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Vor allem zwei Episoden stechen hervor

Review: The Sandman – Staffel 1 (Netflix)

Mini-Spoiler
16. August 2022, 07:47 Uhr
Mini-Spoiler
Michael
16.08.22

Für ganz viele Graphic Novel-Fans ist im August 2022 ein Traum in Erfüllung gegangen – endlich hat sich ein Anbieter gefunden, der die Geschichte von „The Sandman“ filmisch erzählt. Die mehrfach ausgezeichnete DC-Reihe von Neil Gaiman sollte schonmal als Film veröffentlicht werden, dann nahmen Serien wie „Lucifer“ und „Constantine“ Anleihen bei der „The Sandman“-Reihe – und jetzt hat sich Netflix endlich den kreativen Stoff von Neil Gaiman geschnappt. Staffel 1 ist jetzt seit knapp zehn Tagen draußen – und hat bereits über 60 Millionen Zuschauer gefunden. Platz 1 in den Netflix-Charts in knapp 90 Ländern – das kann man bei dem Streamingdienst durchaus als Erfolg verbuchen, vor allem, wenn man bedenkt, dass die zehn Folgen ab 18 Jahren freigegeben sind und der Stoff jetzt kein breites Publikum ansprechen dürfte. Ob’s eine zweite Staffel geben wird, ist noch offen – angesichts des Erfolges und des Potenzials der Graphic Novel-Vorlage dürfte die Entscheidung pro Staffel 2 allerdings leicht fallen.

Das gilt übrigens auch, wenn man sich alleine mit der Qualität der Umsetzung auseinandersetzt. Ich hatte ja bereits ein Review zum Staffelstart verfasst, in dem ich vor allem drei Aspekte kritisierte, die mich wirklich störten: die eher minderwertige, sterile Computeranimation, der unspektakuläre Score von David Buckley und die vollkommen unpassende deutsche Synchronstimme für die Hauptfigur Dream. Ich hatte ja schon angekündigt, „The Sandman“ deswegen einfach im Original weiter zu schauen – aber ich habe mir dann doch den Spaß gegönnt, die eine oder andere Szene nochmal in der deutschen Synchro zu schauen. Es ist wirklich so grauenhaft, dass es an einigen Stellen schon wieder lustig ist. Wer auch immer die Idee hatte, Tom Sturridge so durch Nicolas Artajo zu synchronisieren – diese Entscheidung müsste er wirklich einmal erklären. Der Score bleibt leider relativ blass – da hatte ich mir deutlich mehr erhofft, und die Serie gibt meiner Meinung nach auch deutlich mehr Potenzial her als das, was uns hier geboten wird – schade.

Dafür erholt sich „The Sandman“ optisch ziemlich schnell – die visuellen Effekte sind in den nächsten Folgen deutlich besser gelungen, erst in der letzten Folge wird’s wieder schwächer. Bis dahin ist man aber längst Fan der Serien-Umsetzung von „The Sandman“ geworden – weil die 1. Staffel einige grandiose Momente bereithält und damit für vieles entschädigt. Da sind vor allem die Folgen 5 und 6 zu nennen, die wirklich toll erzählt und inszeniert sind. Folge 5 – „24 Stunden“ – erzählt die Geschichte von John, der in Besitz des Rubins von Dream ist und in einem Diner die veränderten Kräfte des Rubins einsetzt, um Menschen dazu zu bringen, die Wahrheit zu sagen – und zu leben. Das alles endet in einem Desaster, aber Dream löst es am Ende überzeugend auf – übrigens auch anders als in den Comics. Mehr zu den Details dieser Folge hat Adi Tantimedh hier für Bleedingcool.com verfasst. Auch er kommt zu dem Schluss: Die Folge hatte eine besondere Stimmung und war extrem spannend aufgesetzt – das erste Highlight nach der schwächeren Pilotfolge und den soliden Folgen 2 bis 4. Folge 6 schließt an das hohe Niveau glücklicherweise an – tendenziell meine Favoritin unter den zehn Episoden der ersten Staffel.

