Casting-Aufruf dürfte sich an Tinder-Vielnutzende NymphomanInnen gerichtet haben, die One-Night-Stands Zwei-Mensch-Beziehungen vorziehen und unter dem Vorwand einer fetten Sex-Party in die Show geflogen worden sind. Und dann kommt der Haken an der Geschichte: Sex ist verboten!

Jegliche Form intimen Körperkontaktes führt dazu, dass das angepriesene Preisgeld von 100.000 US-Dollar reduziert wird. Die obszön denkenden Gemüter sollen sich benehmen und hinter die sexy Fassade ihrer Gegenüber blicken, um „echte und tiefe Beziehungen“ zu erreichen. Okay…

„Zehn junge, gutaussehende Singles aus aller Welt kommen in einem Strandparadies zusammen, um ihren exotischsten und erotischsten Sommer aller Zeiten zu erleben. Aber es gibt einen Haken. Alle haben Bindungsprobleme und lassen sich normalerweise nur auf die schnelle Nummer ein. Wenn sie aber die Siegerprämie von 100.000 Dollar kassieren wollen, müssen sie für die Dauer ihres Aufenthalts alle oberflächlichen Techtelmechtel sein lassen. Kein Geknutsche, kein Petting und kein Sex, welcher Art auch immer, sind erlaubt. Mit jedem Fehltritt sinkt die Siegerprämie. Werden die notorischen Singles es in dieser sexfreien Luxusanlage schaffen, tiefere Beziehungen zueinander aufzubauen? Oder können sie die Finger nicht voneinander lassen, weil die Versuchungen einfach zu verlockend sind?“

Billig mit Ebenen

Ich gebe zu, mein Ersteindruck des im Original mit „Too Hot to Handle“ viel besser betitelten Formates war auch, dass ich dachte, was für eine billige RTL2-Nackidei-Sex-Show ist das denn jetzt bitte?! Der Trailer hat den Eindruck ebenso verstärkt, wie die erste Folge. Viele eher plump geschaltete Köpfe aus englischsprachigen Territorien treffen mit dem Gedanken aufeinander, ordentlich Spaß mit den anderen zu haben, während auf dem Bildschirm prominent eine „XX minutes until Sex Ban“-Uhr eingeblendet wird. Und ja, auch während der kompletten acht Folgen umfassenden Staffel gibt es allerlei stumpfe bis pubertäre Sachen zu hören und sehen. Wenn eigentlich erwachsene Menschen bereits nach zwei(!) sexlosen Tagen Entzugserscheinungen á la „40 Tage und 40 Nächte“ erhalten, die Schlafzimmer-Kissen trockenrammeln oder sich unentwegt in die eigenen Lippen beißen, fühlt man sich als Normalo etwas komisch. Ein paar Tage oder Wochen ohne Sex für vieeel Geld? Wo ist euer verdammtes Problem?!

„I think my personality is my best asset. But the eyes go to the boobs.“ (Francesca)

Aber genau das macht dann doch irgendwo den Reiz aus. Man ist gleichermaßen moralisch erhaben sowie fasziniert beim Anblick der Dauervögler, die durch eine „künstliche Intelligenz“ einen Keuschheitsgürtel verpasst bekommen. Ob „Lana“, ein Plastik-Kegel mit Roboterstimme, nun wirklich eine KI ist, wage ich zu bezweifeln, vielmehr werden denke ich in „Big Brother“-Manier spontan Nachrichten an die KandidatInnen (durch eine Vorlese-Software gejagt) geschickt. Aber fest steht: Das System kann alles sehen und jede Unsittlichkeit kostet. Ist ein Kuss wirklich mehrere tausend Dollar wert?

„I’m not the brightest spark in the book.“ (Chloe)

Die wortwörtliche Umtriebigkeit der Teilnehmenden ist aber auch das, was Dynamik in die Gruppe bringt. Denn nein, so viel sei verraten, die Leute sitzen nicht einfach die Zeit ab, lernen sich emotional kennen und schätzen, um am Ende ohne auch nur einen Kuss das Resort zu verlassen. Stattdessen gibt es Lügen, geheime Täuschungsversuche und allerlei jugendlichen Blödsinn zu beobachten.

„I don’t have lines. I don’t have a strategy. I just walk int a bar and take my clothes off.“ (David)

Smarte Inszenierung

Was manche KandidatInnen nicht in der Birne haben (Chloe, wirklich?!) macht „Finger weg!“ mit dem allgemeinen Schnitt der Sendung wieder gut. Allem voran ist der Kommentar von Comediene Desiree Burch sehr kurzweilig gestaltet. Mit viel Ironie, Humor und gutem Timing weiß sie mit ihren Spitzen die Show und TeilnehmerInnen ordentlich aufs Korn zu nehmen. Das erinnert sehr an die gute Moderation der US-Ausgabe von „The Circle“, doch auch wenn die Stimme und Art ähnlich klingt, hat es sich dort mit Michelle Buteau um jemand anderes am Mikrofon gehandelt.

„I study Women and Gender Studies at college. if you pay attention you kind of get a blueprint to how to pick up women.“ (Sharron) – Off-Screen-Voice: Can you feel our eyes roll through your screen?

Zudem ist der Edit der Show modern und dynamisch gehalten. Es gibt allgemein im Pacing kaum lahme Durchhänger, immerhin wurden die mehreren(!) sexlosen(!) Wochen(!) auf wenige Folgen und Stunden komprimiert. Aber gerade Momente, wie dieser (mein liebster!) machen die Show aus: Im Anschluss an die „alles wird gut“-Aussage der Off-Stimme folgt ein komplett gegensätzlicher O-Ton eines Kandidaten, gefolgt von ihm am Strand im Sonnenuntergang in Zeitlupe am Keyboard sitzend, in die Kamera lachend und mit einem dämonischen Lachen drüber gelegt – Abspann. Grandios!