Hier trifft Dream auf seine Schwester Death (großartig verkörpert von Kirby Howell-Baptiste), die ihn mit zu ihrer täglichen Aufgabe nimmt, Menschenleben zu beenden. Die Folge „Das Rauschen ihrer Flügel“ umfasst die Comicbände 8 und 13 von Neil Gaimans Vorlage und wirkt wie eine eigene Geschichte oder eine Art Übergang zwischen den beiden großen, zusammenhängenden Geschichten davor (Dreams Gefangenschaft und Rückkehr) und danach (Dreams Reich wird von einem Wirbel namens Rose bedroht). Im Prinzip passiert gar nicht so viel in dieser Folge – Dream und Death gehen spazieren und unterhalten sich, übrigens bei den Dialogen extrem nah am Original. Sie erklärt in Ruhe, wie es ist, Death zu sein, diese Aufgabe zu erfüllen, in den letzten Momenten bei den Menschen zu sein. Fast beiläufig werden während ihrer Dialoge mit Dream die Momente des Übergangserzählt, wenn wieder jemand sterben muss. Dabei wird Death‘ Charakter hier aber um eine warme, mitfühlende Nuance erweitert, die das Bild für mich insgesamt rund macht und ein wunderbarer Beleg dafür ist, dass es durchaus Sinn macht, selbst so starke visuelle Geschichten wie die Graphic Novel noch einmal für eine Serie neu aufzusetzen. Man kann Figuren anders charakterisieren, Momente der Geschichten verschieben, ein anderes Bild der Kerngeschichte schaffen, so dass man als Fan der Vorlage nachher sagen kann: ‚Ja, es ist anders, aber es ist gut.‘ Death ist wie gesagt bestes Beispiel dafür, wie eine Adaption funktionieren kann: Beide Versionen von Death haben ihre Daeinsberechtigung – sowohl die Comic-Death als auch die Serien-Death. Beides ‚passt‘ zur Geschichte, passt übrigens auch jeweils zu Dream, der ebenfalls ganz unterschiedlich auf die beiden Versionen von Death reagiert. Mehr über die Unterschiede der Figur gibt es übrigens in diesem tollen Beitrag von Mikey Walsh bei Nerdist.

Und die tolle Geschichte mit Death geht noch weiter, findet einen schönen Übergang zur nächsten Geschichte: Denn danach trifft Dream mit Death auf Hob Gadling, den Death verschont und der sich alle 100 Jahre wieder mit Dream trifft, um ihm zu berichten, wie es ist, zu leben. Alle 100 Jahre treffen sie sich wieder, Hob erzählt, was er erlebt hat, und egal, wie es ihm geht – er möchte immer weiter leben, selbst wenn er am Boden ist. Hier gefallen mir übrigens auch die unterschiedlichen Outfits von Dream ziemlich gut, der sich in gewisser Weise den jeweiligen Jahrhunderten anpasst, obwohl er das ja gar nicht müsste, weil er gar bei den Menschen lebt (zumindest nicht in deren Wachzustand). Schön umgesetzt ist dann auch die Konfrontation mit Hob, der Dreams wahre Intention zu erkennen glaubt – womit sich Dream ertappt fühlt und sich zurückzieht. Gut finde ich auch hier das Einfangen der Constantine-Handlungslinie, die in die Hob Gadling-Story eingewoben wird. Das bindet den ersten Teil der Staffel noch einmal schön ein. Insgesamt sind beide Geschichten in dieser Episode so gut erzählt und nehmen dabei viele Anklänge an die Vorlage (teilweise fast 1:1 im Vergleich zur Graphic Novel), dass es sich definitiv lohnt, diese Folge direkt auch ein zweites Mal durchzusehen.

Was mir beim Zusehen besonders gefallen hat in diesem Zusammenhang: Bei beiden Folgen in diesem Mittelteil der Staffel kommt es bei mir vor, dass mir immer wieder Bilder und Szenen aus der Graphic Novel in den Sinn kommen, wenn ich bestimmte Szenen in der Verfilmung sehe – ein toller Effekt, den ich bei Comic-Adaptionen bisher eher selten hatte und damit aus meiner Perspektive auch eine schöne Bestätigung für die Serie, dass sie an diesen Stellen auf jeden Fall richtig gut funktioniert.