Die Moral von der Geschicht‘

Irgendwie schafft es „Finger weg!“ dann aber tatsächlich, auch einen gewissen Lehrwert zu vermitteln. Vielleicht nicht unbedingt allen Teilnehmenden, aber sicherlich dem einen oder der anderen ZuschauerIn. Denn ja, gutes Aussehen ist ziemlich toll, aber eben bei weitem nicht alles. So eine richtige, emotionale Bindung ist eben viel mehr wert als nur eine physische Anziehungskraft. Die angestrebte persönliche Weiterentwicklung scheint bei manchen der KandidatInnen wirklich eingetreten zu sein, am Ende wirkt es aber eher, als sie die Gemeinschaft im Resort zusammengewachsen und dadurch einige anfangs verräterische Aktionen plötzlich selbst für Accountant Kelz irgendwo in Ordnung. Geld scheint wichtiger als Sex, aber Liebe wiederum wichtiger als Geld. Eine schöne Gleichung.

„Finger weg!“ hat es geschafft, mich zu überraschen und meinen Ersteindruck in den Hintern zu treten. Vielleicht ist es auch die aktuelle Situation der Kontaktsperre, in der es ironisch passend wirkt, wenn Leute sich nicht innig berühren dürfen und man als Zuschauer bei jeder Umarmung (die übrigens erlaubt ist) selbst auf Entzug sitzend mitfühlt. Aber letztlich schafft die Show es erstaunlich gut, trotz des eher plumpen Settings eine dynamische Dramaturgie über die Staffel hinweg zu spannen. Das liegt allem voran an den wahrlich „speziellen“ Leuten, die im Format mitgespielt haben. Wir haben jedenfalls die sieben Episoden nach der ersten binnen zwei Tagen durchgeschaut. Wer „The Circle“ mochte, dürfte hier auch auf seine Kosten kommen und das Format ist vielleicht weniger herzlich, aber deutlich unterhaltsamer als „Love is Blind“.

Die größten WTF?!-Momente aus „Finger weg!“

Für alle, die die Staffel bereits gesehen haben, oder die, die sich spoilern lassen wollen – hier ein paar skurrile Momente aus den acht Episoden.

„Zehn Singles, vier Wochen und unendlich viele WTF-Momente. Wir haben die besten für euch zusammengefasst!“

Bilder: Netflix / Ana Cristina Blumenkro

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2 Kommentare

  • zaeppix

    Damit ein Mensch sich und seine Verhaltensmuster wirklich ändert benötigt es schon deutlich länger als 4 Wochen mit ein paar Workshops. Ich kann mir solche Sendungen nicht anschauen (habe die erste Folge angeschaut und dann noch bei ein paar Folgen mit Sprüngen kurz reingeschaut) und hoffe, dass nicht noch mehr solcher Schund auf Netflix landet (es gibt ohnehin schon viel anspruchsloses Zeug im Angebot, aber diese Sendung ist echt unterirdisch). Ich habe schon seit 10 Jahren kein reguläres TV mehr, eben weil dort viel zu viel niveaulose Sendungen kommen und es sich für mich nicht lohnt, den TV einzuschalten. Unterhaltsam finde ich so etwas nicht, sondern wirklich nur peinlich. Immerhin kann man sich bei einem Streaming Dienst raussuchen, was einem gefällt und noch gibt es einiges mit Anspruch. Ansonsten mache ich es wie sonst auch, gute Bücher lesen (vorzugsweise Klassiker, Philosophie usw.). Das Leben ist zu kurz, um es mit Belanglosigkeiten zu verschwenden, das ist zumindest meine Meinung. Und welchen IQ man haben muss, um von einer solchen Sendung etwas wirklich lehrreiches mitnehmen zu können.
    Das ist zumindest meine Meinung und Einstellung dazu…
    Aber wie schon die alten Römer sagten: de gustibus non est disputandum

    • Oh ja, die guten alten Römer, die sich die Zeit mit Wagenrennen vertrieben haben – Feuilleton-Unterhaltung vom Feinsten! ;)

      Nein, es ist natürlich klar, dass wir es hier nicht mit anspruchsvoller Kultur zu tun haben und vor allem Geschmäcker eben verschieden sind. Niemand dürfte ernsthaft „Too Hot To Handle“ für ein wichtiges und ernstzunehmendes TV-Format erachten, über das man noch in Jahren sprechen wird. Entsprechend negativ war auch mein erster Eindruck und die niedrige Erwartungshaltung, wie im Beitrag angerissen. Aber ich wurde überrascht, dass man es selbstironisch geschafft hat, durch Inszenierung und Moderation eine andere Unterhaltungs-Ebene zu erreichen, als nur stumpfes „bump-di-dum“. Nichts anderes als anderes „Trash-TV“, klar. Aber es weiß zu unterhalten, geht als Guilty Pleasure durch, wenn man mal den Kopf ausschalten möchte zwischen all den Büchern. Dass da verdammt viel gescripted und plump inszeniert ist, dürfte (hoffentlich) allen soweit klar sein, genau, wie dass da vermutlich wenig bis keine echte Entwicklung bei den Leuten stattfinden wird. Aber darum geht es wie gesagt gar nicht, nimmt sich das Format doch genauso wenig ernst, wie die Leute, die es schauen.

      Und ohne deine Meinung damit verfälschen zu wollen, bringt glaube ich eine Folge plus „mit Sprüngen kurz reingeschaut“ nicht wirklich was bei diesem Format. Dafür sind die Szenen zu unterschiedlich und man kann „Glück“ oder „Pech“ beim Springen haben, und die Dynamik und Verbundenheit zu den Figuren kann sich nicht aufbauen.


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