Neben diesen beiden herausragenden Folgen sind wie gesagt auch die übrigen Folgen durchaus solide. Da hatte ich mit der Einstiegsfolge offensichtlich auch gleich die schwächste Episode erwischt. Im ersten Teil gefällt mir vor allem die Einbindung von John Johanna Constantine – der Charakter weist dann doch tatsächlich einige Veränderungen gegenüber der Vorlage auf, was mir allerdings sehr gut gefällt. Im Netz gibt’s ja seit Veröffentlichung der 1. Staffel viele Diskussionen über die Veränderungen, die Neil Gaiman vorgenommen hat, insbesondere eben dass aus John Johanna geworden ist (toll gespielt von Jenna Coleman, der ja schon viele ein Spin-Off andichten wollen), aber auch, dass Lucifer von Gwendoline Christie gespielt wird statt von Tom Ellis, der den Charakter in der Serie „Lucifer“ spielt. Tatsächlich gab’s aus meiner Sicht auch nur die beiden Optionen – entweder Tom Ellis nochmal einzusetzen, oder sich so extrem abzugrenzen, wie es jetzt erfolgt ist. Ich finde die Veränderungen gegenüber der Vorlage insgesamt vollkommen in Ordnung, bei Constantine profitiert die Figur meiner Meinung nach sogar von den Änderungen.

Im zweiten Teil mag ich vor allem die Auftritte von „Fiddler’s Green“ – hier trifft die Serie für meinen Geschmack den Charakter aus der Vorlage am besten. Direkt schade, dass es zu wenig Screentime für Stephen Fry gibt, der die Rolle mir großem Charme spielt. Kleine Highlights am Rande sind natürlich Patton Oswalt als Rabe Matthew und Mark Hamill als Mervyn Pumpkinhead – beide sieht man nicht, aber ihre Stimmen passen einfach perfekt in das Gesamtgefüge. Und: Auch im zweiten Teil assoziiere ich wieder an einigen Stellen Bilder aus der Graphic Novel bei verschiedenen Momenten – da macht die Serie vieles richtig. Und so ist die 1. Staffel am Ende in ihrer Gesamtheit sicher nicht der ganz große Überflieger, bekommt aber ganz gut die Kurve, um zu überzeugen und neben der Graphic Novel bestehen zu können. Hier stellt sich nicht die Frage, welche Umsetzung von „The Sandman“ wohl die bessere ist. Beide Versionen funktionieren für sich, haben ihre Daseinsberechtigung und überzeugen mit ihren Nuancen in der Darstellung und im Storytelling. Die ersten Graphic Novels von „The Sandman“ habe ich mir übrigens dennoch noch einmal hervorgeholt, um die Geschichten der 1. Staffel nachzulesen. Ich merke jetzt schon – es macht wieder großen Spaß, auch in diese Welt von Dream einzutauchen. Und klar: Die Geschichte selbst hat über die Jahre nichts von ihrer Faszination verloren.

PS. Wer sich auch einmal mit der Graphic Novel-Vorlage beschäftigen möchte – hier noch die Übersicht der Comicbände, die den jeweiligen Folgen zugrund liegen (mehr dazu gibt’s auch in diesem Beitrag).

#01 Schlaf der Gerechten – The Sandman #1 („Sleep of the Just“)
#02 Gastgeber mit kleinen Fehlern – The Sandman #2 („Imperfect Hosts“)
#03 Träum einen Traum von mir – The Sandman #3 („Dream a Little Dream of Me“)
#04 Hoffnung in der Hölle – The Sandman #4 („A Hope in Hell“) und #5 („Passengers“)
#05 24 Stunden – The Sandman #6 („24 Hours“) und #7 („Sound and Fury“)
#06 Das Rauschen ihrer Flügel – The Sandman #8 („The Sound of Her Wings“) und #13 („Men of Good Fortune“)
#07 Das Puppenhaus – The Sandman #10 („The Doll’s House“) und #11 („Moving In“)
#08 Vater, Mutter, Kind … – he Sandman #12 („Playing House“) und #15 („Into the Night“)
#09 Unter Sammlern – The Sandman #14 („Collectors“)
#10 Verlorene Herzen – The Sandman #14 („Collectors“) und #16 („Lost Hearts“).

UPDATE: 2 Wochen nach Serienstart hat Netflix eine Bonus-Folgen mit 2 Geschichten nachgeschoben – hier geht’s zum Review.

Bilder: Netflix

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